Ein „Mast have“ für die Ranstädter Mark

Geschichte wiederholt sich. Meist. „Wir sind gekommen, um ihnen mitzuteilen, dass heute ihre Ausreise…“ Der Rest ging im Jubel unter. Hätten sie mal lieber richtig hingehört und Genscher ausreden lassen. Aber nein, man hat nicht mal 30 Jahre später was draus gelernt. Als es am 8. November im KuK hieß: „Ihr Protest hat Wirkung gezeigt“, hat offenbar auch niemand mehr richtig zugehört, was die Botschaft zum BOS-Funkturm im folgenden Nebensatz noch so offenbarte.

Faszinierend, was Worte bewirken können. Mit lediglich deren vier („Ihre Spareinlagen sind sicher!“) hat die Kanzlerin vor zehn Jahren die Finanzkrise in Deutschland beendet.

Eine Nummer kleiner und mit einem Wort mehr hat das jetzt auch in Markranstädt geklappt. Mit der Aussage „Ihr Protest hat Wirkung gezeigt“, ist der Widerstand in der Ranstädter Mark gegen den BOS-Funkturm befriedet worden.Vorläufig. Aber schön der Reihe nach.

Normalerweise interessiert sich jenseits des Zschampert keine Seele dafür, ob es in Markranstädt funkt oder wie die örtlichen Sicherheitsmilizen im Ernstfall miteinander kommunizieren. Nach Leipziger wie auch kursächsischem Meinungsbild galoppieren in Lallendorf berittene Herolde im Fackelschein durch die Nacht und beordern die lokalen Retter im Katastrophenfall per Dekret direkt aus der Taverne zum Einsatzort.

Nun aber hat es sich gefügt, dass sich in knapp einem Jahr die größten Nischel dieser Welt in Leipzig zur G20-Party treffen wollen. Mit anderen Worten: Die bislang nur auf das Gebiet der Leipziger Eisenbahnstraße beschränkte bedingungslose Kapitulation der öffentlichen Ordnung und Sicherheit wird sich dann voraussichtlich auf das gesamte Gebiet der Messerstadt Leipzig ausdehnen.

G 20 in der Messerstadt

Das kann, wie die bisherige Geschichte der G20-Veranstaltungsreihe zeigt, nicht verhindert werden. Umso wichtiger ist es, zumindest offiziell alles dafür zu tun, dass neben den zwanzig großen nicht auch ein paar kleinere Köpfe rollen.

Mithin ist die verzweifelte Planung allein dem Ziel gewidmet, hinterher nicht für den bereits in Kauf genommen Wiederaufbau Leipzigs eine Mitverantwortung tragen zu müssen. Das soll, wie in jeder anderen Gipfelstadt bisher auch, schließlich Sache des gastgebenden Volkes und seiner Trümmerfrauen sein.

Auf der Suche nach möglichen Schwachpunkten in den potenziellen Aufmarschgebieten der Rebellen ist man in den unzugänglichen Bergen Markranstädts plötzlich auf eine Versorgungslücke im Funkbetrieb gestoßen. Die existiert zwar schon immer, aber bisher ging es dort nur um die lächerlichen Belange von ein paar tausend Eingeborenen.

Jetzt allerdings bekommt das Funkloch Bedeutung, geht es doch darum, für die G20 im Herbst kommenden Jahres wenigstens die Minimalchance für einen erfolgreichen Ausbruch aus dem Leipziger Kessel zu wahren. Seither wird fieberhaft am Kapitel „Der Turmbau zu Markranstädt“ gearbeitet.

Um dem gemeinen Volk das Gefühl zu vermitteln, bei diesem Projekt mitgenommen zu werden, fand am 8. November im KuK eine Infoveranstaltung statt. Und … äh … ja … was soll man sagen?

Getreu dem Motto „Wort ist Waffe“ haben die angereisten Vertreter der öffentlichen Ordnung und Sicherheit so lange mit geladenen Sätzen rumgefuchtelt, bis sich sich versehentlich ein paar Salven gelöst hatten, die volley ins eigene Knie gingen.

Sicherheitslücken veröffentlicht

Um die Markranstädter davon zu überzeugen, wie wichtig die Schließung von bestehenden Sicherheitslücken ist, wurden eben diese zunächst einmal ausführlich beschrieben. Vergleichbar ist dieser Akt mit der Vorstellung, dass die Sparkasse die Bevölkerung per Aushang darüber informiert, dass jeden Mittwoch zwischen 22 und 24 Uhr ein Update der Alarmanlage erfolgt und der Tresor in dieser Zeit nicht gesichert ist.

So lasset uns beten, dass da im KuK nicht auch ein Schläfer anwesend war, der diese Einladung mit tiefer Dankbarkeit angenommen und an die Seinen weitergeleitet hat. Minarett statt Funkturm – da läge die Strahlkraft sicher auch ein paar Dezibel höher.

Die strategische Kontrolle

Darüber hinaus wurden auch rivalisierenden Fangruppen diverser Fußballvereine wichtige Hinweise gegeben, an welchen Orten in Markranstädt man sich gegenseitig am sichersten auflauern und ohne staatliches Eingreifen die Rippen brechen kann.

Die dahintersteckende Strategie ist klar: Indem man den paramilitärischen Einheiten auf diese Weise das Schlachtfeld zuweist, weiß man wenigstens, wo der Krieg stattfindet. Ist doch auch was. Wenn man mangels Funk-Kommunikation schon nicht eingreifen kann, muss man so zumindest nicht lange suchen, um aus sicherer Entfernung wenigstens die Video-Kameras in Stellung bringen zu können. So viel Kontrolle muss sein.

