Das sind Markranstädts wahre Krisenmanager!

Das macht Hoffnung! Während in Medien und sozialen Netzwerken vorwiegend immer neue Hiobsbotschaften, Verschwörungstheorien und Endzeit-Szenarien kursieren, machen diese sympatischen Jugendlichen des Markranstädter Gymnasiums (Foto – von einem Klassenausflug im vergangenen Sommer) statt dessen Nägel mit Köpfen! Gemeinsam mit dem Mehrgenerationenhaus haben sie einen Lieferdienst organisiert und wollen älteren sowie von Corona-Infektion gefährdeten Menschen Erledigungen, insbesondere Einkäufe, abnehmen.

Das sind die wahren Botschaften und Taten, die wir in diesen Zeiten brauchen! Und es sind die Vorbilder, die unsere Gesellschaft jetzt so dringend nötig hat. Eine junge Lieferanten-Clique hat sich aufgemacht, den durch die Pandemie am meisten gefährdeten Menschen zu helfen.

Junge Menschen mit Solidarität im Herzen und Verstand im Hirn – es gibt sie also doch. Sowohl die Idee als auch die Initialzündung geht zurück auf Henning Hesselbarth aus Frankenheim (Titelfoto 2.v.r.). Der 18-jährige Gymnasiast hat ohnehin gerade freie Spitzen. Kein Unterricht und ob oder wann die Abi-Prüfungen stattfinden, steht derzeit auch in den Sternen.

Er habe das Gefühl gehabt, dass „es hier brennt“ und er dabei nicht tatenlos zusehen könne. Auf der Suche nach Möglichkeiten zu aktiver Hilfe wurde er auf einen Aufruf der Einzelhandelsketten aufmerksam, die um Unterstützung bei der Auslieferung von Waren baten.

„Da bin ich nach Rückmarsdorf gefahren und habe dort die Märkte abgeklappert. Aber irgendwie hatte ich nicht den Eindruck, dass die Hilfe brauchen.“ Mehr oder weniger abgewimmelt habe man ihn.

Wie ein Netzwerk entsteht…

Doch Henning Hesselbarth gab nicht auf, überlegte statt dessen, was er tun könne. „Haustüren abklappern und Hilfe anbieten wäre zu aufwändig. Darauf zu hoffen, dass ältere Leute über einschlägige Internet-Portale oder gar Handy-Apps Hilfe anfordern, habe ich auch nicht für sinnvoll gehalten“, erzählt der Gymnasiast.

Ebnete den Weg zum MGH: Erste Beigeordnete Beate Lehmann.

So wandte er sich an die Erste Beigeordnete im Rathaus. „Frau Lehmann war sofort begeistert und lud mich noch für den gleichen Abend zu einem Treffen im MGH ein“, erzählt er. Dort wurden gestern Nägel mit Köpfen gemacht.

Unter der Federführung des Mehrgenerationenhauses Markranstädt und in Zusammenarbeit mit den Schülerinnen und Schülern des Abiturjahrgangs 2020 vom Gymnasium Markranstädt und der Stadtverwaltung soll ab kommender Woche die Hilfsaktion „Markranstädter helfen Markranstädtern“ gestartet werden.

Die Jugendlichen wollen dabei Erledigungen (insbesondere Einkäufe), für ältere Mitbürger tätigen, die aufgrund der Gefahrensituation durch den Corona-Virus zu Hause bleiben sollen. „Koordiniert werden soll die Aktion über das MGH“, bestätigt Mitarbeiter Michael Unverricht.

Von Dienstag bis Donnerstag können sich Hilfesuchende aus Markranstädt zwischen 9 und 13 Uhr telefonisch unter (03 42 05) 44 99 42 im MGH melden. „Wir nehmen die Anrufe entgegen“, erklärt Unverricht. „Die Jugendlichen werden dann von uns für einen Einsatz koordiniert.“. Wenn klar sei, wer die Aufgabe übernimmt, werden die Senioren darüber informiert. So wollen die Organisatoren einem möglichen Missbrauch entgegenwirken.

Schülerrat Henning Hesselbarth freut sich, dass seine Freunde und er helfen können. Per WhatsApp hat der Abiturient seine Klassenkameraden sowie den gesamten Freundeskreis informiert und zum Mitmachen aufgefordert. Schon nach wenigen Minuten seien die ersten Zusagen eingetroffen. „Ich würde mich freuen, wenn wir so um die 50 Leute zusammen kriegen“, hofft er.

An diesem „Helferbutton“ soll das Team um Hesselbarth bald zu erkennen sein. Im Moment gibt es allerdings wichtigere Dinge als die Ausrüstung mit Buttons.

Auch dabei wollen ihn das MGH und die Stadt unterstützen. „Weitere Helfer können sich gern in der gleichen Zeit unter der gleichen Rufnummer melden“, teilt Beate Lehmann mit. Vor allem Helfer mit PKW würden noch dringend benötigt, um das Hilfsangebot auch für Einwohner der Markranstädter Ortschaften realisieren zu können.

Angebot muss bekannt werden!

