Beim Ortsspaziergang Kita-Standort entdeckt!

 

Auf die folgende investigative Reportage müssen wir Sie mit ein paar Sätzen vorbereiten. Es geht um Göhrenz! Eine Markranstädter Exklave, für die der Lockdown praktisch schon seit ihrer urkundlichen Ersterwähnung fest in der Ortschronik verankert ist. Eigentlich wollten wir für unseren Beitrag mit Ortsvorsteher Jens Schwarzer einen Spaziergang durchs Dorf machen. Dumm gelaufen. Wenn man in Göhrenz die Abstrandsregeln einhalten will, steht einer am Ortseingangs- und sein Gesprächspartner am Ortsausgangsschild. Labern impossible. Also haben wir die Zeitreise telefonisch abgesagt und ihn gebeten, allein loszulaufen. Dass die investigative Reportage jetzt trotzdem erscheinen kann, ist einem technischen Zufall zu verdanken.

Jens Schwarzer hatte vergessen aufzulegen. So wurde das Handy in seiner Jackentasche zum Super-Spreader für hoch infektiöse Nachrichten. Wir brauchten das nur noch mitzuschneiden und abtippen zu lassen. Bitteschön: Hier ein ganz persönlicher Jahresrückblick des Göhrenzer Ortsvorstehers, den wir nur noch mit ein paar Fotos garnieren mussten:

In diesen ruhigen Zeiten ist es in Göhrenz noch ruhiger geworden. Nur die beiden Durchfahrtsstraßen werden morgens und abends noch mäßig frequentiert. Ab und an begegnet man auch Leuten, die ihre bellende Berechtigung zum Rausgehen an der Leine durch den Ort führen. Kinder sind nur hinter Gardinen zu sehen, den sehnsuchtsvollem Blick in Richtung Schule oder Kita gerichtet, die irgendwo hinter dem Horizont liegen müssen.

Über die Corona-Aufregungen kann man in Albersdorf nur müde lächeln. Der Shutdown gehört hier seit der Antike zum Alltag

Über die Corona-Aufregungen kann man in Albersdorf nur müde lächeln. Der Shutdown gehört hier seit der Antike zum Alltag.

Ja, für Göhrenz hat sich in der Pandemie kaum etwas geändert. Es mussten keine Läden oder Kitas geschlossen oder gar über Beschränkungen von Gottesdiensten in einer Göhrenz-Albersdorfer Kirche gesprochen werden. Haben wir alles nicht!

Kein Laden, keine Kita, keine Schule, keine Kirche, kein Ortsbegegnungszentrum, keine Museumsmühle, kein Schloss, kein Industriegebiet und auch keine freiwillige Feuerwehr.

Aber eine Tankstelle hat Albersdorf. Mangels Durchgangsverkehrs allerdings nur für Anhänger.

Aber eine Tankstelle hat Albersdorf. Mangels Durchgangsverkehrs allerdings nur für Anhänger.

Eigentlich ein Top-Job für einen Dorfkanzler. Wo nichts ist, kannste nicht viel falsch machen. Und noch eigentlicher ist somit alles beim Alten. Fast jedenfalls.

Als es noch keinen Radweg gab, war das mal eine der beliebtesten Ausflugsgaststätten weit und breit.

Als es noch keinen Radweg gab, war das mal eine der beliebtesten Ausflugsgaststätten weit und breit.

Es gab auch schon Zeiten, in denen im Ort drei und mehr Kneipen ihren Lebensunterhalt bestritten haben, in denen es einen Kindergarten und ein Gemeindeamt gab.

Sogar einen Bahnhof hatten wir mal, samt Gleisen und täglich verkehrenden Zügen zwischen Plagwitz und Lützen, die bis hin in die prosperierende Metropolregion Pörsten im Herzen von Sachsen-Anhalt reichten. Und das bei deutlich geringeren Einwohnerzahlen als heute!

Der ehemalige Verkehrsknotenpunkt auf der Strecke Lützen-Lausen-London.

Der ehemalige Verkehrsknotenpunkt auf der Strecke Lützen-Lausen-London.

Eine gut gehende und durch den Krieg insolvente Baumschule hat ihre Bäume in der Waldsiedlung und an anderen Stellen hinterlassen. Diese prägen bis heute das Ortsbild nachhaltig.

