Hotel „Corona“: Diesmal wegschweigen statt weglächeln?

Betreiberwechsel in der Markranstädter Gemeinschaftsunterkunft. Corona hat am Montag vom ehemaligen Hotel Besitz ergriffen und obwohl das nur eine Frage der Zeit war, deutet vieles auf eine feindliche Übernahme hin. Die Einrichtung wird von Polizeikräften verteidigt. Oder bewacht. Oder beides. Dank der hartleibigen Öffentlichkeitsarbeit des Landkreises hatten im Laufe des Dienstag auch die Satiriker was von der Entwicklung. Jede Menge Stoff zum Ablachen … bis die Lage ernst wurde.

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Eigentlich hat das Panoptikum bereits am Montag begonnen. Zumindest waren gut informierte Kreise in Markranstädt da schon gut informiert. Aber hier muss man klar sagen, dass der große Weglächler aus Borna seiner Verantwortung für das Wohl des Volkes vollauf gerecht wurde.

Er wollte uns noch 12 sorgenfreie Stunden gönnen. Aus denen dann allerdings … schwuppdiwupp … über 20 und dann über 30 wurden und schließlich mindestens 48 werden. Kinder, wie die Zeit vergeht.

Irgendwann fällt es in einem Dorf wie Markranstädt auf, wenn da Autos mit der Aufschrift „Katastrophenschutz“ hin und her fahren, wie nach einem Erdbeben Getränkeflaschen geliefert werden und Polizeikräfte in ihren Dienstwagen Streife sitzen. Den Standpunkt der Polizei-Pressestelle kennen wir ja. Ein vermehrtes Aufkommen an Einsatzkräften ist kein Grund für proaktive Öffentlichkeitsarbeit. Brauchste gar nicht erst nachfragen.

Und weil das so gut klappt, dass es den Begriff Markranstädt in den täglichen Polizeiberichten gar nicht mehr gibt, hat der Landkreis diese Strategie kurzerhand okkupiert. Keine Meldung über Corona-Fälle im Hotel und auch keine Berücksichtigung in der Statistik. Nicht mal in der des Folgetages.

Wenn diese Angaben stimmen, dürften im Hotel höchstens 29 Personen wohnen und niemand sonst in Markranstädt unter Quarantäne stehen.

Wenn diese Angaben stimmen, dürften im Hotel höchstens 29 Personen wohnen und niemand sonst in Markranstädt unter Quarantäne stehen.

Ein Passant, der am Dienstag einen Polizisten auf dessen Präsenz ansprach, erfuhr lediglich, dass man die Einhaltung der Corona-Maßnahmen überwache. Hut ab – jetzt also schon via Polizei. Allerdings wies deren Einsatzbefehl anfangs noch eklatante Lücken auf.

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Offenbar ging man davon aus, dass den Insassen des Hotels solch urdeutsche Tugenden wie das Nutzen der Tür des Haupteingangs zum Betreten und Verlassen des Hauses in Fleisch und Blut übergegangen sind. Dass das Gebäude auch über einen Ostflügel verfügt, dessen Fassade eine Terrassentür sowie zahlreiche Fenster zieren, ist dem Planungsstab des Einsatzes derweil entgangen.

Und so beobachteten die Uniformierten lediglich die Süd- und Westfront des Anwesens, während im Ostteil ungehemmt Besucherverkehr wie auf dem Berliner Kudamm herrschte. Von einem Passanten auf die Lücke des Überwachungsprofils hingewiesen, wurde diese zwar kurzfristig geschlossen, beim Schichtwechsel allerdings schien die Information verlorengegangen zu sein.

"Durch diese hohle Gasse muss er kommen", schrieb Schiller einst. Aber heute führen mehr Wege nach Küssnacht, als man aus einem Auto heraus überwachen könnte.

„Durch diese hohle Gasse muss er kommen“, schrieb Schiller einst. Aber heute führen mehr Wege nach Küssnacht, als man aus einem Auto heraus überwachen könnte.

In den Nachmittagsstunden lagen jedenfalls wieder nur der Zaun und der Haupteingang im Fokus. Okay, da man Flüchtlinge nicht mal aufhalten darf, wenn sie aus der Unterkunft flüchten, ist der Beobachtungsposten eh nur ein Papiertiger und ab 21 Uhr ist der Einsatz sowieso beendet. Da übernimmt die SoKo des Betreibers.

