Das erste gesellschaftliche Ereignis des Jahres ist durch. Der Neujahrsempfang der Bürgermeisterin hat am Sonnabend selbst dem letzten Pessimisten noch mal richtig Mut für die kommenden zwölf Monate gemacht. Eigentlich sogar für die kommenden Wochen, aber das liegt nicht in der Hand derer, die am Samstag in der Stadthalle waren. Weil sich die MN-Spitze um den seriösen Teil der Veranstaltung kümmern musste, haben sich für die satirische Abbildung des Events zwei Volkskorrespondentinnen unter die Leute gemischt. Frauen können ja angeblich besser zuhören.
Es mögen knapp 200 Gäste gewesen sein, die beim Neujahrsempfang in der Stadthalle am Samstagvormittag mehr Unterhaltung zu finden hofften als im linientreuen Frühstücksfernsehen. Und sie wurden nicht enttäuscht.
Die Bürgermeisterin war gleich 36 mal anwesend. Einmal leibhaftig und dann noch 35 mal in einem persönlichen Fotoalbum, das unter dem Arbeitstitel „Jahresrückblick 2022“ den bisher von ihrer Bornaer Amtskollegin Simone Lüdtke gehaltenen Rekord von 16 Fotos in einem Heft regelrecht pulverisiert hat.
Wer sich die Stuhlreihen etwas genauer ansah, musste aber feststellen, dass da aus dem politischen Spektrum der Stadt nur noch der Volkssturm anwesend war. Gerade mal eine handvoll Stadträte hatte sich in die Halle verirrt. Die Farben der CDU, SPD und Grünen fehlten fast komplett. Was war da los?
Das Event vor dem Event
Wortfetzen aus den am Rande des Saales tuschelnden Selbsthilfegruppen ließen ahnen, dass sich die Fraktionen gerade auf ein viel bedeutenderes Event vorbereiten als auf einen so alljährlichen Neujahrsempfang. Am Montag soll ein Gipfeltreffen zwischen missverstandener Bürgermeisterin, regulierendem Landrat und kalt gestellten Stadträten unter Vermittlung eines ansässigen Priesters stattfinden. Voodoo im MGH.
In einer der gesprächstherapeutischen Gruppen am Rande des Neujahrsempfangs wurde derweil schon gewettet, dass die Parlamentäre beim montäglichen Gipfel keine Chance hätten und von der Bürgermeisterin nach maximal 30 Minuten einzeln über den Tisch gezogen würden.
Einzig eine geronte MN-Volontärin hielt dagegen und setzte das gesamte Barvermögen der Nachtschichten darauf, dass die Verhandlungspartner nicht über den Tisch gezogen werden, sondern binnen 15 Minuten freiwillig und ganz von allein drüber rutschen. Wir werden sehen, was der Dienstag bringt und ob die Reibungshitze auf der Tischplatte entgegen bisheriger Gepflogenheiten mal nicht als angenehme Nestwärme empfunden wird.
Das Thema hinter dem Thema
Erschwerend kommt ein weiteres Gerücht hinzu, das am Samstagvormittag in der Stadthalle ebenfalls die Runde machte. Es gibt wohl mal wieder arbeitsrechtliche Raufhändel im Rathaus. Angeblich hat es nach Deckoffizieren auf der Kommandobrücke und einigen mittleren Dienstgraden jetzt sogar einen einfachen Matrosen (m/w/d) aus dem Maschinenraum erwischt, der nach dem Kielholen unter der Woche noch nicht wieder aufgetaucht ist.
Da wollte man aus den Melodien des Musikschulorchesters fast schon die Akkorde von „Ich hatt’ einen Kameraden“ heraushören.
Mitten in diese undurchsichtige Lage an den kommunalpolitischen Frontlinien brach sich dann plötzlich sowas wie Militärpräsenz in der Stadthalle Bahn. Die Bundeswehr war angerückt! In einer schmeichelhaft taillierten Uniformtrikotage über dem streng geschnürten Korsett zog Oberfeldarzt J.R. Spiske auch rein optisch die Aufmerksamkeit auf sich.
„Ich bin heute gekommen, um ihnen mitzuteilen …“ Weil der Rest im Tumult untergegangen ist, vervollständigte er den Satz später gegenüber der MN-Korrespondentin: „… um für Ordnung zu sorgen und eine Monarchie zu errichten“.
Keine zehn Minuten und fünf Gespräche später war Spiskes Einsatzbefehl allerdings schon wieder ein Fall für den Schredder. „In Sachen Monarchie sind offnbar bereits vollendete Tatsachen geschaffen worden“, habe er feststellen müssen, steckte sein Spritzbesteck wieder ins Halfter und griff statt dessen sichtlich erheitert zu Sektglas und Häppchen. „Stößchen! Auf Markranstädt.“
Aber auch im offiziellen Teil des Empfangs war die Stimmung von ausnahmslos positiven Emotionen geprägt. Jede Menge Ehrennadeln wurden an die Kameraden der Feuerwehr verteilt. Mit Blick auf den kommenden 5-Jahr-Plan und die Zinsen eine kluge Investition in die Zukunft. Außerdem wurden vier Bürgerpreise verliehen und die zwei zuletzt ernannten Ehrenbürger durften sich gleich hinter Roberto Blanco ins Goldene Buch der Stadt eintragen.
Ein Vormittag, an dem stadtgeschichtliche Meilensteine in den Markranstädter Mutterboden gesetzt wurden. Von diesem Optimismus ließen sich sogar einfache Bürger anstacheln und brachten nach dem dritten Glas Sekt Visionen hervor, die bislang noch niemand auf dem Schirm hatte. Zum Beispiel das Stadtbad so zu lassen wie es ist und bei der nächsten Kältewelle als Eishockey-Stadion zu nutzen.
Mit dem Neujahrsempfang ist es wie beim Gottesdienst in der Kirche: Man muss nicht gläubig sein, um am Ende was mit nach Hause zu nehmen. Leider gibt’s das weltliche Ereignis nur einmal im Jahr.
5 Kommentare
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Mit dem Amtsantritt von Stitterich vor über 2 Jahren verbanden viele die Hoffnung auf Veränderung. Veränderungen hat es seitdem viele gegeben. Doch so haben sich das die Leute mit Sicherheit nicht gedacht.
Also wir bei den MN sind mit unserer First Lady wirklich zufrieden. Wir haben sogar die Wette gewonnen. Obwohl sie allein einer Mehrheit gegenüber saß, ist sie stark geblieben und hat sich nicht über den Tisch ziehen lassen. Statt dessen hat sie geduldig abgewartet, bis die Gegenseite von sich aus ganz freiwillig über die Tischplatte zu ihr gerutscht ist. Dieses Kräftemessen hat sie klar gewonnen und das muss man anerkennen. Es gab auch keine anderslautende Darstellung von der Gegenseite.
Jeder bekommt, was er verdient
Es muss schon eine Tugend sein wenn Fach- und KOMTETENZ dieses Markranstädter Rathaus verlassen, ja getrieben werden. Eh: Welch hohe „Qualität“ muss wohl im Überfluss verblieben sein vom einst guten Verwaltungskader! Ein 36maliges Pfui darauf und ehrliches „Helau“ auf die nächste Narrenzeit. Der Schwung ist raus. Auf das der Speichel fließe- genug „Lecker“ sind ja wohl noch da oder werden umlullt. Sollen ja Pöstchen zu vergeben sein hört man. Die Duma ist ja schon längst müde….
Wieder so ein Gerücht. Gibts denn in Lallendorf auch mal belastbare Aussagen oder erscheinen Pöstchen & Co. immer nur in der Glaskugel?