Gepflogenheiten kommen auf den Prüfstand

Was’n Start! Ihren Amtsantritt hatte Nadine Stitterich bei der Kommunalaufsicht für den frühest möglichen Termin angemeldet: den 21. November. Das war der gestrige Samstag und somit hatte sie auch gleich ihren ersten freien Tag als Bürgermeisterin. Das heißt, so ganz frei war er dann doch nicht. Da waren noch ein paar Fragen an neugierige Satiriker zu beantworten…

Da wir offiziell noch nicht die Gelegenheit dazu hatten, erst mal herzlichen Glückwunsch zur Wahl und gleich eine Frage dazu: Gibts im Hause Stitterich noch einen Blumenstrauß, der sich bis heute gehalten hat oder waren das alles kurzlebige Gebinde aus der Tankstelle?

Ich habe viele schöne Blumensträuße erhalten. Daher möchte ich mich an dieser Stelle noch einmal recht herzlich für die vielen Glückwünsche bedanken. Dank meiner guten Pflege als Blumenflüsterin haben diese auch recht lang gehalten. Besondere Exemplare werden von mir handgetrocknet. Mein Mann sagte im Übrigen, dass der schönste Blumenstrauß in unserer Familie die Bürgermeisterin selbst ist.

Über welchen Glückwunsch haben Sie sich am meisten gefreut?

Ich habe mich über alle Glückwünsche gleichermaßen gefreut.

Neue im Amt kriegen pauschal immer 100 Tage Welpenschutz. Brauchen Sie die überhaupt oder wollen Sie vielleicht sogar mehr, sozusagen einen Frauenbonus?

Brauche ich denn einen Welpenschutz? Mir reicht die Gelegenheit zur Einarbeitung und der gegenseitig wertschätzende Umgang miteinander, damit eine gute und vertrauensvolle Zusammenarbeit mit allen möglich ist.

Sie sind im Wahlkampf unter anderem von den Grünen unterstützt worden und hatten auch viele Umwelt-Themen im Programm. Womit fahren Sie täglich von Frankenheim zum Rathaus und zurück, grade in der kalten Jahreszeit?

Wer mich kennt weiß, dass ich genauso zur Arbeit fahre wie bisher auch. Falls ich jetzt auf die Idee kommen würde meine Kinder mit dem Fahrrad auf die verschiedenen Einrichtungen zu verteilen, würden diese gerade in der kalten Jahreszeit wenig begeistert sein.

Sie haben ja jetzt im Rathaus die Hosen an. Schlägt sich das auch in der Kleidung nieder? Oder anders gefragt:

Haben Sie auch Röcke im Kleiderschrank oder geht’s nur stilecht maskulin und in Nadelstreifen ans Werk?

Egal ob kurz oder lang, Hose oder Rock,… Hauptsache die Frisur sitzt. 😉

Die letzte Frau im Amt hat ihre Mitarbeiterinnen zur Typ-Beratung geschickt und schließlich sogar einen Dresscode ausgerufen, der nicht mal vorm Schuhwerk Halt gemacht hat. Haben Sie auch sowas vor?

Ich wurde nicht ins Bürgermeisteramt gewählt, um eine Typberatung durchzuführen, sondern um Markranstädt erfolgreich weiterzuentwickeln. Darauf freue ich mich. Ich gehe auch davon aus, dass alle Mitarbeiter in der Lage sind, selbst über den eigenen Dresscode zu entscheiden.

Würden Sie da satirische Beratung annehmen? Wir fänden High-Heels gut, allerdings für die Männer. Vom Spaß mal ganz abgesehen, könnte Ihnen der Umerziehungseffekt vor allem bei den an Stiefel und Gleichschritt gewöhnten Kadern vielleicht sogar einige unangenehme Personalentscheidungen ersparen?

Die Idee klingt verlockend, allerdings stelle ich mir die autoritäre Wirkung im Job schwierig vor.

Apropos Personal: In Ihrem ersten Interview gleich nach der Wahl hatten Sie angekündigt, sich zuerst mit den Fraktionsspitzen zusammenzusetzen. Kenner der Szene hätten eher gedacht, dass Sie angesichts der Erwartungen, die mit Ihrer Wahl verknüpft sind, den Personalrat ins Hilton einladen und ihn bei Champagner, Austern und Trüffel auf die kommenden Aufgaben einschwören…

Ich kann mir gerade nicht erklären, warum genau das von mir erwartet werden sollte. Abgesehen davon, dass es mir bis Dresden zu weit ist und ich eher regionale Lokalitäten und Köstlichkeiten bevorzuge, überzeuge ich meine Mitstreiter ausschließlich mit Sachargumenten.

Wird es unter Nadine Stitterich auch einen Neujahrsempfang geben?

Selbstverständlich wird es unter Nadine Stitterich einen Neujahrsempfang geben. Ob das unter Coronabedingungen allerdings auch 2021 möglich sein wird, wird sich zeigen.

Sie müssen bald erstmals eine Stadtratssitzung leiten. Haben Sie sich mit den Gepflogenheiten schon vertraut gemacht? Also dass in den Tagen zuvor beispielsweise immer eine Tasse Kaffee warm steht, wenn Besuch aus der Praxis nebenan kommt.

Mit den Gepflogenheiten bin ich selbstverständlich vertraut. Jedoch werden diese nicht einfach ungeprüft übernommen.

Da kommt ein Vollzeit-Job auf Sie zu, der auch für die Familie einer wird. Dass Ihr Mann kochen kann, hatten Sie ja bereits im Wahlinterview erwähnt. Jetzt aber wird’s ernst: Sie müssen das nun auch essen, was er Ihnen vorsetzt. Geht er da auf Ihre Wünsche ein oder müssen Sie runterschlucken, was er Ihnen willkürlich zumutet? Weiß er eigentlich vorher schon, was da am Ende so rauskommt am Herd?

