Wollte man den regierungstreuen Medien Glauben schenken, bestand die größte Sorge der Gesellschaft darin, dass sich am Montag ein Landwirt mit rechter Gesinnung unter die Demonstranten mischen könnte. Der eigentliche Grund für die Bauernproteste wurde vor diesem Hintergrund kaum noch anständig ignoriert. Dabei waren es längst nicht nur Landwirte. In Markranstädt beteiligte sich gefühlt alles daran, was man nach gängiger Lehrmeinung noch zum unternehmerischen Mittelstand zählt, obwohl oder gerade weil dieser längst selbst unten angekommen ist.
Schon um 6 Uhr nahmen die Autokorsos in den Gewerbegebieten Großlehna und Ranstädter Mark Aufstellung für den großen Umzug. Die Stimmung vor Ort fühlte sich beinahe so an wie jene damals im Herbst 1989.
Über einhundert Fahrzeuge mögen es zu diesem Zeitpunkt schon gewesen sein, die an den Gestellungsorten bei eisigen Temperaturen unangemeldet und deshalb rein zufällig zusammentrafen. Lkw, Transporter, Pkw und Traktoren; geführt von Handwerkern, Landwirten, Dienstleistern, Unternehmern und ihren Angestellten, deren Systemrelevanz weit hinter denen von Banken, Presse oder Vermögensberatern angesiedelt ist.
Die bisher tadellos funktionierenden Versuche zuverlässiger Linienmedien, solche Proteste in bewährter Manier als antidemokratische Sabotageakte potenzieller Nazis (wohlgemerkt: nicht Nazi*-Innen) im Keime zu ersticken, sind diesmal kläglich gescheitert.
Zufälliges Treffen
Und so schlossen sich am Montag auch in Markranstädt im Verlaufe der Aktion immer mehr Protestierende dem Korso an. Am Ende mögen es ein paar hundert Fahrzeuge gewesen sein, die in beiden Richtungen in Schritttempo, mit eingeschalteter Warnblinkanlage und rot-weißen Bändchen am Rückspiegel hupend durch die Stadt defilierten.
Zwischenzeitlich konnte sich die Katze dabei sogar in den Schwanz beißen. Gegen 7 Uhr hatte das Führungsfahrzeug auf der Route von der Siemensstraße über die Leipziger und Zwenkauer Straße zurück ins Gewerbegebiet schon Sichtkontakt zum Besenwagen des Pelotons.
Zorn hat viele Väter
Die von den Teilnehmern angeführten Gründe für den angestauten Zorn sind vielfältig. Hauptsächlich richteten sich die Kritiken gegen die Steuerpolitik der Bundesregierung und die Bürokratie. Die vielbesungene Spaltung unserer Gesellschaft werde von denen vorangetrieben, die sie gebetsmühlenartig beklagen, war unter anderem zu hören.
Bestimmte Berufsgruppen auf der einen Seite erhalten vierstellige Corona-Zahlungen und Inflationsausgleiche, während das Geld dafür ohne zu bitten und zu danken einfach denen weggenommen wird, die keinen Anspruch auf solche Unterstützung haben.
„Wir reden nicht von den reichen, global agierenden Großunternehmen, die sowieso keine Abgaben leisten.“ Die Milliardäre bekämen schließlich von Mitarbeitern der Finanzbehörden sogar noch Tipps, wie sie Steuern vermeiden können, klagte einer der Markranstädter Protestanten am Montag.
Sein Unternehmen sei im vergangenen Jahr gleich mehreren Tiefenprüfungen verschiedener Behörden unterzogen worden. Von dem, was sie im undurchdringlichen Dschungel der Paragrafen und Vorschriften fanden, habe er als Handwerker nichts wissen können und selbst sein Steuerberater sei überrascht gewesen. Trotzdem ist Letzterer fein raus, weil der Unternehmer allein für die Ausweisung der Abgaben verantwortlich ist.
Selbstredend sei der Handwerker sofort bereit gewesen, die vierstellige Nachzahlung zu leisten, sagt er. „Aber das reichte denen nicht. Ich wurde ob meiner Unkenntnis der Wege im bürokratischen Irrgarten auch noch kriminalisiert und mit rückwirkenden Strafzinsen belegt, von deren Höhe selbst Banken nur träumen können“, schimpfte er unter dem Einfluss von 280 Blutdruck.
Der kleine Steuerzahler als latent-potenzieller Straftäter, der deshalb von den gesellschaftlichen Bewährungshelfern prophylaktisch bis auf den Grund seiner Hosentaschen abgeklopft werden muss – das klingt in der Tat ziemlich bigott. Wieviel ehrlicher wäre es doch, solche Missetäter gleich einzusperren?
