Das wahre Problem mit dem Problem (2)

Nachdem im ersten Teil ein von Satire-Anflügen geprägter Blick auf die nationale Situation geworfen wurde, wollen wir nun gemeinsam durch die lokale Lupe auf Markranstädt schauen. Hier gibt es zum Glück noch genügend andere Probleme, neben denen die 35 bisher hier eingetroffenen Asylanten und Aslybewerber zu einem mitteleuropäischen Teint erblassen.

Markranstädt hatte bislang Glück gehabt. Auf 127 Asylbewerber sollte sich die Stadt zunächst vorbereiten, später wurde die Zahl auf 205 erhöht. Ganze 35 sind inzwischen hier eingetroffen und wenn nicht ab und zu mal eine Polizeistreife nach dem Rechten schauen würde, wüsste man gar nicht, wo die wohnen. Kein Problem also in Markranstädt?

Wie man’s nimmt. Es gluckert schon etwas, wenn man mit offenen Augen und Ohren durch die Stadt geht. Aber das hat nichts mit den bislang hier einquartierten Gästen aus Syrien, Afghanistan oder Libyen zu tun. Wenn überhaupt mit ausländischen Besuchern, dann eher mit denen, die sich hier außerhalb von Asylverfahren aufhalten.

Es reicht schon ein Blick in die Versorgungszentren der Stadt oder in diverse Hinterhöfe, um deren Zahl auf gefühlte Hundertschaften zu schätzen. Da wird übrigens nicht nur arabisch kommuniziert. Das geübte Ohr des gelernten Ossis erhascht dabei gar zu oft auch Brocken in einer Sprache, die einst die Russischlehrerin vergeblich in unsere Köpfe zu pflanzen versuchte. Ja schiwu fmarkranstädtje…

Aber sie kommen und gehen und wo man nicht fragt, gibt’s auch keine unangenehmen Antworten. Rotation nennen das die Fußballtrainer. Wenn sowas im Fußball legal ist, dann wohl auch in der Gesellschaft.

Arabische Zahlenspiele

Zurück zu den Asylanten und der Mathematik als grundlegende Naturwissenschaft, die sich übrigens auch in Deutschland seit Jahrhunderten der Schreibweise arabischer Zahlen bedient. Wenn man von 205 avisierten Asylbewerbern 35 abzieht, bleiben nach Adam Riese 170 übrig, die nach den von der Stadt selbst auferlegten Maßstäben dezentral untergebracht werden sollen. Demzufolge müssten Wohnungen für 170 Menschen in der Kernstadt verfügbar sein.

Keine Fragen, Euer Ehren!

Das sind sie offenbar auch, denn zumindest im öffentlichen Teil der letzten Stadtratssitzung gab es keine Fragen dazu. Hoffen wir mal, dass das auch so ist, denn das Prozedere der Zuweisung ist für eine Kommune ziemlich brutal. Die Ankündigung, dass Kapazitäten für 205 Personen vorzuhalten sind, kam seitens des Landkreises rechtzeitig. Somit hat er jetzt das Recht, binnen 24 Stunden die konkrete Zuweisung vornehmen zu können.

Frist: 24 Stunden

Im Klartext: Es kann in diesen Minuten schon ein Anruf im Rathaus erfolgen und morgen stehen zwei Busse mit Asylbewerbern auf dem Marktplatz, die dann unterzubringen sind. Schön, wenn man sich darauf verlassen kann, dass ausreichend Wohnungen zur Verfügung stehen.

Der Begriff „Wohnung“ ist dabei übrigens klar definiert. Da kommt keine Mansardenbehausung mit Klo auf halber Treppe und Löchern im Fußboden in Frage. Die Wohnungen müssen in gutem Zustand sein, was sich der Landkreis als Mieter auch ordentlich was kosten lässt. Allerdings könnte gerade der offerierte Mietzins in absehbarer Zeit für Ärger in der Markranstädter Bürgerschaft sorgen.

Gegenwärtig liegt der Mietspiegel-Quadratmeterpreis für eine Wohnung bis 40 Quadratmeter laut immowelt.de bei 5,97 Euro, wohnungsbörse.net sieht ihn bei 6,01 Euro. Die öffentliche Hand zahlt in Markranstädt mit 6,16 Euro nach Quartieren in Markkleeberg nicht nur den zweithöchsten Preis im gesamten Landkreis, sondern dürfte damit auch zu einer langfristigen Steigerung des Mietspiegels beitragen. Das wiederum könnte in umgekehrt proportionalen Maße den sozialen Frieden in der Stadt belasten.

„Das da du zahlen, verstehen?“

Ähnlich gestaltet sich das Preisgefüge auch bei anderen Wohnungsgrößen. So gibt es für ein 60 qm-Quartier bis zu 343,80 Euro, bei 60 bis 75 qm werden bis zu 430 Euro gezahlt und am meisten an den Asylbewerbern verdienen kann, wer eine Wohnung in der Größe von 105 Quadratmetern zu bieten hat: Hier blättert der Steuerzahler bis zu 670,25 Euro monatlich hin. Kalt, versteht sich. Wenn sich diese Beträge im Mietspiegel niedergeschlagen haben, könnte es passieren, dass dann auch Integrationsmaßnahmen für Markranstädter Ureinwohner notwendig werden. „Das hier Mietspiegel und das da du zahlen, verstehen?“

test

Der STERN fragt: Sind Sie in Deutschland integrationsfähig? Versuchen Sie’s mal und lesen Sie am Ende Ihr Urteil bis zum letzten Satz!

