Brauchtumspflege? Wahlanfechtung jetzt gleich im Doppelpack!

Am meisten wird sich wohl unser Karikaturist über die Botschaft ärgern. Nur noch ein paar Pinselstriche von der Fertigstellung des neuen „letzten Abendmahls“ entfernt, könnte die gelungene grafische Komposition noch vor ihrer ersten Inbetriebnahme schon im Papierkorb landen. Die Stadtverwaltung informierte per Pressemitteilung, dass sowohl die Wahlen zum Quesitzer Ortschaftsrat als auch zum Markranstädter Stadtrat angefochten wurden. Damit sind die konstituierenden Sitzungen beider Gremien erstmal bis auf weiteres ausgesetzt.

Nicht nur in Markranstädt, wo solche Verfahren historisch bedingt fast schon zum guten Ton einer Wahl gehören, sieht man dem Treiben mit gewisser Gelassenheit entgegen. Auch im Landratsamt sorgen die Anfechtungen kaum für Aufsehen.

Bei Sprecherin Brigitte Laux kommt es nicht mal zu einer Schwankung ihrer stets sympathischen Stimme, als sie gelöst darauf hinweist, dass eine Anfechtung nicht außergewöhnlich sei, auch anderswo öfter mal vorkommt und es sich eben um ein demokratisch legitimes Mittel handele.

Genau so ist es. Allerdings ist „anderswo“ eben nicht Markranstädt, wo der Begriff „Wahlanfechtungsklage“ dann doch einen gewissen Unterhaltungswert verspricht, der zumindest das drohende Sommerloch an den Stammtischen stopfen könnte. Da würde man schon gern mehr wissen, als die Pressemitteilung der Stadt verrät.

In ihr heißt es: „Das Landratsamt Landkreis Leipzig informierte die Stadt Markranstädt am 25. Juni 2019 über den fristgerechten Eingang von Wahlanfechtungen gegen die Ortschaftsratswahl in Quesitz und die Stadtratswahl Markranstädt vom 26. Mai 2019. Infolge dessen können sich die beiden neu gewählten Gremien nicht konstituierenden. Das heißt, dass der bisherige Ortschaftsrat Quesitz und Stadtrat die Geschäfte vorerst weiterführen. Die Prüffrist des Landratsamtes von einem Monat begann am 24. Juni 2019.“

Während man in Quesitz, wo das Diagramm des Wahlergebnisses nur mit einem schwarzen Kreis darstellbar ist, nicht zum erstem Mal vor einer solchen Situation steht, dürfte die Botschaft vor allem bei den nicht wiedergewählten Stadträten für betretene Gesichter sorgen. Nachsitzen in der vierten Etage – und das ausgerechnet im Sommer und bei den Temperaturen. Kommunalpolitische Höchststrafe sozusagen.

d’Hondt die Zweite

Für Quesitz bestätigte das Landratsamt inzwischen, dass sich die Anfechtung gegen das Auszählverfahren nach d’Hondt richte. Da könnte man glatt der Vermutung unterliegen, dass die Richtung des Einspruchs die selbe sein dürfte wie bei der letzten Wahl, als der gleiche Grund den alten Ortschaftsrat schon einmal zwang, die Geschäfte noch monatelang fortzuführen.

Nun noch die andere Backe?

Dabei möchte man in dieser Ecke des Rings gar nicht so viel christliche Religion vermuten, dass man nach dem Schlag auf die eine Backe nun unbedingt noch mal die andere Seite hinhalten muss. Aber Politik ist kein Fußball und deshalb kann Spielverzögerung auch nicht abgepfiffen werden. Und doch könnte es in diesem Falle auch ganz schnell gehen, die Sache vom Tisch zu wischen. Die Entscheidung und das Urteil dazu bräuchte die Rechtsaufsichtsbehörde eigentlich nur zu kopieren und müsste dabei nicht mal die Namen ändern.

Anders scheint die Lage bei den Stadtratswahlen zu sein. Hier teilt Landkreis-Sprecherin Brigitte Laux mit: „Der Einspruch zur Markranstädter Wahl wendet sich gegen die vermeintlich unrichtige Auszählung der Stimmen.“ Die gabs ja tatsächlich, wurde inzwischen aber schon korrigiert.

Gehts hier jetzt nur um ein paar Stimmen und damit ums Prinzip oder fühlt sich da gar jemand um seinen Sitz betrogen, den er in den Tagen nach der Wahl virtuell schon mal warmgesssen hat und jetzt doch auf der Auswechselbank Platz nehmen muss? Insider sehen jedenfalls auch in dieser Variante der Wahlanfechtung eher ein lustiges Hin- und Hergeschiebe des Balls, bis der Schiri irgendwann mal auf Spielverzögerung entscheidet.

Das Abendmahl bleibt!

Wir haben uns schon entschieden und lassen das neue „letzte Abendmahl“ jetzt so, wie es sich die Markranstädter erwählt haben. Bis eine Entscheidung der Rechtsaufsichtsbehörde getroffen wird, kann sowieso noch viel Wasser den Zschampert runter fließen.

Der Landkreis teilt dazu mit: „Grundsätzlich beginnt die Frist zur Wahlprüfung durch die Rechtsaufsichtsbehörde nach der öffentlichen Bekanntmachung und beträgt 1 Monat. Im Falle der Wahlanfechtung beginnt die Wahlprüfungsfrist jedoch erst am Tag nach der Entscheidung der Rechtsaufsichtsbehörde über den letzten Einspruch.“

 

1 Kommentar

    • der Wahlbeobachter auf 1. Juli 2019 bei 14:11
    • Antworten

    Hmm, wie schon mal erwähnt war dies ja zu erwarten.
    Denn einerseits kann nicht sein was nicht sein darf (AfD im Stadtrat) und andererseits wird bei einem Demokratischen Rechtsempfinden im Ortschaftsrat Quesitz alles Demokratische auf den Kopf gestellt. Warum?
    Nun der Wähler wählte hier keine Partei sondern eben Ortschaftsräte also Personen, und kann daher nicht verstehen wie eine Person 174 Stimmen bekommt also knapp dreimal mehr wie der letzte mit 64 Stimmen.
    Und so wundert es natürlich nicht wenn immer mehr zur Wahlmüdigkeit neigen da ja Ihre Demokratischen Wahlbemühungen nicht anerkannt werden, und dies dürfte mit Sicherheit auch kein Markranstädter Alleinstellungsmerkmal sein.
    Und den MN sei Dank werden wir ja immer wieder auf den neusten Stand gebracht.

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