Klar, dass es auch eine zweite Seite der Medaille gibt. Unverständnis herrschte am Montag vor allem bei jenen Menschen, denen durch verstopfte Straßen der Weg zur Arbeit verwehrt blieb. „Ist ja nichts anderes als das, was die Klimakleber machen“, schimpfte ein zur Umkehr gezwungener Arbeitnehmer unter Missachtung der physikalischen Eigenschaften des Sekundenklebers. Der pappt bei minus 8 Grad bekanntlich nicht auf dem Asphalt – also freie Fahrt für freie Bürger.
Aber trotz der Kritik an der Art des Protestes: Ein Grundverständnis für den Unmut der Demonstranten war in der Bevölkerung vorhanden. „Wir sitzen doch mit im Boot“, sagte ein Fußgänger auf der Leipziger Straße beim Anblick des Demo-Korsos. „Die höheren Kosten und Steuern müssen die doch letztendlich auf uns Kunden umlegen und wir wissen schließlich auch nicht mehr, wo wir’s hernehmen sollen“, kritisierte der Senior und zeigte seine vor wenigen Tagen zugegangene Nebenkostenabrechnung vor, die ein Soll von 1.600 Euro auswies. „Das ist wahrscheinlich mehr, als so manches Dax-Unternehmen im letzten Jahr an Steuern gezahlt hat“, schloss er seine Auskunft zynisch lachend.
Womit sich auch für die Mittelständler der Kreis zu den eigentlich als Bauernproteste angelegten Demonstrationen schloss. „Während die fetten Rinder sogar noch staatliche Beratung erhalten, um immer mehr Futter horten zu können, werden die kleinen Kühe, die sich noch zur Melkanlage führen lassen, sukzessive geschlachtet“, meinte ein renommierter Lallendorfer Sanitärer.
MN-Tagestipp: Es ist mit Sicherheit nicht leicht, im Dschungel der Berichte belastbare Informationen zu erlangen, die der eigenen Standortorientierung dienlich sind. Deshalb bietet die VHS am Dienstagabend im Mehrgenerationenhaus eine Spannung verheißende Diskussionsrunde mit Experten an (siehe auch Hinweis in der linken Veranstaltungsspalte). Der Eintritt ist frei, aber das Kommen garantiert nicht umsonst.
8 Kommentare
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Hier ward ihr wieder vollumfänglich dabei und habt toll beobachtet. Es war ein ergreifender Tag und eine ergreifende Aktion. Wie wichtig ist die Solidarität mit den Landwirten. Toll, dass die mittelständigen anderen Firmen mitgemacht haben. Wir wollen weiterhin Fleisch, Gemüse, Obst, Eier, Milch, Kartoffeln aus unserer Region kaufen und so gern im Hofladen in unserer Umgebung holen. Leider kann ich keinen Traktor fahren, hoffentlich wendet sich das Blatt positiv für unsere Landwirte.
Das gilt nicht als Ausrede. Viele Landwirte können nicht Traktor fahren und tuns trotzdem.
Und die Demonstranten haben natürlich schön artig die Absperrbändchen an ihre Autos gefädelt, damit sie später vom Verfassungsschutz auf den Videos auch ordentlich identifiziert werden können. Ich wette meinen Allerwertesten, dass der Briefträger in den kommenden Wochen allerhand zu tun hat in Markranstädt.
Haben Sie gedacht, die lassen sich das wieder mit Kerzen wegnehmen? Nur weils diesmal Zündkerzen sind?
MN-Einsatz ohne Schlafrücksicht = Aktivist der frühen Stunde! Wenn friedliche Revolutionen Schule machen – dann Aufgepasst Ihr Adressaten der heutigen Demo! Jedoch: Der Kern liegt im 60T€ teurem erschlichenem „Klimafond“ für spätere Reserven. Welcher von Sorgfaltspflichtverletzern gewollt- nun vom Steuerzahler als Zeche dafür genommen werden soll. Nur nicht von allen Bürgern- nein: Vereinzelungsschröpfung (hier mal die Bauern) ist die Taktik. Wir Anderen sollen dennoch alle den Bundesfehlbetrag zahlen. Doch „Zitat:“ Ein Streichholz allein kann man knicken, die Streichhölzer einer ganzen Schachtel zusammen aber nicht“. Die Streichholzschachtel war heute unterwegs! Und wird immer unhandlicher…
60T€???? Eine Milliardentaste haben Sie wohl nicht auf Ihrem PC oder Handy? So kommen die Zahlen zustande,, mit denen sich die Ampel unsere Schulden als Sondervermögen schönrechnet. 🙂 🙂 🙂
Gut und blitzschnell recherchiert und auf den Punkt gebracht!
Dito für Ihren blitzschnellen Kommentar, der es nicht minder kurz auf den Punkt gebracht hat. Zwei Nachtschichtler mussten dafür 5:15 Uhr aufstehen!!! Aber die konnten eh nicht schlafen. Zu der Zeit haben andere Leute in ihrer Nachbarschaft gerade damit aufgehört, bei minus 8 Grad am offenen Fenster nach Hause zu telefonieren. (Wem die Nebenkosten aufgedrückt wurden, erfahren Sie im Artikel).