Bis vor kurzem wohnte dort sogar ein adeliger Sachse mit moritzburger Migrationshintergrund, auch ein Bauunternehmen hatte sich angesiedelt und schloss vor Jahren aus Altersgründen wieder. Sogar einen gutgehenden Schweinestall gab es mal auf Albersdorfer Flur. Heute wohnen dort „Neugöhrenzer“ Bürger.

Und nicht zu vergessen die Kohleförderung, die den Ort zu einem „Bergmannsdorf“ machte. Manche Touristen sind zwar der Meinung, die Zeit der Entstehung von Braunkohle stünde in Göhrenz erst noch bevor, aber spätestens beim Anblick der neuen Straße und moderner Brücken ins Nichts nehmen sie von ihrer Überzeugung Abschied.

Nein, die Kohle-Zeit ist lange vorbei. Viele Häuser von damals sind bereits dem Zahn der Zeit oder des Baggers zum Opfer gefallen. Das hat uns letztlich einen großen See, ein Kraftwerk, eine Fernwärmeleitung und viele Senken infolge Tagesbrüchen in der Gegend hinterlassen.

Die Schachthäuser an der Albersdorfer Straße zeugen noch heute von dieser Zeit … uups, zu weit gelaufen! Das ist ja nicht mehr Göhrenz. Schnell zurück, bevor die Kulkwitzer Grenztruppen auf mich aufmerksam werden.

Das Markranstädter Kaliningrad: Eine Kulkwitzer Exklave in fremdem Hinterland.

Das Markranstädter Kaliningrad: Eine Kulkwitzer Exklave in fremdem Hinterland.

Heute ist hauptsächlich noch Landwirtschaft und Viehzucht in Göhrenz erhalten geblieben. Fast möchte man den alten Zeiten nachtrauern. Aber das liegt nicht im Naturell eines alteingesessenen oder gar zugezogenen Göhrenz-Albersdorfers.

Wir schauen optimistisch in die Zukunft! Dort zeichnet sich in den kommenden Jahren ein Ortsbegegnungszentrum im Transval ab, das ganz sicher von den Einwohnern rege für gemeinsame Veranstaltungen, Kaffeekränzchen oder Zusammenkünfte und Feiern genutzt wird.

Das aktuelle Ortsbegegnungszentrum besticht durch eine stufenlos verstellbare Eingangstür, ein transparentes Fenster und ist mit seinem kompakten Fassungsvermögen ein wahres Raumwunder. Es soll jetzt trotzdem ein Neues her.

Das aktuelle Ortsbegegnungszentrum besticht durch eine stufenlos verstellbare Eingangstür, ein transparentes Fenster und ist mit seinem kompakten Fassungsvermögen ein wahres Raumwunder. Es soll jetzt trotzdem ein Neues her.

Auch die Veranstaltungen des Heimatvereins werden dadurch deutlich einfacher, da Wasser und Strom quasi vorhanden sind und nicht erst mühevoll organisiert werden müssen.

Wir haben den Elster-Saale-Radweg, der durch Göhrenz verläuft und direkt an einem Ziegengehege vorbei führt. Das gehört zwar auch nicht mehr zum Göhrenzer Staatsgebiet, aber geografisch schon.

Der (Rad)Weg ist das Ziel.

Der (Rad)Weg ist das Ziel.

Hier ließe sich bestimmt auch was daraus machen – und wenn auch nur Werbung für Göhrenz und seine kulinarischen Attraktionen. So es sie wieder gibt. Dabei könnte man auch gleich die dem Vandalismus zum Opfer gefallene Rast-Hütte neu errichten, um den Radlern und Spaziergängern wieder eine Gelegenheit zum Verschnaufen zu bieten.

Außerdem ist Göhrenz der einzige Ortsteil Markranstädts mit eigenem Ufer am Kulkwitzer See! Daraus kann doch etwas entwickelt werden – vorsichtig und unter Einbeziehung der Anwohner und des einzigen Kiosks in Göhrenz natürlich.

Zwar erinnert die Architektur an einen kasachischen Grenzübergang, aber die "Platte" ist tatsächlich der beliebteste Ort gastronomischer Geselligkeit in Göhrenz.

Zwar erinnert die Architektur an einen kasachischen Grenzübergang, aber die „Platte“ ist tatsächlich der beliebteste Ort gastronomischer Geselligkeit in Göhrenz.

