Ausnahmsweise verschreibungspflichtig (6/20)

Da hat jemand erkannt, wo man die besten Stilblüten und Verschreiber am einfachsten findet. Ein aufmerksamer MN-Leser hat festgestellt, dass es reicht, einfach die kostenlosen Werbezeitungen durchzublättern. „Was nichts kostet, ist nichts wert“, meint der, der sich Hans Pulitzer nennt und muss es wissen, schließlich liest er auch die Markranstädter Nachtschichten. Gleich zweimal wurde er im jüngsten SachsenSonntag fündig, den Rest lieferten das Internet und die Tagespresse.

Wer da allerdings hofft, dass wenigstens die themenneutrale Rubrik „ausnahmsweise verschreibungspflichtig“ ohne Corona auskommt, den müssen wir enttäuschen. Wir leben im Zeitalter der Virokratie, da ist Corona sowas wie während der Inquisition das Höllenfeuer und also muss es geschürt werden.

Nur augenscheinlich nichts mit Corona zu tun hat das erste Fundstück. Aber die Einsenderin kann schließlich die Hintergründe nicht kennen.

Weil die herrschende Klasse der Systemrelevanten seit Wochen im Home-Office ruht, liegt die Endredaktion deutscher Tageszeitungen jetzt in den Händen hastig eingeflogener, ausländischer Saisonarbeitskräfte.

Es war nicht alles schlecht

Und so stand der libysche Volontär Covid (19) plötzlich vor der Aufgabe, die Seite unter dem Rubrum „Wahres, Schönes, Gutes“ zusammenzunageln. Zur Auswahl standen die Explosion des Kernkraftwerkes Tschernobyl, der Anschlag auf das World-Trade-Center 2001 und eine Geschichte über Nazi-Henker Willi Herold.

gefunden von unserer Leserin Nabitte Brigitte in der LVZ vom 2. Mai 2020

Weil Letztere haargenau in den weißen Fleck auf der Seite passte und die Drucker an der Maschine schon mit den Füßen scharrten, hat sich Covid kurzerhand für den Henker vom Emsland entschieden.

Und das war genau richtig! Irgendwie erinnert die Szene auf dem Foto an seinen einstigen sympathischen Führer Muammar al-Gaddafi. Und der war ja schließlich auch jahrzehntelang wahr, schön und gut.

Eine investigativ recherchierte Geschichte bietet auch das Internet-Portal glonaabot.de an. Weil New York ebenso wie London und Paris wegen des Corona-Virus gegenwärtig zu gefährlich für Journalisten ist, haben sich die Macher für eine Geschichte aus Markranstädt entschieden.

Die Sphinx von Markranstädt

Die Themenwahl war nicht schwer. Schon nach Eingabe der Buchstaben „Markr“ in die Suchmaske von Google erschien der Begriff „Bürgermeister-Wahlkampf“. Jetzt schnell noch durchlesen, was andere Gazetten darüber so geschrieben haben, die Sache ein wenig umdichten und fertig ist die Schlagzeile.

Gefunden von User03 via Google.

Blöd nur, dass die Inthronisation eines christdemokratischen Bewerbers noch nicht stattgefunden hat und man deshalb keinen Kandidaten präsentieren kann. Um dennoch einen Anschein von Aktualität zu vermitteln, sind die Experten mit den Namen der beiden Bewerber Heike Helbig und Jens Schwertfeger einfach ins Gen-Labor gegangen und haben dort eine wählbare Sphinx gemixt. Voilá: Jens Helbig!

Das klappt übrigens nicht nur bei Glonaabot. Sogar Sie können das zu Hause selber machen. Eine lustige Freizeitgestaltung für die ganze Familie, wenn einem die eigene Brut wegen geschlossener Kitas im Home-Office auf den Sack geht. Geben Sie ihnen einfach ein paar Namen und lassen Sie die Kids am Wohnzimmertisch Doppelspitzen mixen. Sie werden staunen, was sich da für Perspektiven ergeben. Tommy Meißner, Kirsten Walther oder Dr. Volker Spiske, um nur mal einige zu nennen. Was die zugehörigen Bilder vorm geistigen Auge angeht, sind Ihrer kreativen Phantasie keine Grenzen gesetzt.

