Markranstädt sucht Bachelor of Volk und Brötchen vom Master

Jubelszenen im deutschen Handwerk! Mit einer knallharten Bodenreform hat der Bundesrat jetzt grünes Licht für ein Gesetz gegeben, das den einst so goldenen Boden wieder sichtbar machen soll. Künftig verdient der Azubi mit einer Mindestvergütung von 515 Euro schon im ersten Lehrjahr mehr als so manche Friseuse. Dafür ist diese nun nicht mehr Friseurmeisterin, sondern Bachelorette Professional. Nicht zu verwechseln mit Master Professional, denn obwohl Master Meister heißt, ist er in diesem Fall Betriebswirt. Das alles dann ab 1. Januar.

Wie immer im reichen Deutschland, geht es bei dieser Reform nicht um Geld. Das ist im Überfluss vorhanden und daher als Motivation im Arbeitsprozess völlig ungeeignet. Also müssen neue Emotionen geweckt werden. Titel statt Taten. Oder anders gesagt: Bachelor statt Meister und Master statt Chef.

Für Mbumba Ngomo (36) ändert sich nicht viel. Der vor der Trump-Diktatur von einer texanischen Baumwollplantage geflüchtete Einwanderer hat in Markranstädt einen Job als Putze in einem Hotel gefunden. Als Nachfahre einer vor 200 Jahren aus Kenia in die Südstaaten ausgewanderten Sklavendynastie liegt es dem frisch gebackenen Assist of Roomcleaning-Management (ARM) traditionell in den Genen, seine weißen Auftraggeber mit Master anzusprechen.

„Während bei uns in Old-Texas der Klu-Klux-Klan seit Jahrzehnten einen aussichtslosen Kampf für den Erhalt solcher Traditionen führt, ist man in Deutschland längst weiter“, frohlockt die händeringend umworbene Fachkraft. Deutsche Apprentice und Trainees (früher: Azubis) müssen sich hingegen noch daran gewöhnen, ein zackiges „Jawoll Master Joachim!“ über die Zunge zu bekommen.

Ein Bachelor Professional für Repairung of Water- and Abwaterpipes bei der Arbeit.

Noch schwieriger ist die weibliche Anrede der Mistress. Die deutsche Form als „Herrin“ hat sich bislang nur in einschlägigen Etablissements und ein paar SM-Studios durchgesetzt. Und selbst dort muss das den vorlauten Auszubildenden oft genug noch mit der Peitsche eingebläut werden. Ja, Demokratie ist nicht von heute auf morgen erlernbar. Aber wo ein Wille ist, da ist auch ein Weg.

Auch für die Nutznießer dieses rasanten gesellschaftlichen Fortschritts heißt es, Veränderungen zu akzeptieren und sich darauf einzustellen. Während der Betriebswirt nunmehr Master ist, avancieren die Handwerksmeister ebenfalls zu neuen Weihen.

Wer den Backwarenfachproduzenten seines Vertrauens beim Kauf der Sonntagsbrötchen künftig noch als Bäckermeister anspricht, kann wegen verfassungsfeindlicher Umtriebe eingekerkert werden. Der Mehlschaffende ist jetzt, ebenso wie andere Handwerker mit Meisterbrief, ein Bachelor Professional.

Ein altes deutsches Sprichwort sagt bekanntlich, dass noch kein Bachelor vom Himmel gefallen ist. Das stimmt! Manche brauchen nicht mal eine Ausbildung, um den gesellschaftlichen Aufstieg vom Meister zum Bachelor zu vollziehen. Sie lassen sich einfach wählen.

Das sieht doch gleich viel farbenfreudiger aus.

So sollen die Markranstädter im kommenden Jahr an der Urne bestimmen, wer im hiesigen Headquarter of Townhall der neue Bachelor of Volk und damit Nachfolger von Bürger-Master Jens wird. Oder eben Bachelorette.

Allerdings herrscht nicht überall pure Freude über die neuen Etiketten auf den alten Flaschen. Nicht nur, dass der Bär in Grimms Märchen ab Januar als Bachelor Petz Angst in den deutschen Kinderzimmern verbreiten soll oder die Kinderserie mit Bachelor Nadelöhr neu synchronisiert werden muss.

Weil der Begriff einen akademischen Abschluss vermuten lasse, befürchten Kritiker darüber hinaus Verwechslungen der Handwerksproleten mit der universitär gebachelorten Aristokratie.

Diesem pessimistischen Gefasel trat Bundesbildungsministerin Karliczek (nach der Reform: Teacher Carl) entgegen und sagte, der Zusatz „professional“, also beruflich, verhindere Verwechslungen mit Hochschulabschlüssen.

Als Meisterstück eines Zimmerers war dieser Dachstuhl einfach nur lächerlich. Jetzt aber ist es die Leistung eines Bachelor Professional und damit nicht mehr lativ, sondern superlativ. Darauf ein dreifaches: „Jawoll Master!“

Wie gut, dass sie den Begriff im gleichen Satz auch noch übersetzt hat, die Miss Bildung unserer Bundesregierung. Da wissen jetzt wenigstens auch die habilitierten Akademiker, wer gemeint ist. Sie jedenfalls nicht, als nichtberufliche und damit faule, parasitäre Würdenträger eines sprachlich längst dem Untergang geweihten bourgeoisen Gesellschaftsrestes.

Master of copy and paste

Obwohl … für die hat sich das sicher auch bald erledigt. In den geheimen Schulbaden der Bildungsministerin sollen schon strategische Unterlagen für die nächste Reform rumliegen. Darin geht es um die Zukunft des Doktortitels.

Sowohl promovierte Bundestagsabgeordnete als auch gleicherart geadelte Regierungsmitglieder dürfen sich dann als „Master of copy and paste“ führen lassen.

Ein geradezu masterlicher Schachzug, der die ganze Kreativität deutscher Tugenden auf den Punkt bringt und dem Durchschnittsbürger (dann: Vice-Assistant of Modern Poorness – VAMP), eine ebenso überwältigende wie frohe Botschaft fürs kommende Jahr bringt: Es geht aufwärts! Denn es kann nur besser werden.

 

5 Kommentare

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    • Franz-Joseph D. auf 4. Dezember 2019 bei 12:44
    • Antworten

    Hallo,
    wer ist denn Euer Grafiker?
    Die Grafiken sind ja köstlich!
    Kompliment.

    • Björn auf 3. Dezember 2019 bei 8:25
    • Antworten

    Da bleibt einem das Lachen im Halse stecken – hat die Politik in diesem Land keine anderen Themen, die es wert sind, diskutiert zu werden???

      • Samoht auf 3. Dezember 2019 bei 16:14
      • Antworten

      Wie bist Du denn drauf? Hier wird nicht diskutiert!!! In Deutschland sollte das Volk erst einmal lernen, aufmerksam zuzuhören. Erst wenn das sitzt und damit klar ist, worüber nicht diskutiert wird, kann man diskutieren. Keine Sekunde vorher!

    • Der Seebenischer auf 3. Dezember 2019 bei 6:24
    • Antworten

    Ich geh kaputt beim Lachen! 🙂
    … und der Meister ist ja unseren Breiten der „Meester“, der Bachelor wird der Bätschlor
    und die Professionelle bleibt wie gehabt die Professionelle.

    1. Die Professionelle ist ja inzwischen sogar politisch korrekt geworden. Im Rahmen der Genderneutralität gibt es jetzt nämlich nicht mehr nur Strichmännchen … 🙂

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