Der Osterspaziergang

Vom Eise befreit sind Strom und Bäche … Kennen wir noch aus der Schule, gelle? Goethes Osterspaziergang ist sowas wie ein postmodernes Evangelium für Freunde gehobener Literatur. Wir wollten am Ostersonntag mal schauen, was davon noch übrig geblieben ist. Von wegen: „Das Corona-Virus in seiner Schwäche, zog sich in rauhe Berge zurück“.

„Am Kulki grünet Hoffnungsglück“ – das war schon von weitem zu sehen. Und aus dem hohlen finstern Tor, drang ein buntes Gewimmel hervor. Bei so viel Gegenverkehr und hektischen Überholern war der geforderte Mindestabstand kaum einzuhalten.

Der Fühling ist da! Mal ordentlich blasen lassen.

Aber so bunt war das Gewimmel gar nicht. Bei herrlichstem Sonnenschein flogen die bunten Klamotten oft ins Gras und man präsentierte der Sonne ganz fleischliche Motive – hier und da nur vom Träger eines BH unterbrochen oder von einem Assi-Sticker entstellt, der den einst prachtvollen Oberschenkel zur Litfaßsäule für irgendeinen Verflossenen degradiert. Jeder sonnt sich heute so gern, sie feiern die Auferstehung des Herrn. Laut Tattoo heißt er Kevin.

Ein versteckter Ostergruß am Ufer.

Da plötzlich kommt uns der nächste Mensch gewordene Vers des Osterspaziergangs entgegen. „Aus des Rathaus‘ ehrwürdiger Nacht sind sie alle ans Licht gebracht.“ Die Erste Beigeordnete höchstpersönlich geht mit Ordnungsamts-Chef Pierre Jäkel auf Streife an der Uferpromenade. Freiwillig, wie beide betonen.

 

Weil man auch an Feiertagen Präsenz zeigen will, sagt Beate Lehmann. Auch weil man in der kontaktarmen Gegenwart ohne Abendtermine jetzt durchaus offene Zeitfenster habe, um sich mit den Kollegen vom Ordnungsamt solidarisch zu zeigen.

Andere kommunale Würdenträger hätten sich ebenfalls auf dem Einsatzplan eingetragen, war zu erfahren.

… doch an Blumen fehlts im Revier, sie verteilt bunte Masken dafür.

Allerdings scheint dieser österliche Gedanke noch nicht überall in den weltlichen Amtsstuben angekommen zu sein. Schichtwechsel um Schichtwechsel harrten die Satiriker der Auferstehung des Herrn, aber er stand wohl nicht mit auf der Liste.

Setzen wir aber unseren Osterspaziergang fort. Schon nach wenigen Metern wartet der nächste Vers: Sieh nur, sieh! wie behend sich die Menge durch die Gärten und Felder zerschlägt, und dabei entlang der gesamten Länge ihre verbrauchten Abfälle ablegt.

Der Klimawandel machts möglich: Die ersten Bananenstauden am Kulkwitzer See haben anno 2020 bereits im April Fruchtkörper ausgebildet.

Dann greifen beide auch Goethes Osterspaziergang auf. In Anlehnung an den Vers „Doch an Blumen fehlts im Revier“ nimmt Beate Lehmann geputzte Menschen dafür und stattet dankbare Passanten sinnstiftend mit bunten Mund-Nase-Masken aus. Denn noch immer sendet Corona, fliehend nur, ansteckende Viren über die grünende Flur.

Ordnungsamt als Bergungsdienst.

Derweil macht sich Pierre Jäkel an den Hinterlassenschaften zu schaffen, die aus niedriger Häuser dumpfen Gemächern, aus Handwerks- und Gewerbesbanden, aus dem Druck von Giebeln und Dächern, aus der Straßen quetschender Enge und der Supermärkte ehrwürdiger Nacht, wurden dereinst an den Kulki gebracht.

Doch kehr’n wir uns ab von diesen Höhen, nach der Stadt zurückzusehen. Dort wurde selbst am Ostersonntag emsig gewerkelt. Selbst von des Bahndamms fernen Pfaden, blinken uns farbige Kleider an.

…blinken uns farbige Kleider an.

Ich höre schon der Lok Gebimmel, hier ist des Volkes wahrer Himmel. Entkräftet ächzet groß und klein: Heut ist Ostern, das muss so sein!

 

2 Kommentare

  1. Ob Ostern oder nicht, meine Nachbarn feiern immer, was auch immer und immer laut und mit Besuch aus Polen (den Kennzeichen der Fahrzeuge zu urteilen).
    Das ist dem Ordnungsamt bestimmt aufgefallen, oder doch wieder nicht?
    Das „blaue Band“ zog direkt vor meiner Tür vorbei, wenn man nicht aufpasst, wird man „high“
    Doch der Lärm in diesen Tagen, ist wohl anders kaum zu ertragen?

  2. Ich habe diesmal meinen Osterspaziergang über die Kippe Südstraße gemacht. Was soll ich sagen. Die Jahrgangsbäume 2008 befinden sich immer noch im erbärmlichen Zustand. Es hat sich nichts geändert. Die Kronen der Bäume sind immer noch zugewuchert. Mickrig an Statur versuchen sie, sich gegen das übermächtige Gestrüpp durchzusetzen. Über ein Drittel der gepflanzten Bäume ist erbärmlich eingegangen und weiteren besteht das gleiche Schicksal bevor. Naja, so isses halt.
    Aber keiner soll sagen, die Stadt hätte keine Kapazitäten um hier Abhilfe zu schaffen. Sie will den Zustand einfach nicht ändern. Dafür werden rings um in Markranstädt alle Hecken und Büsche zu Würfeln geschnitten und alles, was höher als 5cm wächst, abgemäht. Kein Vogel kann mehr nisten und allen Insekten wird der Garaus gemacht.
    Für das Pflegen des Stadtforstes – Pappelwald – wird extra ein Wirtschaftsweg gebaut. Es geht doch – scheinbar. Zu den Jahrgangsbäumen 2008 führt schon immer ein sicherer Weg. Aber keiner von der Stadt findet dort hin.
    Schade eigentlich. Nein. Es ist schlimm!

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