Die ansässige Tauchschule könnte an einer Entwicklung unseres Ufers ebenso partizipieren wie die vielen Badegäste, die den flachen, kinderfreundlichen Göhrenzer Strand sehr zu schätzen wissen. Leider muss dafür noch auf die Rückführung des Zweckverband-Geländes an Markranstädt gewartet werden.

Nach der Hundesteuer war dies einst die zweitwichtigste Einnahmequelle von Göhrenz. Jetzt werden mit dem Solarstrom Ziegelsteine betrieben.

Nach der Hundesteuer war dies einst die zweitwichtigste Einnahmequelle von Göhrenz. Jetzt werden mit dem Solarstrom Ziegelsteine betrieben.

Ist das passiert, sieht meine Fantasie bereits Dinge wie Sand am bisherigen Kies-Strand; vernünftige Zugänge dahin, wodurch auch Kinderwagen, Rollstühle und Rollatoren an das Ufer gelangen und die Reinigung einfacher funktioniert und auch die Feuerwehr ihr Boot zu Wasser lassen kann.

Ich sehe tolle Klettergerüste am Strand, geregelte und ausgewiesene Feuerstellen zum Grillen, regelmäßig geleerte Müllbehälter und Hundetoiletten; ich sehe eine Badeinsel und Strandkörbe … Bin ich schon größenwahnsinnig?

Schwarzers Visionen sehen hier einen Sandstrand sowie eine Aufwertung der Aufenthaltskultur. Machbar ... sobald der Zweckverband beerdigt wurde.

Schwarzers Visionen sehen da unten einen Sandstrand sowie eine Aufwertung der Aufenthaltskultur. Machbar … sobald der Zweckverband beerdigt wurde.

Möglicherweise erkennt ein geschäftstüchtiger Unternehmer auch das Potential und eröffnet eine kleine gepflegte Übernachtungsgelegenheit am Rande des befestigten Parkplatzes? Ich gleite bereits in Tagträume ab…

Für die nahe Zukunft sehe ich in Göhrenz DEN Standort für DIE neue Markranstädter Kita, welche derzeit im Stadtrat diskutiert und für die eine Interimslösung am Stadtbad errichtet wird.

Eine Kita für Göhrenz!

Göhrenz liegt sozusagen auf dem Weg zwischen der Leipziger Arbeit und dem eigenen Familienstandort der Markranstädter und würde unserem Ort sehr gut zu Gesicht stehen. Es gibt sogar mehrere denkbare Standorte für eine neue Kita und es gibt in einer aufstrebenden Kommune wie Markranstädt auch weiterhin Bedarf. Ein Hoch auf unsere Kinder – ein Hoch auf die Zukunft.

Und nicht zuletzt sind WIR als Einwohner von Göhrenz und Albersdorf und die vielen ansässigen Handwerksunternehmen diejenigen, die von einer heute noch geträumten Zukunft profitieren.

Apropos profitieren: Von dieser Provinzposse, die Göhrenz vor einigen Jahren berühmt machte, profitieren noch heute die gesamte Innung der KFZ-Mechaniker und Reifenhändler.

Apropos profitieren: Von dieser Provinzposse, die Göhrenz vor einigen Jahren berühmt machte, profitieren noch heute die gesamte Innung der KFZ-Mechaniker und Reifenhändler.

Später wollen wir doch einmal unseren Kindern und Enkeln erzählen können, wie es damals so war in Göhrenz, damals im Zeichen der Pandemie – damals im Jahr 2020.

So, liebe MN-Leser, das war der Reisebericht von Jens Schwarzer. Und jetzt sage noch einer, ein Ortsvorsteher hätte keinen Humor. Der hier hat sogar Visionen! Wir haben ihm nach dieser Leistung jedenfalls spontan den akademischen Grad eines Nachtschichtlers h.c. verliehen.

