Die wahre Wahrheit hinter der Wahrheit

Fast hatten wir mit der Reihe „Ausnahmsweise verschreibungspflichtig“ schon abgeschlossen, da hat’s in der Mailbox dreimal laut gescheppert. Es gibt sie also noch, die aufmerksamen Leser, die Informationen nicht nur aufsaugen, um darüber meckern zu können. Einmal gedruckt, sind Stilblüten was für die Ewigkeit. Anders ist es bei Unfällen mit germanistischem Totalschaden, die uns aus dem Radio erreichen. Die sind nirgendwo nachlesbar und wenn sie sich keiner merkt, sind sie auf alle Zeit verloren. So wie beinahe die Kadaver und Kadaverinnen von verseuchten Wildschweinen, die kürzlich ein Jäger im deutschen Walde gefunden haben soll.

Neues Jahr, neuer Duden. Falls Sie sich die aktuelle Ausgabe bestellen wollen, raten wir Ihnen ab. Erstens können Sie sowieso schreiben wie Sie wollen und zweitens wird der Duden 2021 nicht mehr in ihr Bücherregal passen.

Grund ist die Abkehr vom sogenannten „generischen Maskulinum“. Der Plural (die Mehrzahl) hat sich in den vergangenen Jahrhunderten quasi von ganz alleine in unserem Sprachgebrauch eingenistet, um ihn zu vereinfachen. Doch damit ist jetzt Schluss!

Die selbsternannten Hüter unserer Muttersprache wollen uns sozusagen per Handstreich mal eben 12.000 zusätzliche Einträge im Duden bescheren. Hauptsächlich geht es dabei um die Bezeichnungen von Berufen. Apotheker zum Beispiel oder Lehrer und Postboten.

Wie die Mehrzahl pluralisiert wird

Sie alle dürfen zwar im Duden bleiben, werden aber mit der Bemerkung „männlich“ versehen. Drunter gibt’s dann den gleichen Text nochmal, allerdings mit der Endung -in und garniert mit dem Hinweis „weiblich“.

Schon titeln sogar meinungswahrende Leitmedien Der Duden schafft sich ab. In anderen Nachrichtenkanälen traditionsbewusster Holzmedien macht man sich nicht so viele Gedanken. Wer selber denkt, ist angreifbar, also wird mit den Wölfen geheult.

Seit 5:45 Uhr wird zurückgegendert!

Einschlägige Erfahrungen in Sachen Anschluss an Deutschland nutzend, hat sich auch der im Heimatland von Concita Wurst erscheinende „Standard“ nahtlos in das harmonische Ambiente der alpino-europäischen Medienlandschaft eingefügt.

Demnächst in dieser Zeitung: "Gynäkologen bieten Rückbildungskurse für Wöchnerinnen und Wöchner". Gebärmütter und -väter können sich bei den Hebammen und Hebammerichen kostenlos anmelden.

Demnächst in dieser Zeitung: „Gynäkologen bieten Rückbildungskurse für Wöchnerinnen und Wöchner“. Gebärmütter und -väter können sich bei den Hebammen und Hebammerichen kostenlos anmelden.

Die meisten Medien sind inzwischen davon abgekehrt, nichtzahlende Klienten mit kostenlosen Informationen zu belästigen. Nachrichten gibt’s nur noch gegen Cash.

Richtig so, denn selbst wenn nur Pressemitteilungen aus Rathäusern umformuliert werden, steckt doch Arbeit dahinter und die muss bezahlt werden. Noch wichtiger ist dieser Umstand, wenn sogar Recherchen dahinterstecken.

Völlig gratis ist dagegen der Unterhaltungswert für den Satiriker, wenn sich die Kritiker der Qualitätsmedien in den sozialen Netzwerken plötzlich darüber beschweren, dass sie für Artikel der Lügenpresse bezahlen müssen, um sie lesen zu können.

Die Überschrift reicht!

