Die Markranstädter Wochenschau (30)

Die 30. Wochenschau ist geprägt von tiefgreifenden gesellschaftlichen Veränderungen. Die fangen bereits beim Wahlkampf an, reichen über ein unerwartet erweitertes Aufgabengebiet der Freiwilligen Feuerwehr und enden bei einer geradezu obszönen Aufforderung der Stadtverwaltung an ihre prüde Bürgerschaft. Außerdem schließt Burkhard Schmidt am Sonnabend die Kirche auf.

Aber schön der Reihe nach.

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Da haben sich die potenziellen Urnengänger diesmal aber die Augen gerieben. Bisher waren sie es gewöhnt, dass der Kandidat zu den Wählern kommt, um ihre Stimme zu erbitten.

Alles wird einfacher. In Zeiten, in denen die Banken kein Bargeld mehr annehmen, die Kontonummern auf 22 Stellen vereinfacht wurden und die persönliche Datenspende per zwangsinstallierter Corona-App eingezogen wird, muss auch der Kandidat nachweisen, dass er die Kriterien unserer modernen Dienstleistungsgesellschaft langsam verstanden hat.

Ihr Wählerlein kommet

Also geht er nicht mehr zu den Wählern, sondern lässt diese zu sich kommen. Ist ja auch viel umweltfreundlicher, wenn er nicht erst umständlich nach Räpitz, Kulkwitz, Göhrenz, Großlehna oder Frankenheim mäandern muss, sondern die Landeier statt dessen gleich zu sich in die Kernstadt bestellt.

Man fragt sich, warum die Kandidaten erst jetzt darauf gekommen sind? Es war doch schon früher so, dass die sowieso immer nur unzufriedenen Wähler bestenfalls durch unangenehme Fragen aufgefallen sind. Dafür muss man doch nicht extra eine Safari durch die Wojewodschaften starten.

Lediglich bei Jens Spiske ist das anders. Er muss schon aus beruflichen Gründen immer mal rüber in die Dörfer. Inzwischen ist er dort so bekannt, dass er eher mit dem Wahlversprechen punkten könnte, dass er mal ein paar Wochen nicht kommt.

Dienstleistungsgesellschaft

Es zeugt also von hohem Verständnis unserer neuzeitlichen Servicekultur, wenn Sprechstunden in der Kernstadt abgehalten und die Bewohner der fernen Dörfer dahin eingeladen werden.

So kam, was kommen musste: Nachdem der uns unbekannte Du-weisst-schon-wer damit angefangen hatte, zog auch Nadine Stitterich nach und hoffte wohl, dass wenigstens bei ihr jemand im MGH vorbeischaut.

Ob geläutert vom Ergebnis (es sind wirklich viele vorbeigegangen) oder ob sie es ohnehin auf der Agenda hatte (was ihr durchaus zuzutrauen ist): Trotz ihrer 40 jungen Jahre ist Nadine Stitterich schon abgebrüht genug, um einen richtig traditionellen Wahlkampf dort anzugehen, wo der Regenbogen noch schwarz-weiß kommt. Stitterich will durch die Dörfer ziehen!

Streckenführung der „Tour de M“ im diesjährigen Wahlkampf-

Neben der jeden Mittwoch von 16 bis 18 Uhr im Mehrgenerationenhaus stattfindenden Bürgersprechstunde bietet sie zusätzliche Gesprächsmöglichkeiten in Form von gemeinsamen Ortsspaziergängen in den verschiedenen Ortsteilen an. Jede Woche ab 18 Uhr erhalten Bürgerinnen und Bürger dann die Gelegenheit, die Kandidatin vor Ort zu treffen“, heißt es in ihrer Pressemitteilung.

Die Termine und Treffpunkte wolle sie rechtzeitig auf ihrer Website und bei Facebook bekanntgeben. Man kann sich’s ja trotzdem schon mal vormerken: Jede Woche ab 18 Uhr.

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Und diese Woche ab 16 Uhr …

Schon diese Woche ab 16 Uhr, genau gesagt am morgigen Samstag, hat eine lange Durststrecke in Markranstädt ihr Ende. Da schließt Burkhard Schmidt nach der Corona-Zwangspause erstmals wieder die 500 Jahre alte Stadtkirche auf und lädt Interessenten zur Orgel- und Kirchenführung mit Turmbesteigung sowie Besuch im Antik-Kabinett ein.

Der veranstaltende Förderverein zur Erhaltung der St. Laurentiuskirche bittet um Beachtung der Corona- Hygienevorschriften, die Einhaltung der Abstandsregeln und das Tragen eines Mund- und Nasenschutzes. Der Eintritt ist frei, aber die Dankbarkeit für Spenden zur Erhaltung des Gotteshauses dafür ungebrochen hoch.

Flammender Geburtstag

Offiziell war bis heute leider noch nichts zu erfahren, aber unter der Hand bekamen wir eine Einsatzmeldung der Feuerwehr zugespielt, die einer satirischen Steilvorlage gleichkommt. In Markransträdt hat am Mittwoch eine Geburtstagstorte gebrannt!

Mangels weiterer Informationen gehen beim Humoristen fast zwangsläufig die Gedanken auf die Reise. Was mag geschehen sein?

Sowas liest man vorsichtshalber zweimal, bevor man man sich die Einsatzjacke überzieht.

