Gartenabfälle für alle – gelebte Integration in Markranstädt

Die Preisschraube bohrt inzwischen auch in den einst für ihren Reichtum bekannten Markranstädter Stadtvierteln dicke Löcher in die Geldbörsen. Die Folge: In den weißen Wohnwürfeln der Känguru-Siedlungen (nichts im Beutel, aber große Sprünge) hat der Überlebenskampf begonnen. Der wird aus geostrategischen Gründen allerdings nicht auf den eigenen Grundstücken ausgetragen, sondern – ähnlich wie die Kampfhandlungen zu Silvester – in annektierte Krisengebiete outgesourct.

Mit 230 Euro pro Quadratmeter sind die Grundstücke am Westufer inzwischen genauso teuer wie die darauf errichteten Häuser.

Deshalb sind manche Parzellen ziemlich eng bemessen. Da passt ein Häuschen drauf, vielleicht noch ein Carport und ein Trampolin für den Stammhalter, sofern man sich nicht schon von vornherein auf einen Hund verständigt hat.

Trafo-Haus mit Benz

Darüber hinaus hat so mancher Bauherr (unter dem Einfluss so mancher Baudame) auch beim Häuslebau den Gürtel enger geschnallt. Nicht selten wurde auf Billig-Entwürfe zurückgegriffen, deren Architektursprache den Transformatorenhäuschen aus DDR-Zeiten entlehnt ist. Die individuelle Vielfalt ergibt sich aus der Himmelsrichtung, nach der die zu Schießscharten verkümmerten Fenster ausgerichtet sind.

Das Ensemble aus Grundstück und Haus kommt dann schnell mal auf über eine halbe Million Euro, deren abzustotternde Raten bislang hauteng in den familiären Haushaltsplan passten. Bislang. Jetzt wird alles teurer und mit kalt duschen allein sind die Raten nicht mehr zu stemmen.

Kein Platz für Grün(schnitt)

Es wird gespart an allen Ecken. Weil man schon beim Grundstückskauf die drei Quadratmeter (690 Euro) für einen Komposthaufen gespart hat und man sich die 2,50 Euro für die Entsorgung des Grünschnitts bei der LAV nicht mehr vom Munde absparen kann, haben Westkulki-Anwohner jetzt praktisch eine Staatsanleihe genommen.

Wie einst die Banken, setzen auch die Känguru-Siedler nun auf Privatisierung der Gewinne bei Sozialisierung der Verluste. Der Grünschnitt wird zu dunkler Stunde einfach an den Zaun vor der Meri-Sauna gekippt und fertig ist der Lack.

Wenn man am nächsten Tag beim Nordic-Walking dann noch kopfschüttelnd an der bürgerlichen Kompostanlage vorbei läuft und sich gemeinsam mit seinen Mitwanderern über dieses asoziale Verhalten einiger Ewiggestriger aufregt, ist man auf der sicheren Seite. Kann ja jeder gewesen sein.

Was die Kompostfreunde allerdings nicht bedacht haben, ist die Intelligenz ihrer Nachbarn. Einige von denen haben die Krise nämlich kommen sehen und – als sie noch welchen hatten – vorsorglich romantische Schottergärten anlegen lassen.

Die Vorteile liegen auf der Hand. Zwischen den Grauwacke-Klumpen finden seltene, den begehrten Steinhonig produzierende Metallbienen Unterschlupf; sinnlose Geburtstagsgeschenke der Schwiegereltern lassen sich als Obsolet-Keramik ähnlich antiker Amphoren optisch wirkungsvoll auf dem Schotter drapieren und jetzt der Clou: Bei der Gartenpflege mit Glyphosat und Kärcher fällt kein Grünschnitt an.

Selbst der alte Sherlock Holmes könnte nach einem Blick über die Seesiedlung den Täterkreis innerhalb nur weniger Sekunden auf eine handvoll entsorgungssparsamer Grundstücksbesitzer einschränken. In diesem Fall lautet die Lösung nicht „folge dem Geld“, sondern „folge dem Grün“. Das kann schließlich nur aus einem Grundstück stammen, in dem solches auch gedeiht.

Diese Form gelebter Solidarität kennen die konservativen Ureinwohner Markranstädts noch nicht: Einfach auf öffentlichen Flächen entsorgen und alle bezahlen lassen.

So nimmt man alle Bürger mit ins Boot: Einfach auf öffentlichen Flächen entsorgen und alle bezahlen lassen.

Es ist ein Hilfeschrei der betreffenden Anwohner. Weil deren Integration ins gesellschaftliche Leben der Stadt Markranstädt oft noch stagniert, haben sie jetzt die Initiative ergriffen.

Zusammenrücken für alle

Indem sie ihren Grünschnitt auf öffentlichen Flächen ablagern und die Entsorgung deshalb von allen Markranstädtern bezahlt wird, können diese dann auch den dicken Nobelkarossen samt Zweitwagen unter den Carports der Siedlung etwas abgewinnen.

„Guck mal, den haben wir mit bezahlt“, kann der Papa dann voller Stolz beim Spaziergang seiner Tochter mitteilen. So rücken Alt- und Neubürger zusammen. Gelebte Integration – man muss halt nur immer mal die Augen zudrücken.

2 Kommentare

    • Doppelrömer auf 19. September 2022 bei 11:08
    • Antworten

    Oh Ego Ego- Du bist nicht schön,
    wir Alle können diese Kackbraun-Grüne- und Schotter Schei… nicht mehr sehn!
    Diese häßlichen Viereck-Wohngaragen gewinnen wahrlich nicht mit Feng-Shui drapierten Vorzaunablagerungen, auch nicht vor fremden Grundstücken. Da meidet man auch menschliche Kontakte mit Sowas…

    1. Wir werden nicht umhin kommen. Spätestens wenn die Deutsche Post und die Telekom den Bio-Versand für sich entdecken, haben wir überall Kom-Post.

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