Chefin des Markranstädter Heimatmuseums soll gelistet werden

Die vorübergehende Räumung des Heimatmuseums ist noch in vollem Gange, da schreibt die Einrichtung selbst schon wieder neue Geschichte. Erst kam die Nachricht vom zeitweisen Umzug, dann sind Exponate aufgetaucht, mit denen sogar eine Familienchronik vervollständigt werden konnte  und jetzt wird eine Teilausstellung im Bürgerrathaus aufgebaut. Mittendrin im Gewusel: Museums-Chefin Hanna Kämmer. Aber während sie die Exponate sorgfältig in Listen erfasst, ist sie jetzt selbst für eine solche nominiert worden. Die CDU hat die unermüdlich engagierte Stadthistorikerin für die Verleihung der Markranstädter Ehrenbürgerwürde vorgeschlagen. Was woanders ein Selbstläufer wäre, ist in Markranstädt allerdings traditionell ein Abenteuer. Ausgang ungewiss.

Zu den Exponaten des Museums zählt auch der Tambourstab des Markranstädter Spielmannszuges.

Wer da aber glaubt, dass Hanna Kämmer damit hochfrequent im Takt rumfuchtelt, um die Umzugshelfer anzutreiben, ist auf dem Holzweg.

Sie packt genauso mit an wie Andrea Reichenbach und Michael Polz, die wahrscheinlich nicht mal beide zusammen auf die 85 Lebensjahre der Stadthistorikerin kommen. Wenn es noch eines Impulses für einen Vorschlag zu höheren Weihen bedurfte, dann war es wohl diese Energieleistung der stadtgeschichtlichen First Lady.

Andrea Reichenbach bestückt eine Vitrine im Bürgerrathaus. Hier werden Exponate aus der Zeit der Braunkohleförderung gezeigt.

Andrea Reichenbach bestückt eine Vitrine im Bürgerrathaus. Hier werden Exponate aus der Zeit der Braunkohleförderung gezeigt.

So hat der CDU-Stadtverband das Thema auf seine Agenda 2021 gesetzt und der Bürgermeisterin den Antrag auf Verleihung der Ehrenbürgerschaft an Hanna Kämmer zugestellt. Nur zur Erklärung: Nadine Stitterich kann das freilich nicht alleine entscheiden. Sie muss den Antrag nur auf die Tagesordnung heben und so dem Stadtrat unterjubeln. Reine Formsache also.

In der Begründung hat die CDU alles aufgefahren, was Hanna Kämmers Wirken auszeichnet. Das ist eine beeindruckende Menge, weshalb man auch zum Schluss gelangt: „Wir dürfen dankbar über sie und ihr Engagement sein. Es ist beispielgebend und kann gar nicht genug wertgeschätzt werden.“

Hanna Kämmer wäre nach Rudi Glöckner (1977) und Günther Kluge (2000) erst die dritte Markranstädter Person in den letzten 70 Jahren, der diese höchste Auszeichnung der Stadt zuteil würde. Nicht nur deshalb dürfte eine Entscheidung darüber mit Spannung verfolgt werden. In Sachen Ehrenbürgerschaft ist Markranstädt traditionell ziemlich hartleibig.

Hanna Kämmer könnte den Umzug in Ruhe mit dem Taktstock überwachen, packt statt dessen mit an.

Hanna Kämmer könnte den Umzug in Ruhe mit dem Taktstock überwachen, packt statt dessen mit an.

Unvergessen jene legendäre Stadtratssitzung in den 90-er Jahren im Ast, als Adolf Hitler aus der Ehrenbürgerliste ausgeschwitzt werden sollte und ein Abgeordneter bei der Reihenfolge des Handhebens durcheinander kam. Mangels satirischer Zentralorgane vor Ort konnte sich sowas damals noch zum ernsten Politikum mit überregionaler Strahlkraft entwickeln.

Auch dass Hitlers Steigbügelhalter, der auf die gleiche Weise zu diesen Ehren kam und ebenfalls nie in Markranstädt war, nach wie vor in dieser Auflistung als unantastbar gilt, ist nicht gerade ein leuchtendes Beispiel für Geschichtsbewusstsein. Und nicht zuletzt ist da noch das ganz frisch in der Erinnerung präsente Ansinnen, die größte Gönnerin der Stadt mit der Ehrenbürgerwürde auszuzeichnen.

Geboren und aufgewachsen in Markranstädt und danach das kulturelle Leben der Stadt quasi im Alleingang gefördert, reichte selbst das nicht, um Ilse Pfannenberg das ihr zustehende Denkmal zu setzen.

Da kann man nur hoffen, dass uns jetzt nicht noch eine weitere Peinlichkeit bevorsteht und irgendwer eine juristische Interpretation findet, warum auch Hanna Kämmer bestenfalls mit der Ehrenamtskarte des Landkreises ein Jahr kostenlos Bus fahren darf. Die einzige Frau unter 16 Ehrenbürgern, auch das wäre mal ein Zeichen. Verdient hätte sie es.

Ungeachtet dessen ziehen Hanna Kämmer und ihr Helferteam weiter um und stoßen dabei immer wieder auf höchst interessante Exponate. So beispielsweise auf den Gesellschaftervertrag der ehemaligen Zuckerfabrik, auf originelle historische Werkzeuge oder auf brisante Dokumente.

Einige davon sind Michael Polz in die Arme gefallen. Anders als im mehrfach porentief gereinigten Stadtarchiv fand er hier Akten, die der Bürgermeister jener Zeit mit der standesgemäßen Grußformel „Heil Hitler“ unterzeichnet hat. Sowas hatten selbst die Russen nach sieben Jahren intensiver Suche seit 1945 nicht gefunden.

Michael Polz mit dem Bergmannshut, der einst das Haupt von Heike Helbigs Großonkel zierte.

Michael Polz mit dem Bergmannshut, der einst das Haupt von Heike Helbigs Großonkel zierte.

Auch der Bergmannshut, den Rathaussprecherin Heike Helbig in einer vergilbten Schachtel mit ihrem Mädchennamen fand, konnte inzwischen historisch zugeordnet werden.  „Der Hut gehörte Herbert Pohler, dem Bruder von meinem Opa Rolf“, hat sie erfahren. „Er hat jahrelang im Markranstädter Spielmannszug gespielt.“ Der Hut war also wohl nie unter Tage, hat aber trotzdem eine besondere Markranstädter Geschichte.

 

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