So stehn die Gauchos: Götze im Angriff, Spiske im Schach?

Es bleibt dabei: Kein Wort zur Stadtratssitzung und zum Kita-Beschluss auf dieser Seite. Grundsätzlich. Eigentlich. Doch das Donnergrollen, das seit gestern zu hören ist, scheint sich zu einem ausgewachsenen Tsunami zu entwickeln und bereitet Sorgen. Das kann man nicht einfach so ignorieren. Und wem die folgenden Zeilen so in den Augen klingeln, als würden wir eine Lanze für den Bürgermeister brechen wollen: Ja – in diesem Fall tun wir das. Aber nicht wegen des Kita-Standorts, sondern aus anderen Gründen. Nennen wir sie: Demokratie. Man kanns auch als Naivität bezeichnen.

In Markranstädt gilt die Devise: Wer nicht für mich ist, ist gegen mich. Demzufolge gibt es auch keine Position dazwischen. Das wird sich wohl auch nicht so bald ändern. Um diese Tragik zu verstehen, kann man durchaus mal einen Vergleich zum Sport ziehen. Wenn der Verteidiger des SSV Markranstädt ein Eigentor schießt und es am Ende 0:1 heißt, wer hat dann verloren: der SSV oder der Verteidiger?

Nun, im sportlichen Markranstädt sitzt am Ende das Team in der Kabine und trauert gemeinsam um das verlorene Heimspiel. Im politischen Markranstädt hat in erster Linie der Verteidiger versagt. Und selbst wenn es kein Eigentor war, wird jemand gefunden, der es geschossen hat. Notfalls der Trainer.

Spielsystem ohne Libero

Als man sich noch eines wahrhaften Rastelli in den eigenen Reihen sicher war, wurden die 1. Beigeordnete oder der CDU-Fraktionschef als Elfmeterschützen auf den eigenen Kasten aufgestellt. Kaum aber hat man wahrgenommen, dass es dem Rastelli (zumindest in diesem Spiel) wirklich nur um Fußball geht und ihm das Trikot scheißegal ist, schon wird auch er für den Transfermarkt freigegeben. Kirschner, Lehmann, Spiske: nach linkem Vernehmen ablösefrei zu haben.

So jedenfalls stellt es sich dem Außenstehenden dar, der mit Politik nichts am Hut hat und nur alle paar Jahre mal wählen – äh, sorry – ins Stadion am Bad geht und ein gutes, leidenschaftliches Spiel zweier Mannschaften sehen will, bei dessen Ausgang er ein gutes Gefühl mit nach Hause nimmt.

Nun ist Markranstädts J.R. weder ein etatmäßiger Verteidiger, noch ein routinierter Stürmer. Im Gegenteil: Missgünstige Fanclubs unterstellten ihm bislang nicht nur mangelnde Fitness und mitunter auch gewisse Antrittsschwächen, sondern auch viel zu wenig Ballkontakte. Dass er ausgerechnet bei seiner vermeintlich ersten Ballberührung getroffen haben soll?

Sägeblatt mit 23 Zähnen

Zurück ins wahre Leben: Es saßen 23 Stimmberechtigte im Saal, von denen 12 für den Kita-Standort am Bad gestimmt haben. Also – um bei der Terminologie der gegnerischen Fanclubs zu bleiben – gab es zwölf Schüsse, die im Tor landeten. Welcher der zwölf war der entscheidende Treffer? Oder anders gefragt: Wenn sich jemand mit dem Hintern auf eine Kreissäge setzt, welcher Zahn des Sägeblatts hat den Allerwertesten zuerst aufgerissen?

Nein, wirklich: In Markranstädt diskutieren an diesem Wochenende wirklich Leute über diesen einen Zahn am Sägeblatt! Dabei wäre der Begriff „Feigenblatt“ eher angebracht, da es sich angeblich nur um das Beste für unsere Kinder handeln solle. Das Blatt ist dabei längst schon verwelkt, weil in zahlreichen Diskussionen quasi zugegeben wird, dass es sich um eine politische Entscheidung handelt und nicht um eine für die Kinder. Es geht nur darum, wer „für die CDU“ und wer „für die Allianz“ gestimmt habe.

Dem Bürgermeister wird demnach das Recht abgesprochen, von seiner Pflicht (Stimmabgabe nach bestem Wissen und Gewissen) Gebrauch machen zu dürfen, sondern er hat „für die CDU“ gestimmt.

Er ist jetzt ein CDU-Freund, der Freie Wähler. So einfach ist das in Markranstädt. Dass er durchaus auch sachliche Gründe in dieser Sachentscheidung haben darf, wird da ebenso konsequent unterschlagen wie die Tatsache, dass er als Bürgermeister überparteilich handeln und entscheiden sollte und vor allem das Zugeständnis an seine Fehlbarkeit, die er ebenso haben darf, wie jeder Mensch.