Apropos Integrationsmaßnahmen. Im ersten Teil fragten die Markranstädter Nachtschichten, was denn so für die Ureinwohner hier getan werde, damit nicht nur die Flüchtlinge sie, sondern sie auch die Flüchtlinge verstehen? Nun, da die öffentliche Hand gegenwärtig mit dem Zählen der Scheine für die Mieten beschäftigt ist, haben das zumindest in Markranstädt andere übernommen. Pfarrer Zemmrich und die hiesige Kirchengemeinde. Ein Glücksfall für unsere Stadt, den man nicht hoch genug bewerten kann.

Die Kirche bleibt im Dorf, die Gemeinde mit den Füßen auf dem Boden

Deren Angebote zeugen nicht nur davon, die Signale der Zeit verstanden zu haben. Vielmehr noch: Die meist im Weißbachhaus durchgeführten Gesprächsrunden und Informationsveranstaltungen waren auch personell so gut besetzt, dass sich die Talkshows im Fernsehen ein Beispiel daran nehmen können. Ja, das christliche Abendland, es existiert noch und wahrscheinlich mehr denn je. Zumindest im Vergleich zur politischen Legislative und Exekutive zwischen Ost- und Bodensee.

Namen machen nicht satt

Und ganz sicher würde hier auch niemand auf den hirnverbrannten Gedanken kommen, Flüchtlingen etwas Gutes angedeihen zu lassen, indem man St. Laurentius in Refugees-welcome-Kirche umbenennt.

Dass der Weg der Ankündigung solcher Veranstaltungen in die Öffentlichkeit Grenzen für die Markranstädter Gemeinde aufzeigt, ist verständlich und wäre sicher nicht so schlimm, wenn man dabei auf die Unterstützung einschlägiger Stabsstellen in unmittelbarer Nachbarschaft bauen könnte. Dort aber scheint die Tinte etwas zäher aus der Feder fließen zu wollen, wenn es um Flüchtlingsfragen geht.

Mal sehen, wie es bei der Ankündigung des Themenabends am 27. Nobember um 19:30 zum Thema: „Asylrecht – Grundsätzliches und aktuelle Entwicklung“ aussieht. Vielleicht ist ja noch irgendwo etwas Platz für eine entsprechende Mitteilung, zumal das Angebot eigener Veranstaltungen zu diesem Thema genügend freie Kapazitäten bieten sollte. Integration der Öffentlichkeitsarbeit unter Nachbarn, das müsste doch unter dem Dach der ausgerufenen „Wir schaffen das!“-Kultur möglich sein.

Angebote im Weißbachhaus

Der Themenabend im Weißbachhaus zum Thema: „Jenseits von Individualismus und europäischem Staatsverständnis-Einblicke in traditionelle Stammeskulturen“, war im Konvolut der städtischen Pressemitteilungen jedenfalls nicht zu finden. Auch die Quote städtischer Verwaltungsmitarbeiter unter den etwa 30 Teilnehmern der Veranstaltung war, um es höflich auszudrücken, sehr überschaubar. Die MN-Spionin entdeckte gar nur eine Stadträtin unter den informationsbedürftigen Gästen.

Schön, dass der Rest Markranstädts schon so weit ist, dass er solche Informationen nicht mehr braucht. Oder ist es nur das Ur-Vertrauen, dass die eigenen Kompetenzen im Bedarfsfall genauso ausreichen werden, wie die verfügbaren Wohnungen? Wir werden sehen und wollen mal darauf vertrauen, dass man nicht auch mit dem Vertrauen des Bürgertums spielt, welches das „Refugees welcome“ schlussendlich auch bezahlt.

 

1 Kommentar

    • dertho auf 14. November 2015 bei 19:00
    • Antworten

    In der Flüchtlingsfrage hätte unsere Regierung mit“offenen Karten“spielen sollen.Von anfang an offen sagen,dass es nicht klar ist, wieviele kommen.Daraufhin wäre eine vernünftige Einbindung der Bevölkerung sinnvoll gewesen.Sagen dass man die Hilfe er Bevölkerung braucht und wie man gemeinsam helfen kann.Ich bin der Meinung ,dass es viel mehr Menschen gegeben hätte ,die sich eingebracht hätten und dieses Chaos ,welches momentan in unserem Land herrscht bzgl der Flüchtlingsfrage,wäre nicht so krass.
    Hoffen wir ,dass die Zukunft besser wird als es momentan den Anschein hat,die Menschen sich besinnen,sich alle politischen Organisationen ,Bewegungen von ihren extremen Rändern befreien und vernünftig miteinander umgehen,reden und nach Lösungen suchen und am besten auch finden,und nicht einfach über unsere Köpfe entscheiden.vielleicht ist das alles ein bisschen naiv gedacht ,aber ich möchte die Hoffnung nach einer guten Zukunft für uns alle nicht aufgeben .
    Auf das alles gut wird,wünsche ich ein schönes Wochenende.

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