Mein Mann war bei dieser Frage schon etwas beleidigt. Er sagt, dass Sie zukünftig seine Kreationen essen müssen, wenn Sie nochmal so eine Frage stellen. 🙂 Für mich kann ich sagen: Ich liebe es, wenn mein Mann kocht und die Kinder im Übrigen auch.

Gibt es da auch was, das er Ihnen gar nicht erst vorzusetzen braucht? Was steht auf Ihrer Ekel-Liste ganz oben und was essen sie dagegen am liebsten?

Was meine Ekelgrenze ganz schnell übersteigt, sind „Tote Oma“ und „Flecke“. Das setzt mir mein Mann niemals vor, weil er dann weiß, dass dann meine kleine Rache schnell naht. Kleine Sünden meinerseits sind Trüffelpralinen und Gummibärchen.

Sie haben ja jetzt auch ungeahnte Möglichkeiten. Zum Beispiel könnten Sie sich Ihre Termine so legen, dass Sie zu Hause ums Fensterputzen rumkommen. Muss das dann auch Ihr Mann machen?

Neben seinem eigenen Job mit ca. 80 Stunden Wochenarbeitszeit, den Job als Koch zu Hause, der Kinderbetreuung, u.v.m…. war es sein größter Wunsch, nun auch noch die Fenster zu übernehmen.

Es ist anzunehmen, dass in den kommenden sieben Jahren auch die Zeit für Hobbys knapp wird. Was machen Sie in Ihrer Freizeit am liebsten, was würden Sie noch lieber tun, wenn Sie die Zeit dazu hätten und was werden Sie am meisten vermissen?

Neben Rennrad- und Motorradfahren gehören Kochen und Backen zu meinen Hobbys. Da wir uns sportlich betätigen und Essen ein Grundbedürfnis ist, werden mir diese Hobbys auch erhalten bleiben.

Zum Schluss wie üblich noch eine Frage in eigener Sache. Ihr Amtsvorgänger konnte sich, ebenso wie die meisten anderen Würdenträger, immer darauf berufen, dass er von gewissen Vorgängen in der Stadt nichts wusste. Das funktioniert allerdings nur, wenn man glaubhaft darlegen kann, dass man die Markranstädter Nachtschichten nicht liest. Sie haben sich allerdings schon vor Haft-Antritt im Rathaus als Leserin geoutet. Wie werden Sie reagieren, wenn´s dann mal heißt: „Aber das stand doch in den Nachtschichten“?

Meine Ausrede wäre dann die, dass ich so mit meinen Hobbys beschäftigt war, dass ich noch keine Zeit hatte die neuesten Nachrichten zu studieren.

 

10 Kommentare

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    • Bernd Hollwitz auf 26. November 2020 bei 16:32
    • Antworten

    Die erwähnte 100-Tage-Welpenschutz-Zeitperiode hat nun begonnen!
    Ich bin schon ganz gespannt auf den nächsten Bericht aus dem Stadtparlament.

    1. Kaum ist der eine ruhig geworden, der bei Spiske die Tage runtergezählt hat, steht der Nächste auf beginnt einen neuen Countdown, oder wie?

    • Der Seebenischer auf 23. November 2020 bei 12:42
    • Antworten

    Sex sells, liebe MN, gut erkannt.
    Ihr seid eben schon immer auf der Höhe der Zeit.
    Entstanden ist hier ein sympathisches MN-OGRAMM, lesenswert und informativ.

    Chapeau!

    1. Die drohende #metoo-Anzeige leiten wir volley an Sie weiter, Sie Sexist!

    • Tilo Lehmann auf 22. November 2020 bei 16:36
    • Antworten

    Hübsch und Interessant- Markranstädt kann sich auf gute Interessen- und Vertretung vom neuen hübschen BM-Gesicht und alten interessanten Satire- Schreiberlingen einstellen lese ich heraus. Wir brauchen keine alten warmgehaltenen Kaffeetassen und autoritäre Bürokratie- Hochhack-Schuhträger. Wir Bürger brauchen vernünftige, zeitnahe und intelligente Sachentscheidungen. Die schnellen Umsetzungen haben die im Bürgerauftrag Dienenden in der kommunalen Verwaltung zu erledigen. Dafür gibt’s Steuergeld als Gehalt von uns Bürgern. Auf geht’s…

    1. Wobei … der Kaffee dort ist wirklich nicht zu verachten. Und das kann n icht nur an der Maschine liegen. Man muss auch damit umgehen können. Unser Vorschlag für den Ehrenamtspreis beim Neujahrsempfang: Frau Schoppa.

    • Mario Schneider auf 22. November 2020 bei 11:24
    • Antworten

    Die Nachtschichten wieder einmal klasse vorneweg, die neue Verantwortliche nah an den Bürger zu bringen. Wunderbar!

    1. Mit dem „vorneweg“ haben wir nur aus der Not eine Tugend gemacht. Um sich hinter ihr verstecken zu können, brauchts noch ein paar Tüten Gummibären und Trüffelpralinen.

    • Eddi Konstantin auf 22. November 2020 bei 9:30
    • Antworten

    wäre richtig schön, wenn das alte Sprichwort „Neue Besen kehren gut“ sich auch hier erfüllend, zutreffen würde! Die guten Fragen und – Antworten im Nachtschicht Interview lassen es vermuten!

    1. Das mit dem gut kehren hoffen wir doch alle, oder? Obwohl die Alternative (fliegen) auch was hat …

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