Der ultimative Markranstädter Jahresrückblick

Das zurückliegende Jahr wird noch lange nachwirken. Wir sind alle jünger geworden, manche sogar etwas schlauer, die meisten aber vor allem ungeduldiger. Geht es Ihnen auch so? Wenn irgendwas nicht schnell genug geschieht, hat man manchmal das Gefühl, dass die Zeit überhaupt nicht vergeht. War dieses 2023 deshalb so schnell vorbei?

Es ist die Ungeduld, die uns treibt. Alles muss sofort passieren, ansonsten wird gleich von Krise gesprochen.

Deshalb hat Amazon auch den 24-Stunden-Lieferdienst erfunden. Leider reagiert das Bestellsystem nur auf Online-Signale und das hatte 2023 für Markranstädt schlimme Folgen.

Da waren die vom Amazon-Service verwöhnten Stadträte doch tatsächlich der Meinung, dass man im Zeitalter der Sofortness schon nach anderthalb Jahren eine neue Beigeordnete haben könnte. Wo leben wir denn?

Neue Beigeordnete per Amazon-Prime

Dass die Bestellung einer neuen Ersatzpartnerin für CR2 nicht geklappt hat, ist zwar bedauerlich, aber nicht zu ändern. Angeblich ist das Telex aus dem Rathaus mit der Online-Bestellung nie bei Amazon angekommen und auch das anschließend nachgesandte Beschwerde-Fax wurde nicht beantwortet. Was natürlich daran liegen kann, dass die arroganten Geschäftemacher aus Übersee solch moderne Technologie noch gar nicht kennen.

Hallo Henry, ich bins. Wir haben jetzt auch so ein neumodisches Telefon.

Hallo Henry, ich bins. Wir haben jetzt auch so ein neumodisches Telefon.

Dabei wäre es so schön gewesen. Die Beigeordneten waren am Black Friday zum halben Preis im Angebot, inklusive 14 Tage Rückgaberecht. Im Lieferumfang war sogar ein Upgrade auf Bauamtsleiter enthalten.

Aber den kriegt man jetzt ohnehin für ganz wenig Geld, da für diese Führungsaufgabe keine Führungskompetenzen mehr erforderlich sind. Zuletzt nahezu vollständig entkernt, ist dort kaum noch jemand da, den man führen könnte. So haben sich 2023 viele Probleme ganz von selbst gelöst. Man braucht eben nur Geduld.

Mior sin mior!

Die hatten auch unsere Fußballer. Der SSV ist in diesem Jahr Meister in der sächsischen Bundesliga geworden. Der Gipfelsturm ist diesmal sogar ganz ohne geheimnisvolle rote Ordner, morsche Hydraulik und die Kompetenz einiger Weisen aus dem Abendland gelungen. Die Jungs haben einfach nur Fußball gespielt!

Und haben anno 2023 auch dazugelernt. Obwohl die Fahrtkosten mit dem 49-Euro-Ticket nach M wie Markkleeberg ebenso günstig sind wie die nach Meuselwitz oder München, wurde der Aufstieg als Beginn eines neuerlichen Abstiegs diesmal abgewählt.

Dass allerdings bei der Vergangenheitsbewältigung offenbar auch der Pokal des Bürgermeisters aus der Trophäen-Vitrine abhanden kam, hat kurz vor Ende des Jahres 2023 dann doch noch mal für Diskussionen gesorgt.

Warum eigentlich nicht gleich ein richtiger Pokal? Der hier wäre doch angemessen.

Warum eigentlich nicht gleich ein richtiger Pokal? Der hier wäre doch angemessen.

Was schreibt man auf den neuen Ersatz-Eumel drauf, wenn das Stadtoberhaupt eine Frau ist? Der aktuellen Lage Rechnung tragend „Pokal der Bürgermeisterin“ oder wartet man lieber ab, was das kommende Jahr so bringen mag? Die Auflösung gibt’s noch im alten Jahr: Am 29. Dezember steigt der traditionelle Pokalfight in der Stadthalle.

Hopfenstreich in Kneipen

Dass es 2023 in Markranstädt immer trockener wurde, lag nicht nur am Klimawandel. Mit den sinkenden Pegeln in Gewässern ist auch die Kneipenlandschaft im Zweistromland zwischen Zschampert und Floßgraben immer weiter den Bach runtergegangen.

Nachdem zuletzt in der Kegelbahn, im Ranstädter Eck und beim Groitzscher in Kulkwitz die Bierhähne verstummten, teilte der Heilige Gambrinus vor kurzem via Google mit, dass jetzt auch die Gaststätte Haugk in Großlehna den großen Hopfenstreich vollzogen hat.

Marxismus am Zapfhahn

Wer jetzt allerdings meint, dass das frei gewordene Kundenpotenzial für ausreichend Aufschwung in den verbliebenen Lokalen sorgt, hat den Marxismus-Leninismus nicht verstanden. Grundlage der Ausbeutung des Menschen durch den Menschen sind die Eigentumsverhältnisse an Produktionsmitteln, und die können nur durch Revolution geändert werden.