Damit eine solche individuelle Fehlbarkeit nicht zu einem Fiasko für die gesamte Gesellschaft führt, haben wir die Gesellschaftsform einer Demokratie, in der über solche Fragen mehrheitlich abgestimmt wird. Wir alle haben uns, um mit den Worten von Mario Adorf zu sprechen, für einen Scheißhaufen entschieden: Millionen Fliegen können nicht irren. Heißt auf deutsch: Die Mehrheit entscheidet!

Das hat sie nun, legitimiert durch ihre Volksvertreter,  getan. Insofern sind Aussagen wie die, dass am Westufer nun „Dank Bürgermeister“ keine Kita gebaut wird, schlichtweg katastrophal. Argentinien hat das WM-Finale im letzten Sommer auch nicht „Dank Mario Götze“ verloren, sondern Deutschland hat es Dank des Willens jedes einzelnen Akteurs gewonnen. Jeder einzelne Spieler war davon überzeugt, dass es gut ist, wenn der den goldenen FIFA-Eumel mit nach Germanien schleppt. Die Argentinier mögen ebenso von sich überzeugt gewesen sein, aber niemand von denen hat hinterher Götze die Schuld in die Schuhe geschoben. Das ist eben der Unterschied zwischen Sport und Politik oder besser, zwischen Argentinien und Markranstädt.

 

4 Kommentare

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  1. Der Zirkusdirektor gab keine Kindervorstellung. Es war nur kindisch.

    • Hans-Juergen Berg auf 7. März 2015 bei 23:03
    • Antworten

    Tja, wo liegt des Pudels Kern? Es war eine politische Entscheidung, die politisch gewertet und auch politisch ausgeschlachtet wird. Man muss sie als solche nicht akzeptieren. Man kann sie eventuell tolerieren. Deswegen wäre mir ganz persönlich eine Sachentscheidung lieber gewesen. Zur Sache hat aber der Bürgermeister nichts beigetragen. Er hatte sich ja frühzeitig politisch festgelegt, dass er den Elfer rechts unten versenken will. Bis heute hat er nix dazu verlautbaren lassen, warum er die Kita am See nicht haben will. Millionen Fliegen können nicht irren. 321 von 378 Bürger auch nicht, die eine Kita am See haben wollten. Solange in Markranstädt nur politische Entscheidungen nach parlamentarischen Mehrheitsprinzip gefällt werden und keine vernünftigen Sachentscheidungen mit dem Bürgern, wird es ewig diese Diskrepanzen geben und die Stadt nicht zur Ruhe kommen. Vorliegend kann man die politische Entscheidung eben nicht akzeptieren, weil sie nicht im Interesse unserer Kinder getroffen wurde, trotz Mehrheit. Der Führungsspieler hatte es in der Hand die sachlichen Grunde pro und kontra klar zu artikulieren. Er zog es vor, zu schweigen. Deshalb hat er es verbockt. Nicht weil er mit der CDU gestimmt hat, sondern weil er den Weg des geringsten Widerstandes gewählt hat, als 23. Zahn sozusagen.

      • Christa Kühne auf 8. März 2015 bei 10:56
      • Antworten

      Der Herr Berg hat aber jetzt den Götze und die Argentinier vergessen. Der Götze spielte für Deutschland, so wie früher der J. R. für die Allianz. Der Mario wollte mit Deutschland Weltmeister werden. Der J. R. wollte mit der Allianz eine andere, wohl auch bessere Politik für Markranstädt machen. Der Götze hat für Deutschland des entscheidende Tor geschossen. Der J. R. hat in der Halbzeit die Seiten gewechselt und und nicht mehr für die Allianz gespielt. Was würden die Fußballfans sagen, wenn das der Götze gemacht hätte? Sie hätten ihn Schach matt gesetzt.

      1. Interessante Gedankenspiele. Auch wenn es jetzt albern zu werden droht: Götze ist mit Dortmund Deutscher Meister geworden. Dann wechselte er zu Bayern München. Aber egal welches Vereinstrikot er trug: Wenn es um Deutschland ging, hat er für Deutschland gespielt. Übersetzt: Bei der Kita-Frage ging es um ein Markranstädter Thema und nicht um eins von FW, SPD oder CDU. Deshalb hat der BM (und hoffentlich auch alle anderen „Nationalspieler“) in dieser Begegnung nicht für einen Verein gespielt, sondern für die Nationalmannschaft – und da sind die Prämissen andere als im Verein. Da muss ein Bayern-Spieler manchmal mit einem Dortmunder und wenns ganz schlimm kommt sogar mit einem Leverkusener oder Wolfsburger zusammen kicken. Und: Wenn Götze in einem Länderspiel einlocht, dann für Deutschland und nicht gegen Bayern oder Dortmund. Wenns anders wäre, hätte Wolfgang Niersbach zusammen mit Uli Hoeneß den Gang in die Zelle antreten müssen. Dieser Gedanke ist zwar nicht frei von einem gewissen satirischen Reiz, aber eben irreal. Wie auch immer: Das Spiel ist vorbei und wie sagte Trainer Dragoslaw Stepanovic einst? „Lebbe geht weiter.“

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