Manche sind sich nicht mal zu dumm, diese auf krummen Wegen zu kopieren und dann selbst zu veröffentlichen. Nicht ahnend (womit auch?), dass sie damit selbst qualitativ minderwertiger Berichterstattung Vorschub leisten.

Die Kehrseite der Medaille: Weil ihnen die Informationen nicht mal ein paar Cent wert sind, belassen es immer mehr Klienten dabei, das zu lesen, was ihnen kostenlos zur Verfügung steht. Die Überschriften also. Den Rest kann man sich schließlich selber zusammenreimen und dann entspricht es wenigstens der eigenen Wahrheit.

Diese preisgünstige Möglichkeit der Informationsbeschaffung und objektiven Meinungsbildung möchten wir Ihnen anhand folgenden Beispiels näher bringen.

... dann schicken sie eben ihre Kinder hin.

Was soll schon passieren? Dann schicken sie eben ihre Kinder hin. War doch schon immer so.

Sie werden schnell feststellen, dass es Sie gar nicht interessiert, was mit den Eltern passiert. Allein das Eingeständnis, dass es überhaupt Eltern gibt, die den Schulbesuch verweigern, ist doch als Kernbotschaft nicht mehr zu toppen. Die Überschrift reicht, mehr willst Du gar nicht wissen!

Und seien wir mal ehrlich: Wenn wir unsere Gedanken mal so in unsere unmittelbare Nachbarschaft schweifen lassen, kennen wir doch alle genug Eltern, denen ein Schulbesuch gut zu Geiste stünde. Also von wegen Lügenpresse, man muss uns nur von selbst drauf kommen lassen.

Die ganz hohe Schule im Umgang mit Informationen wird uns im Internet abverlangt. Hier stieß ein aufmerksamer MN-Leser beispielsweise auf eine Datensammlung, die nur auf den ersten Blick ein halbwegs sauberes Markranstädt vermuten lässt. Nicht alles im grünen, aber wenigstens im rosaroten Bereich.

Das Internet weiß alles!

Das Internet weiß alles!

Erst bei näherer Auseinandersetzung mit dem Dokument erschließt sich die wahre Tragweite der Informationen. Gewonnen wurden die Messwerte demnach in der Unterkunft Markranstädt, die jetzt offenbar unter dem Namen „Advena Parkhotel“ firmiert.

Okay, Namen sind Schall und Rauch, schon morgen kann ein neues Schild dran hängen. Aber wie in Allahs Namen sind die Experten der Berliner BGR Handels UG an die Werte gekommen? Luftfeuchtigkeit, Stickoxid, Feinstaub, Ozon, atmosphärischer Druck … solch hochsensible Daten kann man sich nicht eben mal so aus den Fingern lutschen.

Wissen ist Macht

Geht nicht anders: Da müssen überall im Hotel Sonden, Messfühler und Kameras rumhängen. Möglicherweise auch seismische Sensoren. Dass die Angaben korrekt sind, steht außer Zweifel. Die Daten hinter dem Punkt „Verschmutzung“ (normal) decken sich mit den Angaben des Landkreises, der die Lokalität nach vorheriger Ankündigung schon mal besucht hat.

So viel zum Thema Datenschutz, aber auch zu Fragen der Durchsetzung von Ordnung und Sauberkeit. Unser Tipp: Machen Sie sich doch einfach mal den Spaß und googeln Sie nach der Wohnung Ihres Nachbarn. Es ist nie verkehrt zu wissen, wann bei dem dicke Luft herrscht.

 

6 Kommentare

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    • Der Seebenischer auf 26. Januar 2021 bei 12:44
    • Antworten

    Meine persönliche Lieblingsrubrik.
    Klasse!
    Danke und weiter so.

