Markranstädt: Auf dem Weg zur Biotonne von Leipzig

Wumm, der hat gesessen! Auch die Leipziger Internetzeitung L-IZ kann Satire. Und das nicht nur irgendwie, sondern vom Feinsten. Die Schreibend*Innen aus der Hermann Bernhard-Göring-Straße haben den geplanten Aprilscherz der Markranstädter Nachtschichten eiskalt ausgehebelt und ihn einfach vorfristig wahr werden lassen. Die Pointe: Leipzig will auf der Fläche des ehemaligen Kohlekraftwerkes Kulkwitz ein Biomasse-Kraftwerk (BMKW) bauen. Fertigstellung in drei bis vier Jahren. Kein Scherz erstmal, aber der kommt noch! Denn: Markranstädt weiß bis jetzt noch gar nichts von diesem Vorhaben.

Jetzt wissen sie endlich auch mal im Rathaus wie es ist, wenn man sich selbst betreffende Informationen aus den Medien erfährt.

Das Staunen im schwarzen Kasten am Markt war jedenfalls nicht nur überzeugend, sondern wirklich echt. Zwar gab es vor rund sechs Jahren schon mal einen Vorstoß der Leipziger Stadtwerke zur Nutzung dieses Terrains, aber der war dann genauso schnell wieder vom Tisch.

Dieses Schicksal könnte auch dem Modell des aktuellen Projektes widerfahren. Denn was da in den sozialen Netzwerken gerade für Unruhe sorgt, entbehrt jeglicher rechtlichen Grundlage.

Die Planungshoheit über dieses Gebiet obliegt der Stadt Markranstädt. Leipzig, die Stadtwerke Leipzig oder gar das staatliche Kombinat L-Gruppe, können kein Verfahren über eine andere Gebietskörperschaft durchführen. Punkt!

Ein paar Bäume zur Verstromung sind auf dem Bauplatz sogar schon vorhanden.

Ein paar Bäume zur Verstromung sind auf dem Bauplatz sogar schon vorhanden.

Gleichwohl haben sich die nach dem Claim an der Zwenkauer Straße schielenden Gier-Finger auch in anderer Hinsicht keinen Gefallen getan. Einen potenziellen Partner schon vor den Kopf zu stoßen noch bevor er überhaupt von der Partnerschaft weiß, ist gelinde gesagt eine diplomatische Fehlleistung.

Aber damit nicht genug. Der LIZ-Artikel und das darin enthaltene Interview mit den Stadtwerken Leipzig lassen zwischen den Zeilen noch viel mehr durchblicken.

Zum Beispiel dass man sich im Markranstädter Vorort Leipzig mit dem ebenso hastigen wie populistisch daherkommenden Ausstieg aus dem Kohlestrom eklatant überhoben hat.

Der eigentliche Plan war zunächst ebenso einfach wie genial. Strom für die Messestadt soll künftig nicht mehr aus dem Kohlekraftwerk Lippendorf kommen, sondern direkt aus der Steckdose. Das ist umweltfreundlich, sauber und nachhaltig.

Hier gehts per Mausklick zum LIZ-Artikel.

Die Frage, wie sauberer Strom in die Steckdosen kommt, wurde allerdings nach der gleichen Strategie behandelt wie einst der Flüchtlingsstrom. Also nach dem Motto: Darum kümmern wir uns, wenn es so weit ist. Wir schaffen das … schon irgendwie.

Und genau das geht auch deutlich aus dem Artikel hervor. Die Abkopplung von der Kohle wurde proklamiert, ohne eine belastbare Alternative zu haben. Da ist es in der Not jetzt die einfachste Lösung, die Lasten des Problems aufs Land zu delegieren. Wir kriegen den Dreck der Energieversorgung für die Bürger, zu denen wir ohne Umweltplakette in der Frontscheibe nicht mal hinfahren dürfen.

Ach ja: Thema Dreck und Belastungen. Dass so ein BMKW manchmal etwas müffelt, kann ja hinzunehmen sein. Der Gestank wird mit der Hauptwindrichtung sowieso meist nach Grünau getragen.

War ja schon früher so. Die Slums der Großstädte heißen deshalb East-End, weil sie sich im Osten befinden. Also da, wo der ganze Dreck hin zieht.

Als Markranstädter East-End ist Grünau mithin geradezu prädestiniert. Die paar dazwischen hausenden Göhrenzer müssen sich halt dem Gemeinwohl unterordnen oder am besten gleich wegziehen. Die Bäume der Waldsiedlung können dann sogar volley im neuen BMKW verstromt werden. Kurze Wege – sauberer ökologischer Fußabdruck.

Platz ist genug vorhanden am Kulkwitzer Standort.

Platz ist genug vorhanden am Kulkwitzer Standort.

Apropos Bäume und kurze Wege: Wie kommen die 80.000 Tonnen Holz nach Kulkwitz, die für den Betrieb des BMKW benötigt werden? Genau! Mit jenen Diesel-LKW, die in Leipzig aus ökologischen Gründen und wegen Feinstaubs Fahrverbot haben. Irgendwo müssen sie ja rollen. Also warum dann nicht mitten durch Markranstädt, wo 50 LKW mehr oder weniger pro Stunde nicht mal zählbar sind?

Nutzung ortsnaher Ressourcen oder Mitgift in den Beitrittsverhandlungen? Der Pappelwald als Brennstoffbunker für Leipzig.

Nutzung ortsnaher Ressourcen oder Mitgift in den Beitrittsverhandlungen? Der Pappelwald als Brennstoffbunker für Leipzig.

Aber diese Entwicklung hat jetzt nicht nur gute, sondern auch positive Seiten. Im Gegensatz zur Bundesrepublik bei der Wiedervereinigung Deutschlands tritt Leipzig bei den Beitrittsverhandlungen mit Markranstädt von Beginn an ehrlich auf. Es wird kein Hehl daraus gemacht, wie man mit uns umzugehen gedenkt, wer der Verlierer sein wird und wie es um die blühenden Landschaften bestellt ist.

 

2 Kommentare

    • Bürger auf 18. März 2021 bei 10:11
    • Antworten

    Der Fachmann schüttelt den Kopf, der Laie wundert sich und der Politiker liegt mit vollen Taschen und Amnesie auf der Sonnenliege.
    So läuft das.
    Wenn das Rathaus genausoviel weiß, wie 2015 hinsichtlich des Asylheims, läuft doch alles genau so, nach Plan.
    Wie man allerdings die Klimaziele mit dem Flüchtlingsstrom erreichen will, hat sich mir noch nicht ganz erschlossen.

    1. Noch nichts vom Energieerhaltungssatz gehört? Das Gewicht der Hypotenuse verhält sich immer reziprok zur analogen Länge des Ankatheters im Verhältnis zur Kapazität der Kathode.

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