LKW durch Markranstädt: Von langer Hand geplant?

Gefühlt halb Markranstädt hat in den letzten Tagen über die Aufhebung der Geschwindigkeitsbegrenzung auf den innerörtlichen Bundesstraßen diskutiert. Aber was sagen eigentlich die wahren Kapitäne der Landstraße dazu, die da mit 40 Tonnen am Hintern durch die Häuserschluchten der Zwenkauer, Schkeuditzer, Lützner und Leipziger Straße mäandern? Wir haben mal welche gefragt und dabei erstauliche Dinge erfahren. Lesen Sie mal.

Da die verkehrstechnischen Kernkompetenzen satirischer Hobbyschmierfinken lediglich von der Garage bis zum REWE-Parkplatz reichen, haben sie sich der Erfahrungen dreier MN-Leser bedient, die ihr Brot als LKW-Fahrer auf den deutschen Autobahnen und Landstraßen verdienen.

Wer wenn nicht sie wissen, was einen Kutscher antreibt, mit seinem Lastzug die Autobahn zu verlassen und ihn durch ein verschlafenes Kaff wie Markranstädt zu lenken? Denn auf den ersten Blick lässt diese Alternative wenig Vorteile erkennen.

Zum besseren Verständnis: Alle nun folgenden Berechnungen beruhen auf der gerundeten Annahme, dass der Transit durch Markranstädt sowohl auf der B 87 als auch der B 186 eine Streckenlänge von rund zwei Kilometern (innerörtlich) beträgt. Außerdem sei angenommen, dass sämtliche Ampeln auf Grün stehen und auch die Schranken am Bahnübergang den Kraftfahrer in der Viagra-Stellung einer dauerhaften Erektion grüßen.

In diesem Falle beträgt der Zeitunterschied zwischen Tempo 30 und Tempo 50 nach Adam Ries gerade mal eine Minute und 36 Sekunden. Sobald auch nur eine der Ampeln auf Rot steht oder die Bahnschranken in einem Akt vorübergehender Impotenz quer über der Fahrbahn liegen, ist der Zeitunterschied allerdings gleich null. So viel zum Argument, dass Tempo 30 den Verkehrsfluss behindert.

Der Verkehr fließt

Was in beiden Fällen kaum einen Unterschied macht: Auf dem Transit durch Markranstädt bläst ein 40-Tonner durchschnittlich einen halben Liter Diesel in die Straßen der Stadt. Das ist der Inhalt einer Bierflasche – pro LKW!

Okay, an den sozialen Brennpunkten in den Markranstädter Parkanlagen beläuft sich der Liter-Verbrauch pro Person auf ein wesentlich höheres Volumen, ohne dass die sich dort auch nur einen Meter von der Stelle bewegen. Aber hinter den Zahlen steckt mehr.

Pro Tag sollen laut Lärmkartierung anno 2012 auf beiden Bundesstraßen je rund 1000 Fahrzeuge der Kategorie „Schwerlastverkehr“ durch Markranstädt rollen. Macht rund 2000 LKW und damit (wieder nach Adam Ries) 1.000 Liter Diesel, die jeden Tag auf dem Weg durch die Stadt in Bewegungsenergie und damit in feinstaubhaltige Abgase umgewandelt werden. Für unsere Jakedumas: Das sind 50 Kästen pro Tag! … Diesel und nicht Sterni.

Bliebe noch das Rätsel, warum die alle ausgerechnet durch Markranstädt rollen, wo es doch rundherum Autobahnen gibt? Diese Frage haben wir drei Berufskraftfahrern aus dem Kreise unserer Leserschaft gestellt.

Um es vorweg zu nehmen: Deren Antworten waren bis auf geringfügige Abweichungen in einigen Details alle gleich.

Eine Flucht vor der Maut ist demnach kein Grund. Seit Einführung der Maut-Pflicht auf Bundesstraßen macht es für LKW über 7,5 Tonnen keinen Sinn mehr, die Autobahn zu umgehen. Aber gerade durch die mit der Maut einhergehende Kostensteigerung sind Speditionen wie auch ihre Fahrer gezwungen, kostenbewusster zu fahren.

