Lass Dich überraschen … und komm in die vierte Etage

Es ist wieder mal so weit: Nach der Sommerpause, die man im Zweifel in den Stadtbädern anderer Kommunen verbracht hat, trifft sich die Markranstädter Duma am Donnerstag in der vierten Etage zu ihrer 39. Sitzung. Weil die Show über den Dächern der Stadt beim Publikum zuletzt ein Flop war und selbst die Benutzung des Fahrstuhls kaum noch den klaustrophobischen Reiz eines Survival-Abenteuers verspricht, haben unsere Volksvertreter diesmal ein paar ganz besondere Appetithäppchen auf die Tagesordnung setzen lassen.

Zum Glück ist es in Markranstädt nicht so langweilig wie in anderen Städten, wo im Bürgerinformationsystem schon vorab hinreichend Verwaltungserläuterungen zu den einzelnen Tagesordnungspunkten veröffentlicht werden.

Wo bleibt da der Reiz zu befriedigender Neugier? In der Stadt am See ist es hingegen oft sogar noch bis Tage nach der Sitzung ein Geheimnis, worum es eigentlich ging. Aber diese Ungewissheit, der unbändige Wissensdurst oder das Aussenden als Bürgerfragen getarnter persönlicher Statements haben scheinbar ihren Reiz verloren.

Eine Überraschungsparty

Dabei sind der Rätsel Lösungen ganz öffentlich und stehen sogar auf der Tagesordnung. So geht es diesmal beispielsweise um die Einleitung eines förmlichen Satzungsverfahrens, um die Festlegung einer Veränderungssperre oder um einen Abwägungs- und einen Satzungsbeschluss. Na, neugierig geworden? Also wer sich von dieser Verheißung nicht in die vierte Etage gelockt fühlt, hat offenbar keinerlei Interesse an Kommunalpolitik.

So ziemlich am Ende der 20-Punkte-Tagesordnung soll es dann auch einen „Überblick und weitere Verfahrensweise zur Stellvertretung der Bürgermeisterin der Stadt Markranstädt“ geben.

Auch hierzu finden sich im Bürgerinformationssystem keine weiteren Ausführungen. Wer sich also überraschen lassen will, ob und wie es anderthalb Jahre nach der Rücktrittserklärung der ehemaligen Beigeordneten weitergeht, muss sich die davor liegenden 17 Tagesordnungspunkte notgedrungen auch mit reinziehen. Ein Wimpernschlag im Vergleich zu der Zeit, die seit dem Ausscheiden der Beigeordneten vor über einem Jahr vergangen ist.

Butt-Plug: Sitzt Du schon?

Das ist im Prinzip das gleiche Erfolgsmodell, nach dem IKEA seit Jahrzehnten seine Holzhocker „Butt Plug“ verkauft. Wer die finden will, muss zuerst durch die Küchen- und Bettenabteilung, danach durch den Kinderbereich und die Deko-Etage „Tünneff“, bis er schließlich ins Lager gelangt, wo der letzte Karton mit dem „Butt Plug“ unter der Fachnummer 0815 in fünf Metern Höhe ganz hinten in der obersten Reihe des Hochregals steht. Suchst du noch oder sitzt du schon?

Das Denken der Undankbaren

Aber wie das in Markranstädt so ist: Eigentlich interessiert sich das undankbare Volk immer ausgerechnet für die Dinge, die nicht auf der Tagesordnung stehen. Da gibt es beispielsweise Fragen zu einem Stadtbad, an das sich sowieso nur noch die ganz Alten erinnern können.

Nur dunkel freilich, aber da könnte bald eine futuristische Beleuchtungsanlage in der Stadthalle für Aufhellung sorgen. Die allerdings wirft ebenso finstere Schatten voraus wie die Stellenausschreibungen für die Leitung zweier zumindest im Bürgertum bislang völlig unbekannter Fachbereiche.

Geteiltes Leid ist halbes Leid

Während der gemeine homo marcransis für Letzteres noch eine Erklärung sucht, liegt die Lösung des Rätsels selbst für die ahnungslosesten Polit-Laien klar auf der Hand. Wenn man für die Leitung des Fachbereichs Bau- und Stadtentwicklung nicht genug Schmerzensgeld zahlen kann, teilt man die Maloche in einen Fachbereich „Stadtentwicklung“ sowie einen Fachbereich „Städtische Dienste“ und fertig ist der Lack. Zwei Chefs statt einer – das kostet im Zweifelsfall zwar doppelt so viel Geld, halbiert aber das Leid der Betroffenen. Ein gar zu menschlicher Zug – und nicht die erste Doppelspitze in der Stadtgeschichte.

Aber gut, diese Themen sind Straßengerüchte und so weit hergeholt, dass sie mit Fug und Recht auch nicht auf der Tagesordnung stehen. Also zumindest nicht auf der in der vierten Etage. Beim Promuchel draußen schon irgendwie, aber wen interessiert schon, was der denkt? Der weiß ja in der Regel nicht mal, was ein förmliches Satzungsverfahren oder eine Veränderungssperre ist.

2 Kommentare

    • Xt'Tapalatakettle auf 6. September 2023 bei 10:19
    • Antworten

    Mögen die Spiele wieder beginnen!
    Das eingespielte Rentner-Duo Waldorf und Statler wird sicher genauso wenig fehlen, wie die Ausreden, warum dieses oder jenes wieder nicht zur Debatte steht.
    Lasst es euch nicht entgehen. Anderswo kostet sowas Eintritt.

    1. … und hier kostet es unbändige Willenskraft. Ist ungefähr so, als würde man zehn Euro in drei Eimer Zloty umrechnen.

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