Der Versuch, den Kapitalisten das immer teurer werdende Produktionsmittel Bier friedlich wegzutrinken, ist definitiv kein revolutionärer Akt und musste zwangsläufig scheitern.

Wohl auch deshalb hat das Jahr 2023 zu einem Rückfall der Kneipenlandschaft in die Zeit der Kleinstaaterei geführt. In nahezu jeder Gartenanlage gibt es seit diesem Sommer mindestens eine Parzelle, die der gastwirtschaftlichen Brauchtumspflege gewidmet ist. Die Natur sucht sich ihren Weg.

Ansonsten war dieses 2023 irgendwie seltsam. Früher haben sich die Leute immer aufgeregt, wenn sich in der Stadt irgendwas Neues entwickelt hat. Ein Sportzentrum zum Beispiel, ein Holzschuppen zur Kinderaufbewahrung oder wenigstens eine neue Stadthalle. Und was gab’s in diesem Jahr? Sehen Sie – und trotzdem regen sich die Leute immer noch auf.

Bessere Zeiten, schlechtere Sitten

Wo sind die Leute mit Ideen geblieben? Die Markranstädter Drehbänke mit Blick ins Grüne stammen aus dem Jahre 2019 und waren eine der letzten ingenieurtechnischen Leistungen in der Erfinderstadt.

Wo sind die Leute mit Ideen geblieben? Die Markranstädter Drehbänke mit Blick ins Grüne stammen aus dem Jahre 2019 und waren eine der letzten ingenieurtechnischen Leistungen in der Erfinderstadt.

Was waren das noch für Zeiten, als Sitzbänke gedreht und Stadtmöbel hin und her gerückt wurden oder eine läppische Schranke zum globalen Blockbuster mutierte. Über ein Klo am Kulki, einst ein Dauerthema, dessen bloße Erwähnung schon für Verstopfung im Mastdarm des Bürgermeisters sorgte, wird heute nicht einmal mehr gesprochen. Eine Nahtod-Erfahrung für den Humor in dieser Stadt.

Früher war nicht nur mehr Lametta, sondern auch viel mehr Schranke.

Früher war nicht nur mehr Lametta, sondern auch viel mehr Schranke.

Da kann man sich eigentlich nur noch mit der Hoffnung auf das neue Jahr betäuben. Die Vorzeichen dafür stehen jedenfalls gut. So darf als gesichert gelten, dass in Großlehna kein weiterer Konsum schließen wird und die Fußballer aus Kulkwitz und Räpitz mangels Bodenluke im Tabellenkeller nicht aus der 2. Kreisklasse absteigen können.

Macht der Stadtrat bald blau?

Es wird sogar für möglich gehalten, dass es im Sommer einen neuen Stadtrat gibt – sofern sich genug bereitwillige Kandidaten und noch genuger noch bereitwilligere Wähler finden. Schließlich hat das Jahr 2023 auch gezeigt, dass man nicht mal für Hotelreservierungen einen Stadtrat braucht. Zur Verarsche der Bevölkerung reicht ein Landratsamt.

Was die Aussichten angeht, haben wir im kommenden Jahr laut Zeitrechnung von Annalena Bockbier sogar 560 Tage vor uns. Berücksichtigt man zudem die Tatsache, dass die Jahre bis zum Renteneintritt ohnedies immer mehr werden, dann kann das nur eins bedeuten: Wir werden von Jahr zu Jahr jünger. Wenn das kein Grund für eine Silvesterparty ist.

12 Kommentare

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    • Olit auf 29. Dezember 2023 bei 15:47
    • Antworten

    Na das wird ja spannend in 2024: Resterampenentleerung im Bauamt= Alle Personalkosten gespart! Beigeordneten „Wischwg“= in Geldwert viele Autos eingespart (B.J. aus Leipzig wird sich freuen). Stadtrat entkernt= Viel Freizeit gewonnen für= Schlagzeilenloses Markranstädt. Kultur vom KKV weg= Kulturgroschen gespart. Doch noch dampft es in der Sauna (die es noch gibt). Und „Lichterradeln“ in Gl/Altrans, Fußball/Handball und die „Strickliesl“ gibt es trotzdem. Und gaaanz viele Vereine in unserem Ländl gibt es weiterhin- verjagen wir also die bösen Geister von 2023 und ein Hoch auf 2024… Vielleicht gibt es in 2024 den großen Nachholewurf und Alles wird gut? Liebe MN: Bitte lass uns viel Neues weiterhin wissen…

    1. Was aus dem geworden ist, was von den Müttern dieser Stadt bisher geworfen wurde, sieht (und hört) man bei einem Blick auf die Brennpunkte. Also streichen Sie bitte den Begriff „Nachholewurf“ aus Ihrem Wortschatz. Ansonsten war der Text in Ordnung und hat unserer Zensur standgehalten.