Wie das dann aussieht, hat einer der befragten Ritter der Landstraße detailliert beschrieben. Er bemühte dabei das Beispiel einer Tour von Chemnitz nach Halle. Natürlich wohlwissend, dass man nach Halle niemals freiwillig, sondern nur per Chef-Dekret in Form eines Transportauftrages zur Lieferung von Hilfsgütern fährt.

Also nimmt er die Zügel in die Hand und jagt seine Pferdestärken im gestreckten Galopp von Karl-Marx-Stadt aus über die A 72 und die A 38 gen Grenze nach Sachsen-Armut. An der Abfahrt Leipzig-Südwest muss er dann aber eine Entscheidung treffen. Fährt er weiter übers Kreuz Rippachtal und die A 9 oder biegt er ab und steuert sein Gefährt durch Markranstädt hin zur Auffahrt der A 9 in Günthersdorf?

Der Diesel fließt

Der Unterschied beläuft sich auf rund 20 Kilometer, was bei einem halbwegs modernen Kutschgespann durchschnittlich sechs Liter Diesel und damit rund zehn Euro Treibstoffkosten weniger entspricht. Wenn man nicht gerade eine Terminfracht an Bord hat, die in Halle auf die Sekunde genau erwartet wird (eine Zeitersparnis winkt bei der Alternative nämlich nicht), kann das verlockend sein.

Natürlich hätte der Fahrer auch übers Dreieck Parthenaue und auf der A 14 nach Halle fahren können. Aber gemäß der geometrischen Kreisformel Umfang gleich Pi mal Durchmesser (u=pi*d) sind das auch mindestens 10 Kilometer mehr als der Transit via Radius durch Markranstädt.

Allerdings versteht das nur noch die Fahrergeneration, bei der solche Sachen wie das Rad des Kreises oder der Satz des Prometheus noch Stoff in Mathematik der 5. Klasse waren.

Die heutige PISA-Generation ist ohne elektronische Hilfsmittel aufgeschmissen und genau hier liegt das eigentliche Problem.

So ein Navigationsgerät kann ja nicht selber denken (was übrigens nichts damit zu tun hat, dass da werksseitig eine Frauenstimme voreingestellt ist). Es beurteilt die Situation rein physikalisch. Die Formel lautet: Geschwindigkeit ist gleich Weg durch Zeit (v=s/t).

Wegen der vorgeschriebenen Höchstgeschwindigkeit für LKW kann der Ankunftstermin am Ziel nicht durch die Geschwindigkeit beeinflusst werden. Schneller als erlaubt geht (offiziell) nicht. Auch die Zeit ist eine feste Konstante, denn die hat sein Chef so bemessen, dass sie der Fahrer sowieso kaum einhalten kann. Also kann die Gleichung nur durch die Veränderung des Faktors Weg beeinflusst werden. Je kürzer der ist, desto schneller ist die Tonnage am Ziel.

Wenn der junge Mann am Steuer mangels geografischer Grundkenntnisse nicht versehentlich Halle in Westfalen in sein Navi eingegeben hat, wird ihm die göttliche Stimme aus dem virtuellen Jenseits an der Abfahrt Leipzig-Südwest also in aller Regel die Eingebung verheißen, dass er hier die Autobahn verlassen und sein Glück via Markranstädt versuchen soll.

Fakt ist, dass auf Deutschlands Straßen meist gemacht wird, was das Gerät befiehlt. So mancher Fahrer soll ja sogar schon mal bei Rot losgefahren sein, weil das Navi plötzlich ungeduldig aufgefordert hat: „Jetzt links abbiegen.“ Nun – Sie können es ja zu Hause einfach mal selbst versuchen. Starten Sie Ihr Navi (oder einen Routenplaner am PC) und lassen Sie sich den kürzesten Weg von Chemnitz nach Halle anzeigen. Bei Anbietern wie Michelin (siehe Abb.) brauchen Sie nicht mal den kürzesten Weg anklicken. Einfach Abfahrtsort und Ziel eingeben und schon finden Sie Markranstädt.