    1. Ach Sie sind das?

    • Bernd Hollwitz auf 24. Januar 2021 bei 14:53
    • Antworten

    Vielen Dank für diesen Beitrag!
    Ja, die deutsche Sprache schafft sich gerade ab und schafft mit dem /*innen ein wahres Sprachchaos. Fürchterlich!
    Als ob man dadurch den nicht vorhandenen „Diskrimierungen“ entgegen wirken könnte… Ich sage nur „Feld- und Wiesenwebelin“

    Hinzu kommen massenhaft englische Begriffe wie „Lockdown“ die sinnfrei sind, weil sowieso niemand mehr den Unterschied zwischen „leicht“, „hart“, „total hart“ und doch „nicht mehr so hart“ auseinander halten kann … Und will.

    1. Total hart wäre allerdings wieder mal schön. Auch sonst ist nicht alles schlöecht mit diesem Corona. Wenigstens hat man aus den Fehlern der Geschichte gelernt. Diesmal kümmern sie sich zuerst um den Volkssturm und nicht erst dann, wenns zu spät ist.

    • Nachbar auf 22. Januar 2021 bei 14:37
    • Antworten

    Liebe MN,
    Danke für die Lacher.
    Das „Advena Parkhotel“ steht immernoch in der Krakauer Str. 49, soweit ich das weiß, das nur zum Wahrheitsgehalt der Info 😉
    Dicke Luft gibts dort auch regelmäßig, das hat aber weniger mit den Stickoxiden zu tun, denke ich.
    Aber mit der Wahrheit ist es da sowieso so eine Sache. (Auch mit der öffentlichen Presse)
    Durch die jahrelang fehlende Abluftanlage verpestete das Objekt ohnehin das halbe Viertel, was nun noch nicht zu Ende sein wird, weil da auch seit 2015 der Fettabscheider der Großküche fehlt (laut Info der Wasserwirtschaft) und deshalb die Werte an Schwefelwasserstoffen (Kanalgas) mit Sicherheit zu hoch sind (die sind gesundheitsschädlich, aber die sind ja nicht gemessen worden 😉
    Auch das ist dem Landrat damals beim Besuch nicht aufgefallen. Ebenso wenig wusste er ja, das er selbst die Innenhofnutzung verboten hatte, aber zur Belustigung der „Hotelbewohner“ und Belästigung der damals eingeladenen Nachbarn jeden Geschlechts eine Hüpfburg genau dort hinstellte, deren Lärmpegel die oben angegebenen Werte und auch die zulässigen Werte für das Gebiet bei weiten überschritten hatte. Aber was kümmert das den Landrat…
    Genau so „viel“ wie die Anfragen und Beschwerden über die dort herrschenden Zustände. Vielleicht sieht und hört er aber auch einfach nur schlecht, das Lesen und Schreiben fällt ihm schwer, oder so. Wer weiß das schon.
    Ich hoffe, das unsere neue Bürgermeisterin dessen mächtig ist, und dahingehend ihre Wahlversprechen baldigst versucht einzulösen.
    Was der einzelne, auch der neuen Mitmenschen von Bartträgerinnen hält, oder Wöchnern oder Gebährvätern, sei dahingestellt, aber der Herr Konrad Duden würde sicher bald keine Haare mehr besitzen vor lauter Raufen.
    Bei soviel Unfug (gibt es das Wort noch?) , können wir die Schulen auch getrost geschlossen lassen, wenn dort nur noch so gele(e)hrt wird 😉
    Wäre nur schön, wenn die (immer restlos überfüllte ) Bücherei zur eigenen Weiterbildung der Bevölkerung wieder offen hätte und auch die Friseure, damit die Bartträgerinnen auch sicher sind, mit ihren FFP2 Masken 😉
    Wenn das alles zu bleibt, bleibt nur noch: zurück zur Hippiezeit !

    Der Wieler (RKI) war heute erstaunlich gut frisiert, mal fragen, wie der das macht….

    1. Wielers Frau ist zur Zeit im Home-Frisiering.

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