Markranstädt steht seit voriger Woche im Fokus von Verschwörungstheoretikern und UFO-Forschern. Der Grund: Im Stadtpark sind 17 geheimnisvolle Zeichen aufgetaucht. Besorgte Bürger vermuteten hinter den mysteriösen Zahlen an den Bäumen zunächst das Bauamt, das mit einer Art ökologischem Vernichtungskataster quasi die Vorbereitungen zur Baufeldfreimachung für die neue Kita hätte betreiben können. Doch statt eines Bekennerschreibens kam nun aus dem Fachbereich III ein klares Dementi. Seither überschlagen sich die Gerüchte über den Ursprung der geheimnisvollen Zahlen.
Üblicherweise sollen Schmierereien im öffentlichen Raum ja grundsätzlich von zugekifften Jugendlichen stammen. Das jedoch kann in diesem Fall aus zwei Gründen ausgeschlossen werden.
Erstens leben die heutigen Teens in einer digitalen Welt und kennen daher nur die Zahlen 0 und 1. Das kann man übrigens auch bei Erwachsenen feststellen, da es beim Parshippen im Keller auch nur Nullen gibt und bestenfalls alle elf Minuten mal eine Eins. Zweitens lässt der an den Bäumen angemalte Zeichensatz sowohl einen gewissen ästhetischen Anspruch erkennen als auch mathematisches Grundwissen im unteren zweistelligen Zahlenraum.
Alibi für „Schääämie!“
Beides lässt die Gruppe der üblichen Verdächtigen bei anderen Schmierereien jedoch konsequent vermissen. Da reicht es meist nur für maximal 5 Zeichen, die aus der Folge „BSG 64“ oder bestenfalls mal derer sechs für „Chemie“ bestehen. Letztere verfügt zudem über keinerlei Bezug zur gleichnamigen oder irgendeiner anderen Naturwissenschaft.
Mysteriöses Selfie aus dem All
Bei der Suche nach Hintergründen und Ursachen tauchte am Wochenende ein geheimes Satellitenfoto der NASA auf. Es wurde mit einem hochauflösenden Smartphone aus 143 Kilometern Höhe aufgenommen und hat nicht nur die Wissenschaftler in Houston elektrisiert. Die kannten bislang nur die geheimnisumwitterte Area 51, in der die UFO-Besatzung von Roswell ihr Raumschiff geparkt haben soll.
Jetzt aber haben die Aliens angeblich zurückgeschlagen und in Markranstädt ihre eigene Airbase markiert. Es ist deutlich zu sehen, wie sich das Laub der Bäume in diesem Bereich hell verfärbt hat und den Schriftzug AREA 52 erkennen lässt.
Es gibt aber noch eine dritte Möglichkeit. Auf die kommt man allerdings erst am Ende einer langweiligen Redaktionsbesprechung, in deren Verlauf ein ordentlicher Dübel rumgereicht wurde und literweise Prosecco, Bier und andere analoge Betäubungsmittel flossen.
Kann man nicht nüchtern betrachten
In der Parallelwelt geistiger Erweiterung angekommen, stellt sich die Frage, ob da nicht jemand eine geheimnisvolle Botschaft hinterlassen hat? Das kennen wir zuhauf aus der Geschichte.
Verschlüsselte Nachrichten haben schon die Pharaonen genutzt, über ein Kryptex wie in „Das Sakrileg“ verfügten ganze Generationen von Päpsten und die Chiffriermaschine Enigma hat zumindest kurzfristig dafür gesorgt, dass britische Aufklärer ebenso ratlos vor den Korrespondenzen unserer U-Boot-Flotte standen, wie manch heutige Hauptschulabbrecher vor Lessings „Nathan der Weise“.
Natürlich haben sich die mit gefährlichem Halbwissen in allen Disziplinen der Wissenschaft gefüllten Hirne innerhalb der Markranstädter Nachtschichten auch über alle anderen alternativen Lösungsmöglichkeiten Gedanken gemacht.
So haben wir in einer Nacht- und Nebelaktion (man will sich ja nicht bei Tageslicht lächerlich machen), alle betreffenden Bäume gemäß Malen nach Zahlen untereinander mit Stricken verbunden. Da kam am Ende ein Affe heraus und das haben wir als Ergebnis unserer Bemühungen keinesfalls gelten lassen wollen. Es musste einen anderen Weg geben.
Nehmen wir also die Zahlen von 1 bis 17 und betrachten uns diese näher. Dass darin der Zahlenraum von 1 bis 6 enthalten ist, der in der Schule zur Benotung von Leistungen Anwendung findet, ist sicher zu vernachlässigen.
Bleiben wir aber dennoch in der Schule und erinnern uns, wie wir einst Botschaften auf dem Weg zu unseren Mitschülern zwei Reihen weiter vorn codierten. Das ging ganz einfach. Jede Zahl war ein Buchstabe. Die 1 stand für das A, die 26 für ein Z. Für manche Kommilitonen war zwar auch das nicht zu knacken, aber der Code hat sich durchgesetzt.
Da kämen wir also im Fall des Stadtparks bei der Zahlenfolge 1 bis 17 auf die Buchstaben A bis Q in unserem Alphabet. Jetzt muss man diese Buchstaben nur noch in die chronologische Ordnung bringen, in der die Bäume einst gepflanzt wurden.
Und weil das noch keinen endgültigen Sinn ergibt, bietet sich an, die Folge nach der kryptischen Caesar-Verschiebung neu zu sortieren und mit dem Alter des damaligen Stadtförsters zu multiplizieren. Und siehe da, jetzt erscheint die Buchstabenfolge STADTPARKSCRABBLE.
Dass die Reste eines solchen Outdoor-Games, das die gestandenen Hans-Beimler-Wettkämpfer unter uns noch als „Geländespiel“ kennen, sogar für kommunalpolitische Fragestellungen sorgen und den öffentlichen Dienst aus dem Büroschlaf reißen können, ist jedoch eine völlig neue Erfahrung.
Bislang haben bestenfalls handgemalte Spruchbänder rund um historische Ratsgüter eine solch eindrucksvolle Wirkung zu entfalten vermocht. Damals gab es übrigens auch mannigfaltige Interpretationsversuche zu Inhalt und Aussage des Textes. Den Versuch, die Buchstaben in Zahlen umzuwandeln, hatte seinerzeit allerdings niemand unternommen. Wahrscheinlich wären da eh nur Nullen rausgekommen.
Und wir dachten wirklich schon fast, da wäre E.T. am Werk gewesen.
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