Irgendwann – wir schrieben inzwischen Stunde 30 nach Bekanntwerden der Feststellung einer Infektion – haben dann sogar ortsferne Medien Wind von der Sache bekommen. Geschult durch die täglichen Aufrufe zur Denunziation maskenloser Nachbarn, hat sich offenbar jemand gefunden, der die mitteldeutschen Redaktionsstuben mit der Meldung „GU unter Quarantäne“ in Aufruhr versetzte.

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Die Schreiberlinge wandten sich daraufhin umgehend an den Landkreis, von dem noch wenige Stunden vorher Zahlen gemeldet wurden, die eine mögliche Infektion auch nur eines Hotelgastes weder mathematisch noch statistisch zuließen.

Naiv, wie die eingebildeten Journalisten eben so sind, gingen sie zudem davon aus, dass dem Landkreis mit inzwischen fast 30 Stunden genug Zeit geblieben sein müsste, um die Lage unter Zuhilfenahme aller Kunstgriffe moderner Germanistik zu einer Erfolgsmeldung umzudeuten. Ein Trugschluss.

Alles im Blick! Zumindest was durch das Hauptportal ein- und ausgeht. Dass hinten auch Fenster und Türen sind, ist zu vernachlässigen. In Deutschland hat man nur dort langzugehen, wo's erlaubt ist.

Alles im Blick! Zumindest was durch das Hauptportal ein- und ausgeht. Dass hinten auch Fenster und Türen sind, ist zu vernachlässigen. In Deutschland hat man nur dort langzugehen, wo’s erlaubt ist.

Der allerdings nicht dazu führte, dass sich die Hoffnung „Wie man in den Wald hinein schweigt, so schweigt es heraus“ erfüllte. Die sensationsgeilen Schreiberlinge haben ihre einmal angespitzten Federn trotzdem in die Tinte getaucht. Und so wissen wir heute nur, dass das Hotel (zuletzt 133 Gäste) unter Quarantäne steht. Wenigstens das hat der Landkreis bestätigt.

Alles nur Satire und erlogen

Alles andere ist satirische Phantasie oder Lüge. Ob es Pest oder Cholera ist, lediglich eine Übung oder sogar nur Ebola, wird vor Ablauf weiterer 14 Stunden (dann sind wir bereits bei zwei Tagen) niemand offiziell erfahren. Im Landratsamt ist für heute erst mal Feierabend.

Vielleicht ganz gut so. Immerhin wäre es möglich, dass die Antworten auf die Fragen große Teile der Bevölkerung verunsichern. Also dann, schlafen Sie gut. Selig sind die, die da nichts wissen.

 

11 Kommentare

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    • Jürgen Bentz auf 4. November 2020 bei 14:44
    • Antworten

    Ja, am Breitbandausbau im gesamten Landkreis mangelt es. Deshalb mangelt es auch an zeitnaher, offener und klarer Information für die Bevölkerung.
    Habe gehört, weil die veröffentlichten Indidenzwerte der Corona Neuinfizierten des Landkreises Leipzig bei sachsens.de und bei landkreisleipzig.de, nie übereinstimmen, sollen jetzt statt der berittenen Boten, Brieftauben eingesetzt werden. Man bemüht sich.
    Natürlich kann auch zutreffen, „Ein Teil dieser Antworten würde die Bevölkerung verunsichern“. Das will natürlich niemand.

      • Heidi auf 6. November 2020 bei 15:30
      • Antworten

      „Bevölkerung nicht verunsichern“, sehr löblich wenn man sicher sein kann, dass hinter den verschiedenen Kulissen wirklich alles Nötige zur rechten Zeit und nicht erst in letzter Minute oder noch später oder gar nicht getan wird.
      Kann man das???
      Und: Es wird langsam kalt draußen. Was wird, wenn die Brieftauben wegen Vogelgrippe flugunfähig werden und die Pferde erst mal vor der Apotheke…???

      1. „alles Nötige zur rechten Zeit und nicht erst in letzter Minute oder noch später oder gar nicht getan wird.Kann man das???“ Offenbar nicht. Es wurde zwar Essen angeliefert, aber beispielsweise kein Klopapier.

