Frühjahrsputz in der Flur: Feganer schnüren Kehrpakete

Am Sonntag sorgte in Markranstädt eine Aktion ganz besonderer Art für Aufsehen. Ohne staatlichen Aufruf, ohne gesellschaftlichen Anlass wie beispielsweise einen „Tag des Mülls“ und ohne pressewirksames Voranschreiten irgendwelcher Parteien oder Organisationen, rotteten sich rund 30 Eltern und Kinder zusammen, um die Markranstädter Flur von den Exkrementen unserer Zivilisation zu befreien. Einfach mal so! Da hätte man fast schon befürchten müssen, dass irgendwann die staatliche Ordnungsmacht auftaucht und diese illegale Säuberungsaktion unter dem Vorwurf der Selbstjustiz auflöst. Aber dem war nicht so. Statt dessen endete die Aktion mit beeindruckenden Ergebnissen.

Was wäre das anno 1990 für eine Schlagzeile im „Neuen Deutschland“ gewesen: „Die Wahrheit über die Wende: 30 Jahre nach dem Mauerfall werden ostdeutsche Kinder eine Woche vor Ostern enthusiastisch durchs Gebüsch kriechen, um Abfälle zu suchen!“

Zur wahren Wahrheit zählt allerdings auch, dass sie sogar Spaß dabei hatten. Insgesamt 15 Eltern und 15 Kinder waren am Sonntag an vier Einsatzstellen unterwegs, um die Grünstreifen an der B 186 und der B 87 sowie die Göhrenzer Seite und den Promenadenbereich des Kulkwitzer Sees von den Hinterlassenschaften ökologischer Querdenker zu befreien.

Weil sie bereits im September vergangenen Jahres eine ähnliche Aktion zelebriert hatten, waren die Jäger und Sammler diesmal auf das am Rande unserer Gesellschaft angehäufte Entsetzen zumindest mental besser vorbereitet. Damals wurden 17 blaue Säcke gefüllt und unter anderem Kettensäge, Staubsauger, Fahrräder oder Autoreifen und anderes Equipment aus den Büschen gezerrt.

Mitten im Outdoor-Outlet

Ähnlich sah das Ergebnis am Sonntag aus. „Die Highlights reichten diesmal vom Auto-Kotflügel, Autobatterien, Reifen und ganzen Rädern über ein fast komplettes Bad mit Wasch- und Klobecken sowie Spiegelschrank bis hin zu Wäschekörben und Kinderwagen“, erzählt die Göhrenzerin Monique Roth, eine der Initiatorinnen der Aktion.

... und das ist nur eine der Müllsammelstellen, die am Sonntag angelegt wurden.

Da ist ganz schön was zusammengekommen an Exkrementen unserer Gesellschaft. Und das ist nur eine der Müllsammelstellen, die am Sonntag angelegt wurden.

An den vereinbarten Sammelpunkten stapelten sich darüber hinaus 16 prall gefüllte Müllsäcke. Die Ablageorte wurden fotografiert und mit den Standortdaten an die Stadtverwaltung gemeldet, damit diese für den Abtransport sorgen kann.

Allerdings kann gerade hierbei so manche Tücke lauern. Ähnlich wie bei der Kleinstaaterei mit den Corona-Maßnahmen, sind nämlich auch hier Grenzen zu beachten. Genauer gesagt: Stadtgrenzen. So wurde im letzten Jahr einer der Sammelpunkte ein paar Meter hinter der unsichtbaren Demarkationslinie auf dem Staatsgebiet der Messestadt angelegt.

Zwar immer noch im Schengen-Raum gelegen, endet dort jedoch die Entsorgungshoheit der Stadt Markranstädt. „Wir wurden darauf hingewiesen, die Sammelpunkte auf Markranstädter Terrain anzulegen“, sagt Monique Roth.

Besser so an der frischen Luft als an der Konsole im Corona-Blues deprvieren.

Besser so an der frischen Luft als an der Konsole zu Hause im Corona-Blues deprvieren.

Vor diesem Hintergrund wurde das Umwelt-Engagement am Sonntag territorial angepasst. Eigentlich wollte man auch das gesamte Nordufer des Kulki bis hin zur Wasserskianlage bereinigen. Allerdings hätte man die dabei aufgegriffenen Abfälle ins Markranstädter Hoheitsgebiet schleppen müssen. Das geht nicht nur zu weit, sondern wäre von sendungsbewussten Rechtsgelehrten möglicherweise auch als illegaler Müllimport interpretiert worden. Heutzutage muss man ja mit allem rechnen.