        • Xt'Tapalatakettle auf 1. Januar 2024 bei 15:28
        • Antworten

        Prosit Neujahr!
        Der Boden zur feindlichen Übernahme ist geebnet.
        Die Verwaltung schafft sich selbst ab.
        Die Duma hofft auf ein und erlebt vielleicht ihr (blaues) Wunder. Heißer Sommer oder Lallendorfer Akopalytse?
        Im Herbst dann der Landkreis auf der Kippe?
        Und übersteht „der Schweigende“ dieses Jahr?
        Alles bleibt, wie es war?
        Vertrauen ist gut…
        Alle haben es kommen sehen und am Ende will wieder keiner etwas gewusst haben.

        1. Eigentlich ging es ja um einen Rückblick – aber mit Ihren Thesen haben Sie uns jetzt gleich mal den ganzen Stoff für einen Ausblick genommen. Ziemlich gute Glaskugel, die Sie da haben 😉

    • Markranster auf 29. Dezember 2023 bei 13:49
    • Antworten

    Na denn…ein Prosit auf das kommende Jahr!

    1. Nich lang schnacken – Kopp in den Nacken! In Markranstädt ballern sie zwar schon das ganze Jahr über ihr Bürgergeld in den Himmel, üm die Tierwelt an die kommenden Detonationen zu gewöhnen. Seit Heiligabend wummert es verstärkt und Silvester wird Lallendorf wieder zur Frontstadt. Trinken wir also gemeinsam auf den Endsieg.

    • Nachbar auf 29. Dezember 2023 bei 12:59
    • Antworten

    Ich hoffe der Stadtrat und die Bürgermeisterin kämpft nicht nur um seine Daseinsberechtigung, sondern mal für seine Bürger.
    Fototermine gab es ja genug und Lobpreisungen der schwarzen Fraktion auch, wofür war ja egal, weiss eh keiner.
    Die Allmacht des Landrates scheint auch anderen Stadträten heilig, obwohl sie doch am liebsten gerecht, sozial glaubensneutral sind.
    Ich glaube, es braucht mehr frischen und harschen Wind im Rathaus und das mal aus einer anderen Richtung und mehr Richtung Landrat.
    Ist der Herrscher der Enclave Markranst beim Neujahrsempfang zugegen oder traut er sich nicht…
    Vielleicht sollten wir ihn dann mal gebührend empfangen.

    1. Auch das wird er weglächeln.

    • Paerisch auf 29. Dezember 2023 bei 12:32
    • Antworten

    Köstlich, diese Zeilen zum Jahresabschluss. Nur das Thema Bauamt ist ein Trauerspiel- Kompetenz wie in der Krabbelgruppe des Kindergartens am Hoßgraben. Noch vor 2 Jahren ein krimineller Bauamtsleiter, ist heute nur noch eine Reinigungsbrigade übrig geblieben. Warum muss Markranstädt sich in allem nun auch noch der Ampel anschließen?

    1. Also der „kriminelle Bauamtsleiter“ dürfte spätestens nach dem ARD-Beitrag über die Ministerialrätin Gerda Hoffmann und ihre Komplizen im Finanzministerium vollständig rehabilitiert sein. Vor dem Hintergrund, was in Deutschland aktuell sonst so läuft, ist das, was dem Mann vorgeworfen wird, eher Peanuts gewesen. Aber wahrscheinlich ist er genau deshalb verurteilt worden. Wäre es um Milliarden gegangen, hätte man ihm wohl ein Denkmal errichtet.

      Apropos Markranstädter Bauamt: Nehmen wir nur mal die jüngsten Verluste. Kauschke, Krüger, Kunth – na, fällt Ihnen was auf? Genau, alle Namen beginnen mit K. Das ist der elfte Buchstabe im Alphabet. Was das bedeutet, wird hier erklärt.

    • Samoth auf 29. Dezember 2023 bei 10:40
    • Antworten

    Einfach köstlich! Danke für diesen Blick auf das, was ich doch so ganz anders wahrgenommen habe. Aber eine Kritik habe ich doch noch. In Ihrer marxistisch-leninistischen Philosophie ist ein Fehler enthalten. Bier ist kein Produktionsmittel, sondern ein Ausfluss dessen. Aber spätestens auf dem Klo am Kulki wirds egal sein, ob das Bier aus einem Produktionsprozess in der kapitalistischen Brauerei oder einem überforderten Magen ausfließt. Euch ein wunderschönes, erfolgreiches Neues Jahr.

    1. Das ist nicht der einzige Fehler, den die marxistische Lehre enthält – sonst hätte das Experiment geklappt und wäre nicht nach 40 Jahren eingestellt worden. Es beginnt ja schon damit, dass nicht alle Teilnehmer der Arbeiterklasse Bier trinken.

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