Hat Mutti Chantalle beim Kindergeburtstag die Kerzen nicht entzünden können und der kleine Kevin hat das mit den Worten übernommen: „Lass mal, du Opfer. Isch zeig disch, wie mirs mit das Strandbad gemacht haben!“ Demnach müsste er versucht haben, die Kerzen auf der Torte mit der brennenden Schrankwand zu entzünden.

Oder war es ein Corona-Einsatz, weil Mutter per Whatsapp kurz zuvor in alle Welt schrieb, dass sie die Kerzen angesteckt hat? Ging die Torte vielleicht deshalb in Flammen auf, weil es sich um einen Baumkuchen handelte?

Schaumparty statt Sahnetorte

Was auch immer wirklich geschehen sein mag: Der Satiriker sieht vor seinem geistigen Auge bedröppelt dreinblickende Kinder, die traurig auf die gelöschte Torte schauen, während der Einsatzleiter warnend den Finger hebt und den Kleinen (daher der Begriff „Brandstifte“) die Mär von Messer, Gabel, Scher‘ und Licht erzählt. Anschließend wird aus der Not eine Tugend und die Geburtstagsfeier zur Schaumparty gemacht.

Das Löschen einer brennenden Geburtstagstorte klingt jedenfalls ähnlich humorvoll wie der Einsatz eines Notarztes nach dem Lesen der MN, um vom Lachen angesteckte Leser zu impfen. Drum lerne: Bei der MN-Lektüre nie den Mund-Nasenschutz vergessen!

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Fotos gesucht

Mit einem außergewöhnlichen Aufruf ging die Stadtverwaltung im Laufe der Woche in die Offensive. Das Rathaus bittet um Fotos zur Geschichte des Pappelwaldes und zum Thema „Lieblingsorte meiner Jugend“ in Markranstädt.

Gemeinsam mit der Lokalen Partnerschaft für Demokratie, dem MGH und den Volkshochschulen sowie Organisationen und Vereinen plant die Stadt Markranstädt eine Demokratiekonferenz zum Thema „Was macht unsere Stadt lebenswert?“. Sie ist am 9. Oktober im „Alten Park“ vor dem Mehrgenerationenhaus geplant und die eingesandten Fotos sollen dort vorgestellt werden.

Unverfänglicher Blick aus dem Pappelwald auf den See.

Natürlich sind auch im Archiv der Markranstädter Nachtschichten alte Fotos aus dem Pappelwald erhalten. Aber bei deren Betrachtung wurde uns die wirkliche Tragweite dieses Aufrufes gewahr.

Unsere Fotos stammen aus den Jahren 1981 bis 1986 und zeigen ausnahmslos nackte Jugendliche beiderlei Geschlechts (ja, damals gab es nur zwei), die dort mannigfaltiger Freizeitgestaltung nachgehen.

Die nackte Wahrheit

Beim genauen Hinschauen erkennt man das heutige Who ist Who der Stadt Markranstädt, von Geschäftsführern über Handwerksmeister bis hin zur Kassiererin im Supermarkt. Allesamt im Adams- oder eben im Eva-Kostüm.

Zugegeben, vor dem Hintergrund der zwischenzeitlich erfolgten körperlichen Entwicklung mögen sich manche der damals Abgelichteten beim Vergleich mit ihrem heutigen Erscheinungsbild durchaus geschmeichelt fühlen. Andere würden sich vielleicht gar nicht wiedererkennen.

Aber falls doch, weiß heute eben auch jeder, dass ein Penis ab 18 Jahren nicht mehr wächst und Brüste ab diesem Alter ebenfalls nicht mehr straffer werden (zumindest nicht von alleine). Da könnte im Nachhinein so manche Mogelpackung auffliegen.

Schöner unsere Körper – mach mit!

Dass wir uns mit diesem brisanten Material der Beihilfe zu einer Peep-Show der öffentlichen Hand schuldig machen, verbietet uns allein schon unser eigener Moral-Kodex.

Zu frisch ist noch die Erinnerung an die erzieherische Wirkung unserer Facebook-Sperre, als wir nackte Brüste zeigten. Wären die wenigstens mit einem Hakenkreuz-Tattoo versehen gewesen, hätte kein Hahn danach gekräht. Bei unseren Exemplaren jedoch hingen Brustwarzen dran und sowas kommt heute biologischer Volksverhetzung gleich.

Also, von uns gibt’s da nichts. Aber vielleicht haben Sie ja noch das eine oder andere unverfängliche Foto in der Schublade? Schicken Sie es einfach bis 31. August per Post an die Stadt Markranstädt, Fachbereich IV, Markt 1, 04420 Markranstädt oder per E-Mail. stadtmarketing@markranstaedt.de.

 

2 Kommentare

    • wiki 1303 auf 24. Juli 2020 bei 22:13
    • Antworten

    🙂 rundum köstlich!

    …einer meiner Lieblingstellen wo ich am meisten gelacht habe:

    „Lediglich bei Jens Spiske ist das anders. Er muss schon aus beruflichen Gründen immer mal rüber in die Dörfer. Inzwischen ist er dort so bekannt, dass er eher mit dem Wahlversprechen punkten könnte, dass er mal ein paar Wochen nicht kommt.“

    Ihr macht Premiumsatire, finden die meisten Eurer Leser und Perlen sind es halt vor Eure Nichtleser geworfen.
    Machts weiter für Eure Leser!

    1. Jetzt nicht ablenken mit Spiske & Dorf und so. In Wahrheit bist Du erleichtert, dass wir die Pappelwald-Fotos von 1985 unter Verschluss halten. Auf zweien davon bist nämlich auch Du drauf!

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