Wie Ostern, nur mit Müll

Wer am Sonntag mit dabei war oder zumindest Zeuge dieses Treibens wurde, konnte feststellen, dass die Gene der Jäger und Sammler unseren Körpern noch innewohnen. Vor allem die Kids waren mit einer so überzeugenden Begeisterung dabei, als ginge es um die Suche nach Ostereiern. Und ganz nebenbei wurden damit auch pädagogische Ziele erfüllt.

„Meine Kinder würden niemals etwas in die Natur werfen“, ist Monique Roth überzeugt. Sogar im Urlaub führt sie ihre Kinder spielerisch an das Thema heran. „Jeder sammelt am Tag mindestens drei Teile und wirft sie in den Müll“, hat sie als Zielstellung herausgegeben.

Der Wettbewerbsgedanke unter den Kindern sorgt dann oft schon nach den ersten Metern des Spaziergangs für die Erfüllung der Tagesaufgabe.

Angestachelt wurde die junge Mutter einst durch ihr eigenes Müllaufkommen. Zehn Eimer Plastikmüll à 35 Liter kamen pro Monat in ihrem Haushalt zusammen. Innerhalb eines Jahres ist es ihr gelungen, diese Menge auf vier Eimer zu reduzieren.

Der Osterhase hatte sogar KfZ-Ersatzteile versteckt.

Der Osterhase hatte sogar KfZ-Ersatzteile versteckt. An die Inhalte entsorgter Campingtoiletten auf dem Parkplatz hat sich zum Glück niemand gewagt.

Wenn man das kontinuierlich betreibt, schärft das den Blick für dieses Thema. Bald schon hatte Monique Roth ihre ganze Familie angesteckt und weil junge Muttis heute gut vernetzt sind, griff das Virus über WhatsApp-Gruppen und Gespräche bei gemeinsamen Spaziergängen bald auch auf den gesamten Freundes- und Bekanntenkreis über.

So kam es im September letzten Jahres bereits zu einer ersten gemeinsamen Aktion der jungen Eltern, inspiriert vom internationalen „Clean up Day“ [dtsch: Gliehn ub Tee]. Da waren sozusagen aus dem Stand bereits 25 Teilnehmer aktiv dabei.

Mülleimer und Aufklärung

Nach der nunmehr zweiten Aktion haben die Macher inzwischen auch einen konkreten Überblick und wissen, was die Lage auf dem Müllsektor entspannen könnte: „Es sollten mehr Papierkörbe aufgestellt werden. Gerade der Göhrenzer Parkplatz hat keinen einzigen Mülleimer“, weiß Monique Roth und wünscht sich: „Es sollte mehr Öffentlichkeitsarbeit stattfinden zum Thema Müll und Entsorgung.“

Gerade in Markranstädt seien wir mit dem Wertstoffhof oder Entsogungsunternehmen wie Metcera in der Edisonstraße gut bedient, ist Roth überzeugt. Darauf sollte, ebenso wie beispielsweise auf den Tourenplan des Schadstoffmobils, im städtischen Organ „Markranstädt informativ“ wirksamer hingewiesen werden.

 

4 Kommentare

Zum Kommentar-Formular springen

    • Bürger auf 30. März 2021 bei 12:57
    • Antworten

    Man könnte da auch die Gerichte ansprechen, bezüglich Sozialstunden, da hat man dann zumindest die z.T. wahrscheinlichen „Verursacher“ aufmerksam gemacht. Dass Kinder den Gummi der Größeren auflesen ist nicht ganz dass, was ich ok finde.
    Erziehen, Müll richtig zu entsorgen, kann man auch anders.
    Aber schön, dass ihr berichtet.

      • Doppelrömer auf 30. März 2021 bei 17:13
      • Antworten

      …Nörgler…

    1. Stimmt. Wir haben’s früher ohne Gummi gemacht und wenn doch, dann haben wir ihn auch selbst entsorgt.

    • Tilo Lehmann auf 30. März 2021 bei 8:04
    • Antworten

    Heimliche Helden des Alltags! DANKE an Alle! Den offiziellen Wegwerfern aber: Lernt! MN zeigt wieder mal was uns wichtig ist.

Schreibe einen Kommentar

Deine Email-Adresse wird nicht veröffentlicht.

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.