Das Geld fließt

Ein abschließendes Fazit ist leider nur verschwörungstheoretisch möglich. Demnach bekommen die Hersteller der Navigationssysteme von der Erdöl-Industrie gigantische Summen an Schmiergeldern, damit die ihre Elektronik so programmieren, dass die LKW stundenlang in Markranstädt an der Bahnschranke stehen und per Standgas für Umsatz an den Tankstellen sorgen.

Eine Win-Win-Situation, die so lukrativ zu sein scheint, dass sogar für Bund und Land ein paar Milliönchen übrig bleiben, um Fördermittel für schalldichte Fenster auszugeben, statt am Geldhahn und damit an der Ursache zu drehen. Und weil sich am CO2 demnächst auch Milliarden verdienen lassen, ist der Drops gelutscht. Pantha rei: Verkehr, Diesel, Geld … alles fließt.

 

8 Kommentare

Zum Kommentar-Formular springen

    • jabadu auf 13. Januar 2020 bei 22:02
    • Antworten

    Na da habt ihr ja wirklich die drei einzigen Kapitäne der Landstraße erwischt, die im Transit durch Markranstädt fahren.
    Die restlichen fast 2.000 LKW mit den Nationalitäten-Zeichen BG, CZ, PL, LT, RO, RUS, D usw. haben alle in Markranstädt zu tun und steuern die dortigen Gewerbegebiete an.
    Es gibt keine Maut-Flüchtlinge.
    Hab ich nicht erfunden. Hat das Landesamt für Straßenbau und Verkehr gesagt und geschrieben. Wirklich! Und die müssen es ja wissen.
    Und man kann sich rum sehen. Überall stehen hunderte von LKW zum Ent- und Beladen rum.

    1. Die drei einzigen zu finden, war nicht schwer. Wir haben nur die gefragt, die Deutsch konnten…

    • zwenke37 auf 12. Januar 2020 bei 12:14
    • Antworten

    Einfach nur köstlich zu lesen….dafür aber banale Realität!

    1. Dafür und nur dafür machen wir das ja auch.

  1. Der Satz: „Die heutige PISA-Generation ist ohne elektronische Hilfsmittel aufgeschmissen und genau hier liegt das eigentliche Problem!“ bekommt das Prädikat „Summa cum laute“! Eine Positionierung zu dem Satz “ das werksseitig eine Frauenstimme voreingestellt ist“, verkneife ich mir sicherheitshalber. Toller Beitrag!

      • kein Krümelkacker auf 13. Januar 2020 bei 8:01
      • Antworten

      @Biker: Ich will kein Krümelkacker sein und mich über Fehler lustig machen, zumal selbst den Machern bei den Nachtschichten immer mal wieder welche unterlaufen. Aber bei dem von Dir verliehenen akademischen Prädikat kann ich nicht anders. Wahrscheinlich unfreiwillig hast Du damit sogar den eigentlichen Inhalt des Artikels satirisch getoppt. Ja, „summa cum laute“ war lange Zeit eine nur in der Markranstädter Streitkultur (vor allem auf dem politischen Parkett)erstrebenswerte Bestnote, um die sich viele Protagonisten redlich bemüht haben. Je lauter, desto nachhaltiger. Insofern ist es wohl ein „Freud’scher Verschreiber“, der Dir da bei der lokalpatriotischen Interpretation des „summa cum laude“ unterlaufen ist. Dafür aber einer mit doppeltem Boden, der das heiter-satirische Ansinnen des eigentlichen Artikels aufgreift. Dafür gibts von mir ein „opus valde laudabile“.

      1. Doch: Krümelkacker!

    1. Macht aber Spaß mit so einer Frauenstimme. Unser Chef hat die von einer Domina. Sobald er auf der Autobahn ist, soll er aussteigen und nebenher rennen. 🙂

Schreibe einen Kommentar

Deine Email-Adresse wird nicht veröffentlicht.

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.