    • Samoht auf 4. November 2020 bei 10:31
    • Antworten

    Ich mache mir Sorgen um die Menschen da drin. Die kann man ja nicht einfach in ihren Zimmern wegsperren. So weit ich weiß, gibt es da so Gemeinschaftsräume, die existenziell erforderlich sind, wie die Küche oder der Wäschekeller. Ich bin davon überzeugt, dass das auch der Grund für das Schweigen im Landkreis ist. Die Zahlen haben sie ja auf dem Tisch, aber wie die Quarantäne da drin organisiert werden soll, da haben sie wohl null Plan. Kam einfach zu überraschend.
    Wo wir bei Ehrlichkeit und Transparenz sind: Da drin gibt es welche, die brauchen andere Dinge dringender als Essen oder Getränke. Dinge, die ihnen der Katastrophenschutz nicht liefern kann. Aber weil sie die eben brauchen, werden sie Wege finden, um zu den Dealern zu gelangen oder die Dealer zu ihnen. Das wird noch unterhaltsam. Ich befürchte, dass man nach weglächeln und wegschweigen dann auch wegschaut, um den Scheinfrieden zu wahren. Mein Vertrauen ist auf dem Nullpunkt.

    1. Diese Schwarzmalerei immer! Werfen Sie mal einen Blick auf die Fakten und interpretieren Sie die optimistisch. Wenn es da nur eine Küche gibt, handelt es sich folglich auch nur um einen Haushalt. Was ja nicht anders geht, weil wir ja sonst von einem Verstoß gegen das Beherbergungsverbot reden müssten. Also: Laut Corona-Regeln kann man sich in einem Haushalt untereinander nicht anstecken.

        • Nachbar auf 4. November 2020 bei 11:01
        • Antworten

        Laut Landratsamt sind die Zimmer als abgeschlossene Wohneinheiten zu bezeichnen und als einzeln zu sehen, zumindest vor Corona 😉
        Die Küche und anderen Gemeinschaftsräume könnten rein Theoretisch nur einzeln und mit Desinfektion nach Nutzung genutzt werden.
        Bei 130 Bewohnern (LVZ heute) kommt man dann wie oft dazu, etwas zuzubereiten?
        Das wird Ramadan mal anders 🙂 mit Wäsche-waschen-Plan wie früher !
        Aber der Landrat hat da bestimmt kreative Ideen und wenn nicht, hat keiner mehr Corona, ganz einfach, oder?

      • Nachbar auf 4. November 2020 bei 10:48
      • Antworten

      Keine Bange, darum steht die Polizei ja auf der anderen Seite des Hotels, da gehts halt über den Park, wie gewohnt 😉

    • Bürger auf 3. November 2020 bei 23:24
    • Antworten

    Auf der Website der Stadt Markranstädt ist auch keine Information zu finden. Vielleicht wird hier auch gar keine Information unterdrückt. Das liegt bestimmt nur am noch nicht umgesetzten Digitalpaket der Frau Bär im ländlichen Raum. Ich glaube nicht, dass der Landrat hier Informationen zurück hält. Wirklich nicht. Alternativ müsste man ja Fake News unterstellen, sofern keine News wirklich Fake News sein können.
    Das könnte auch der Grund sein, warum andere Fakten.Asylheim Markranstädt weder in einem Polizeibericht noch in der Qualitätspresse auftauchen und man sie stattdessen nur bei Youtube findet. Da kann die Frau Bär nicht mit. Da muss man eben die Profis ranlassen. Ein Hoch und Dank an die Nachtschichten.

    1. Kann das daran liegen, dass diese Frau Bär das nur verwechselt und sich auf yourporn rumtreibt statt auf youtube?

    • Mark Ranzi auf 3. November 2020 bei 23:05
    • Antworten

    Könnte auch ein Bornavirus sein. Der ist zuerst bei Regimentspferden in Borna aufgetreten und führt in der Regel zu Sabbern und Kopfschütteln. Kein Witz, einfach mal googlen. Mittlerweile weiß man, dass der Virus auch auf Menschen übertragbar ist. Von Tier zu Mensch, wie bei Covid. Der würde in der Coronastatistik auch nicht auftauchen. Es sei denn, die GU steht eben in der Enklave des Landratsamts Borna und dementsprechend werden die Zahlen halt in Borna mitgezählt.

    1. Mensch, na klar – Regimentspferde!!! Weil die Pressemitteilungen wie auch die Infektionszahlen mangels Breitbandausbau zwischen Borna und Markranstädt noch durch berittene Herolde überbracht werden, dauert das natürlich auch länger. Hat also nichts mit verschweigen zu tun, sondern die aktuellen Fallzahlen stecken noch in einer Satteltasche irgendwo bei Espenhain.

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