Sozusagen als Dank für diese hohe Verpflichtung bat er uns, anschließend noch einen finalen Aufruf zu veröffentlichen, der da lautet:

„Gern nehme ich weitere Ideen zu Göhrenz und Albersdorf auf. Schreiben Sie mir Ihre Vorschläge oder Kritiken unter or-goehrenz@web.de Ich melde mich bei Ihnen.“

 

11 Kommentare

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    • Bert Hold auf 5. Januar 2021 bei 12:31
    • Antworten

    Der Artikel ist zeitlos!
    Dort gab es scheinbar schon in den 90ern einen Impfstoff gegen Veränderung.
    Den Artikel könnt ihr unverändert jedes Jahr zum Jahreswechsel veröffentlichen.
    Göhrenz – das „Dinner For One“ unter den sächsischen Gemeinden.

    1. Harte Worte für einen so schönen Ort wie Göhrenz.
      Es wird sich ja hoffentlich in Zukunft etwas tun – hier bei uns – nur mahlen die Mühlen leider nicht so schnell.
      Dranbleiben und immer wieder den Finger in die Wunde legen – reden wir in 10 Jahren doch nochmal rückblickend über das Thema.
      Bis dahin bin ich doch guter Dinge, dass sich das Eine und Andere getan hat.
      Aktuell wird ja ein neuer Kita-Standort in Markranstädt gesucht – da gibt es tolle Möglichkeiten in unserem Dorf!
      Und ehrlich mal – unsere neue Straße ist schnell in Vergessenheit geraten – das war schon ein schwer erkämpftes Projekt!
      Jetzt gilt es beim Ortsbegegnungszentrum dran zu bleiben und weitere Projekte nach Göhrenz zu bekommen, die uns allen gut tun 🙂

    • Frosch aka Halloween auf 18. Dezember 2020 bei 21:12
    • Antworten

    Herzlich gelacht mit meinem Schwiegervater, welcher in Göhrenz wohnt, über den tollen Artikel voller Visionen. Danke dafür.

    1. Also jetzt übertreiben Sie aber. So schlecht war der Beitrag nun auch wieder nicht, dass er sogar Schwiegerväter zum Lachen bringt. Das schafft sonst nicht mal der Koks-Händler.

    • Beobachter auf 18. Dezember 2020 bei 11:23
    • Antworten

    „Wer Visionen hat, sollte zum Arzt gehen“ sagte einmal Helmut Schmidt ( ehem. Bundeskanzler, den ich sehr vermisse)
    – Spaß beiseite-

    Ich finde die Ideen echt gut und wir brauchen viel mehr davon, vorausgesetzt, der Bürger hat dann auch was davon, nicht nur die Unternehmen, die das dann umsetzen dürfen 😉

    Toller Beitrag! Danke

    1. Ja, wir vermissen auch viele Menschen, nicht nur den Schmidt. Viele meinen, es läge an der Lebensweise, dass die so früh gehen. Aber 2020 zeigte uns den wahren Grund. Maradonna ist tot, die Rolling Stones leben noch. Es liegt also am Sport und nicht an den Drogen!

    • Samoht auf 18. Dezember 2020 bei 10:51
    • Antworten

    Für die Idee müsste es den Grimme-Preis, für die Umsetzung den Pulitzer-Preis und für das Gesamtwerk wenigstens einen Bambi geben! So kann man Kommunalpolitik dem Bürger nahebringen und sogar schmackhaft machen. Bei den Alleinstellungsmerkmalen der „Schnellen Spritze“ und der kasachischen Grenzübergangsstelle habe ich Tränen gelacht. Vielen, vielen Dank für die erhellende Aufheiterung in dieser dunklen Zeit.

    1. Preise hin oder her … hätten wir sowieso abgelehnt. Ruhm ist vergänglich, außerdem haben wir gar keinen Platz mehr für Trophäen. Alles voll mit Leergut..

    • Ines binnemann auf 17. Dezember 2020 bei 21:55
    • Antworten

    Das hast du grossartig gemacht.couragiert und voller Ideen wie immer.

    1. Und wir? Sie glauben doch wohl nicht, dass sich der Mann ohne unseren Zaubertrank zu solchen Leistungen aufgeschwungen hätte.

      1. Na, der Zaubertrank war eher ein kühles Bier nach dem Glühwein nach dem Rundgang durch Göhrenz. Und das Handy musste ich auch wieder aufladen.
        Den MN gebührt aber natürlich ebenso entsprechendes Lob; haben sie den Reisebericht doch erst in die richtige Rahmenhandlung gesteckt und entsprechend bebildert 🙂 Gerne immer wieder, wenn sich entsprechendes Potential auftut 🙂

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