Inzwischen hat die langsam anwachsende „Lieferanten-Clique“ (MN-interner Arbeitstitel) schon weitere Aufgabenfelder ausgemacht. „Wir haben mitbekommen, dass auch die Pflegedienste langsam an Grenzen kommen. Weil gefährdete Personen nicht mehr arbeiten dürfen, können wir vielleicht auch da aushelfen. Beispielsweise Essen ausliefern.“

Aber zunächst komme es darauf an, die Hilfsaktion grundsätzlich erst einmal anlaufen zu lassen. Dazu bedarf es nicht nur Helfer, sondern auch Hilfesuchender. „Wichtig ist, dass das Angebot bekannt wird und die Menschen wissen, wohin sie sich wenden können“, so Micha Unverricht gegenüber den Markranstädter Nachtschichten.

Er hat inzwischen sein MGH-Netzwerk ausgeworfen und kann auch da bereits auf gute Nachrichten verweisen. „Rewe-Chefin Sabine Ratz hat sofort zugesagt und uns einen ganzen Schwung Einkaufsbeutel zur Verfügung gestellt“, informiert Unverricht. Jetzt wolle man schauen, wie man gemeinsam die Realisierung von Bestellungen und Lieferungen unkompliziert organisieren könne.

Koordiniert mit Hesselbarth die Einsätze: Michael Unverricht vom MGH.

Darüber hinaus liegt noch jede Menge Arbeit vor der Helfergruppe und dem MGH-Team. Hygiene-Belehrungen, Verhaltensregeln, Ausrüstung mit Desinfektions- und Schutzmitteln – das alles muss auf die Reihe gebracht werden, bevor es am Dienstag losgeht.

Es gibt schon „Heinzelmännchen“

Zusätzliche Hilfe bekommt die Lieferanten-Clique jetzt auch unerwartet von einer ganz anderen Seite. Jürgen Benz, Mitglied des Heimatvereins Frankenheim/Lindennaundorf, hatte sich in der Zwischenzeit ganz privat und abseits jeglicher öffentlicher Aufmerksamkeit als Helfer betätigt.

Durch die Absage des Mühlenfestes habe er „ohnehin Luft“. Obwohl er als Vertreter der Altersgruppe Ü 60 selbst zum gefährdeten Personenkreis zählt, geht er schon seit einigen Tagen für Nachbarn einkaufen und besorgt Erledigungen.

Jetzt will auch er sich in die organisierte Selbsthilfe des MGH einbinden. „Ich werde gleich am Montag dort anrufen“, sagt Benz. Er hat ein Auto mit Anhänger, kann also den Transport der Bestellungen in die ländlichen Bereiche übernehmen. Sorgen macht er sich nur, was im Falle einer Ausgangssperre wird. Aber auch dafür wird es eine Lösung geben, sind Benz, Hesselbarth und Unverricht überzeugt.

Liebe MN-Leser: Wenn Sie jetzt die Nachtschichten verlassen und wieder in die sozialen Netzwerke hinabgleiten, werden Sie dort viele depressiv stimmende Informationen finden. Dabei werden Sie inflationsartig mit Superlativen wie Versagen, Katastrophe oder Kollaps konfrontiert. Begriffe wie Helden“ oder wenigstens „Vorbilder“ werden Sie dort kaum finden. Aber es gibt sie, diese Helden. Henning Hesselbarth und seine Klassenkameraden oder Männer wie Jürgen Benz sind solche. Vorbilder aus Markranstädt, unsere Helden!

 

5 Kommentare

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  1. Ganz toll. Würde mithelfen aber leider 665km entfernt und schon 70.

    • Bekannt auf 21. März 2020 bei 10:42
    • Antworten

    Von mir alle 10 Daumen nach oben für diese Aktion. 🙂 Wir können uns ruhig noch ein wenig lauter freuen, dass es solche taffen jungen Leute in Markranstädt und Umgebung gibt.

    1. Ist schon in Ordnung so. Hier gibt es traditionell wenig Konversation, sowohl zum Lachen als auch das Ausleben der Depressionen geht der homo marcransis lieber in den Keller. Aber das ist in diesem Falle egal und völlig bedeutungslos. Dafür überschlagen sich seit gestern die sozialen Netzwerke. Der Beitrag trägt den neuen Rekord beim Teilen und nur das ist wichtig. Inzwischen gibt es auch schon jede Menge konkrete Hilfsangebote (siehe u.a. Maskenballerina), die wir weiterleiten.
      Bleib bitte gesund … und alle anderen auch!

    • Maskenballarina auf 21. März 2020 bei 8:22
    • Antworten

    Nicht mit der Absicht Panik zu verbreiten, sondern mit dem ehrlichen Bemühen für die,die in intensiven Gegenüberkontakten als Helfer unterwegs sein wollen, unterbreite ich folgendes Angebot:
    Selbst genähte Mund-Nase-Schutzmasken, so wie sie bereits in Essen von Ehrenamtlichen und einer Behindertenwerkstattgefertigt werden. Dies als Arbeitsanleitung zum Selbernähen für jeden, der das kann, oder auf Wunsch auch ehrenamtlich von mir selbst genäht!
    Die Masken bestehen aus buntem,heiß waschbarem und heiß bügelbarem Baumwollstoff und man kann zwischen Maske und Gesicht noch ein Tempotaschetuch einlegen.
    Leute, legt Eure Eitelkeit ab und begenet euch mit Verantwortungsbewusstsein!

    1. Danke. Wir werden das Angebot a) weiterleiten und b) noch einmal in einem Beitrag aufgreifen, um es bekannt zu machen.

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