Henly und Jens-Leinel zu Gast bei Chinesen

Die Qualitätspresse besang es schon in den Tagen zuvor: Chinesen bauen in Großlehna ihre Europa-Zentrale für die Montage von Gießereimaschinen. Gestern luden sie zum ersten Spatenstich für den Neubau. Wenn die Kanzlerin nach China fährt, muss sie immer einen ganzen Ordner voll unangenehmer Fragen mitschleppen, die sie dann doch nicht stellt. Menschenrechte, Meinungsfreiheit und so. Gestern kamen die Chinesen zu uns und es gab nur eine Frage: Was kommt da auf uns zu?

Ein Verwaltungs- und Sozialgebäude, eine riesige Montagehalle, zehn Millionen Euro Investitionsvolumen, 30 neue Arbeitsplätze – bei sowas gibt’s traditionell lecker Häppchen zum Stich mit dem nagelneuen Spaten und deshalb gibt sich die Schickeria dabei gern die noch nicht vorhandenen Klinken in die Hand.

Die Chinesen kamen mit einem Leihwagen aus Suzhou (8.500 Kilometer entfernt) angerollt, den sie auch noch selbst lenkten.

Um ihnen ein Vorgefühl von der schier endlosen Weite des Landkreises Leipzig zu vermitteln, ließ sich Landrat Henry Graichen dagegen von seinem Chauffeur im dicken Audi um den halben Erdball von Borna nach Großlehna fahren.

Das hat schon mal Eindruck gemacht. Vor allem, dass er die Mandschurei am Rande zu Sachsen-Armut gefunden hat, löste sogar unter den Ureinwohnern tiefe Ehrfurcht aus.

Andere Länder, andere Sitten: Vor dem Sturm auf die Häppchen gibts bei den Chinesen erstmal einen anständigen Morgenappell.

Die Chinesen konterten ihrerseits mit Deutschkenntnissen, während die deutschen Gäste bestenfalls das Lied von den drei Chinesen mit dem Kontrabass schon mal gehört hatten.

Gut, so astrein war das Deutsch der Chinesen auch wieder nicht. Die Sprecherin des Landkreises hat sich deren Namen deshalb sicher schon mal für einen Sprachkurs notiert.

Die Aircondition wurde da schon mal zur Klimakteriumsanlage umübersetzt, was vor allem die anwesenden Damen kurz zusammenzucken ließ. In Deutschland spricht man nicht über solche Anlagen, die Frauen in die Wiege gelegt sind. Aber andere Länder, andere Sitten.

Interessant, was die beiden lokalen Helden zu sagen hatten, bevor sie den extra angelieferten Sandhaufen umgraben mussten. Sowohl Landlat Henly Glaichen als auch Bülgelmeistel Jens-Leinel Spiske betonten noch einmal die Geschwindigkeit, mit der die Ansiedlung bislang vollzogen wurde.

Besser als Zwangsarbeit auf dem Reisfeld oder wie sagt ein deutsches Sprichwort? „Lieber Schamlippen küssen als sich lahmschippen müssen“.

Jens-Leinel erinnerte daran, dass noch nicht einmal ein Jahr vergangen ist, seit die gelbe Invasion am 22. Mai 2018 ins Rathaus einfiel.

„Wir haben eine hohe Taktzahl vorgelegt. Ungewöhnlich für eine öffentliche Verwaltung“, lobte er das initiativreiche Wirken seines Kollektivs im Kampf um die Erfüllung der Hauptaufgabe in ihrer Einheit von Wirtschafts- und Sozialpolitik. Vertraute Töne für die Investoren aus der Heimat des großen Mao.

Wahrscheinlich war die Schlagzahl sogar für den Landkreis einen Tick zu hoch, denn Henly Glaichen musste kleinlaut beigeben: „Rechtssicherheit geht vor Schnelligkeit, darum habe ich heute noch keine Baugenehmigung mitgebracht.“

In Erwartung einer Folterandrohung oder wenigstens der Deportation zur Zwangsarbeit auf einem Reisfeld (China … Menschenrechte) stimmte er das Tribunal aus dem fernen Osten jedoch unverzüglich mit der Ankündigung milde, dass das Dokument praktisch schon in der Schreibmaschine steckt.

Endgültige Wiederherstellung seiner Reputation erfuhr Henly Glaichen, nachdem er für den Standort die Verfügbarkeit des 5G-Netzes in Aussicht stellte. Die Angabe einer Jahreszahl vermied der schlaue Taktiker.

Ein Stein aus Suzhou (China) soll an die unverbrüchliche Waffenbrüderschaft der Völker Großlehnas mit ihren Befreiern aus dem Lande des großen Mao erinnern.

Für den Stadtfotografen mit der bunten Mütze muss die Veranstaltung hingegen eine einzige Enttäuschung gewesen sein.

Angelockt von der Aussicht auf ein unvergessliches Abenteuer mit Einschränkung der Pressefreiheit, Verhaftung, Leibesvisitation, Besuch eines Folterkellers und Konfiszierung der Kamera, musste er feststellen, dass die Chinesen offenbar auch nicht anders ticken als wir. Sie grinsten sogar, als er auf den Auslöser drückte und zu essen bekam er auch.

Nicht mal auf ein anständiges Feindbild ist mehr Verlass. Da würde es einen dann auch nicht mehr wundern, wenn die gelbe Invasion gar keine ist. Von wegen europäische Seidenstraße mit Haltestelle in Großlehna. Ein ganz normaler Neubau wird das…

 

1 Kommentar

  1. Na das geht ja vorwärts. Die paddeln ja, die Chinesen. Und schnell sind sie. Eine Woche nach der Mitteilung in der LVZ haben sie schon die gesamte ländliche Prominenz zum ersten Spatenstich zusammen getrommelt. Die sind ja schneller als die brasilianischen Protonen-Kanonen schießen. Und die Baugenehmigung? Da könnten die Brasilianer Glück haben, die waren zu erst da und liegen bei der Baubehörde an erster Stelle. Obwohl, wenn der Antrag der Chinesen auf den Stapel gelegt wurde, sind die Brasilianer wieder zweiter. Na mal sehen wie das weiter geht.

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