Gleichzeitig wurde mit dieser originellen Informationspolitik ein verdääächtig guter Job gemacht und der Druck auf die Widerständler des Funkturms erhöht. Gewollt oder nicht: Seit dem Abend des 8. November 2019 ist also öffentlich bekannt, wo Markranstädt verwundbar ist.

Fazit: Nie war der BOS-Funkturm wichtiger als heute und nie brauchten wir ihn schneller als jetzt. Wehe dem also, der den nächsten geplanten Standort auch wieder verhindern will. Vor diesem Hintergrund erhält auch der Nachsatz eine ganz andere Dimension, der im inneren Jubel über das „Ihr Protest hat Wirkung gezeigt“ seine eigene Wirkung wohl zumindest nicht ganz entfalten konnte.

„Wir werden ein neues Grundstück in der Nähe suchen“, ließ der für BOS-Funk zuständige Mitarbeiter des Innenministeriums verlauten. Nähe … dieser Begriff mit dem Dehnbarkeitsfaktor eines Einweckgummis wurde kaum wahrgenommen.

Sicher, beim Blick auf den Globus liegt sogar Tschernobyl in der Nähe und da dort sowieso schon alles verstrahlt ist, sind die Standortmerkmale geradezu optimal. Aber mit „in der Nähe“ wurde nicht einmal Borna gemeint und auch nicht Zwenkau oder wenigstens Kulkwitz.

In der Nähe, das ist in der Nähe des ursprünglichen Standorts, weil es nur dort Sinn macht. Es kann (und wird?) also durchaus und trotzdem noch in der Ranstädter Mark sein. Diese Botschaft allerdings schien sich im Sieb der Volkswahrnehmung verfangen zu haben. Es gab offenbar nur wenige Ohren, die das hören wollten. Umso mehr Augen werden es dann sehen, was mit Nähe gemeint ist.

Was schade und unnötig ist: Die Urheber dieser verfehlten Hoffnung werden zu diesem Zeitpunkt weit weg sein und der ganze Ärger droht dann wieder ins Rathaus und zum Stadtrat zu fließen. Nicht weil man dort etwas zu entscheiden oder zu verhindern hätte, sondern allein deshalb, weil der Standort des Rathauses eben auch in der Nähe ist.

 

3 Kommentare

    • Ein aufmerksamer Bürger auf 27. November 2019 bei 21:25
    • Antworten

    Eine perfekt inszenierte Show-Veranstaltung, um mit der Angst der Bürger den schädlichen BOS-Funkturm nahezu unverändert, doch durch zu setzen!!

    Ja, wer nun nach dem 08.11.19 im KUK geglaubt hat „die KUH wäre vom Eis“, der hat die Ausführungen des Staatsbetriebes SIB des Freistaates Sachsen und die Erklärungen der schwerbewaffneten Polizeibeamten des Polizeiverwaltungsamtes Dresden im Präsidiums der Veranstaltung nicht richtig verstanden oder hat nicht richtig zugehört!!! Deshalb ist auch der hilfreiche Beitrag der „Markranstädter Nachtschichten“ zur Milderung der furchtbaren Botschaft an uns Bürger satirisch toll verpackt und umrahmt worden, damit wir BETROFFENE m. E. den TRAURIGEN PUNKT DER WAHRHEIT, geschockt, aber besser verarbeiten können!!!!!? Denn aus allen Ausführungen er POLIZEI ging eindeutig hervor das zwar der ursprünglich geplante Standort des Funkturmes für den schädlichen TETRAFUNK verworfen wurde, ABER MAN ÜBER EINEN NEUEN STANDORT FÜR DIESEN SCHÄDLICHEN BOS-FUNKTURM N U R BEREIT IST NACH ZU DENKEN, WENN DIESER FUNKTURM N U R W E N I G E METER NEBEN DEM ALTEN STANDORT LIEGEN WIRD!!!! TOOOOOLLLLLLL !!!!!!!!!!
    So, ist m.E. DAS PROBLEM DER BÜRGER überhaupt nicht gelöst, sodass WIR ALLE in der RANSTÄDTER MARK und da meine ich nicht nur die Handvoll aktiver PROTAGONISTEN, über die „neue“ leider immer noch UNVERÄNDERTE SITUATION und damit mögliche notwendige zukünftige AKTIVITÄTEN/HANDLUNGEN/MASSNAHMEN/PROTESTE uns verständigen sollten oder müssen oder kommentarlos diese Situation so einfach hinnehmen!

    Ein aufmerksamer Bürger

      • jabadu auf 28. November 2019 bei 22:12
      • Antworten

      Es ist schon was dran, an dem was du sagst. Aber wie wollen wir denn die Probleme lösen. Jeder hält sich sein Mobiltelefon ans Ohr, will aber keinen Mast, jeder bestellt im Internet, will aber keinen Verkehr, jeder will Öko-Strom, will aber kein Windrad, jeder will Grün im Wohngebiet, aber betoniert seinen Garten, jeder will gerettet werden, bildet aber keine Rettungsgasse, jeder will, dass die Feuerwehr gerufen wird, will aber keinen Funkmast, und und und.
      Und nun – ich hab keine wahre Lösung. Möglich wäre der Mast sicher auf einem alten Truppenübungsplatz in Brandenburg. Nee, geht nicht. Da sind schon die Wölfe. Scheiß Idee.

      1. Das ist der Kommentar des Jahres, Jabadu! Kann man nicht besser formulieren.

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