Sie wollten schon immer mal wissen, wie die Überschriften für Zeitungsartikel entstehen? Hier die Auflösung: Es funktioniert wie beim Scrabble. Man sitzt in einer Runde und ein Redakteur gibt einen Begriff vor. Der Nächste fügt ein Wort an, der Dritte ein weiteres und so geht das, bis die Zeilen voll sind.

Scrabble am Redaktionstisch

Gefunden von Hans Pulitzer im SachsenSonntag vom 5. Mai.

Aber wie beim wahren Scrabble, gibt es auch hier immer wieder welche, die dabei tricksen wollen. Von wegen „gefördert des Ordnungsamtes“. Das muss natürlich heißen „gefördert für das Ordnungsamt“, schließlich profitiert es durch die wegfallenden Parkplätze mit rund fünf Millionen Euro von dieser originellen Form des Corona-Schutzes!

Auch um Corona geht es in der folgenden Werbeanzeige im gleichen Blatt. Sie arbeitet mit dem Stilmittel der Suggestiv-Frage. Bei dieser Frageform wird eigentlich gar nichts gefragt, sondern eine Antwort suggeriert.

Gefunden von Hans Pulitzer im SachsenSonntag vom 5. Mai.

Der oberflächlich lesende Konsument wird vielleicht gar einen medizinischen Hintergrund wittern, warum unser Darm gerade in der Corona-Krise so gefragt ist. Aber weit gefehlt! Es geht allein um die Lagerkapazitäten in den privaten Haushalten. Unser Darm ist nur aus einem einzigen Grunde gerade jetzt so wichtig: Weil das Klopapier weg muss! Wären Sie da ohne Suggestiv-Frage drauf gekommen?

 

3 Kommentare

    • Alinuschka auf 6. Mai 2020 bei 12:16
    • Antworten

    Da muss ich gleich einmal ein paar Minuten der soeben begonnenen Mittagspause nutzen, um meinen Dank loszuwerden. Ich bewundere die Leser, die sowas finden. Ich glaube, ich könnte tagelang Zeitung lesen oder im Internet surfen, ohne dass mir sowas auffällt. Aber was Ihr da noch so für Geschichten drumherum strickt, das ist ja einfach nur genial. Entweder muss man dazu geboren sein oder das mit dem Bier und den Schnaps ist die Wahrheit. Covid (19)wird mich heute durch den Tag begleiten. Danke Euch allen!

  1. Dieser Artikel ist ein satirisches Musterexemplar. Es zeigt, worüber mal alles lachen kann. Da wäre einmal die Belegung eines Begriffes mit anderen Inhalten, wie uns der Volontär Covid (19) lehrt. Schon da hätte ich fast das Frühstück ausgeprustet. Dann die einfache aber geniale Abbildung der Realität (zumindest glaube ich, Dr. Volker Spiske in letzter Zeit schon mal als Doppelspitze wahtgenommen zu haben) und am Ende auch noch der Lückenschluss im Stoffwechselkreislauf zwischen Darm und Toilettenpapier.
    Ganz, ganz große Unterhaltung!

    • Schlitzohr auf 5. Mai 2020 bei 22:18
    • Antworten

    Stellt doch mal die Sonntagsfrage um ein Stimmungsbild abzuholen: welche Doppelspitze macht das Rennen, wenn am Sonntag gewählt werden würde?
    Sind eigentlich auch Doppelnamen erlaubt? Das gehört doch heute bei der Damenwahl zum guten Ton, denken wir nur an AKK.
    Deshalb mein Tipp: Heike Schwertfeger-Bär

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