Zoff um ungehinderte Zuwanderung in Grundschule Großlehna

Wenn heute in der vierten Etage das städtische Parlament zusammentritt, ist der erste und damit vom Unterhaltungswert her interessanteste Akt bereits in vollem Gange. Bei der Neufestlegung der Schulbezirke der Markranstädter Grundschulen gab es im Vorfeld heftigen Widerspruch aus Großlehna. In der dortigen Grundschule „Nils Holgersson“ soll man im kommenden Jahr zehn Schüler mehr aufnehmen. Aber den angedrohten Eindringlingen aus der Kernstadt sieht man im Garten Eden an der A 9 mit Argwohn entgegen.

Es sind die dabei angeführten Argumente aus dem Zonenrandgebiet zu Sachsen-Armut, die das Thema als Grundnahrung für exquisite Satire schmackhaft machen. Aber der Reihe nach. Wie beim normalen, so sollte man sich auch beim politischen Sex zunächst dem Vorspiel widmen, um den anschließenden Akt auch richtig genießen zu können.

Die Markranstädter Grundschule muss ausgebaut werden. Normalerweise kann man sich da entspannt zurücklehnen und in Ruhe die zehn Jahre abwarten, die der einzige im Landkreis zuständige Bearbeiter für Bauanträge braucht, um die Papiere abzustempeln.

Aber irgendwer aus dem Rathaus muss da mal ungeduldig in Borna nachgefragt haben, was zur Folge hatte, dass der Markranstädter Antrag auf den schneebedeckten Gipfel des Haufens „unerledigt“ empor geklommen wurde.

Tja, und jetzt haben wir den Salat. Der Antrag ist schon nach nur etwas mehr als einem Jahr durch und im kommenden Jahr muss die Piratenkogge in der Neuen Straße aufs Trockendock. Dort erhält sie neue Deckaufbauten, um anschließend als Kreuzfahrtschiff vom Stapel zu laufen.

Piratenkogge auf dem Trockendock

Während der Bauzeit ist der Kahn folglich nicht ganz seetüchtig und kann nicht so viele Passagiere aufnehmen. Insgesamt 16 Schüler im kommenden und nochmal 11 im darauf folgenden Jahr müssen demzufolge in anderen Einrichtungen eingeschult werden.

An dieser Stelle kommen die Grundschulen in Kulkwitz und Großlehna ins Spiel. Sie sollen die im Mittelmeer der Kernstadt treibenden Kinder aufnehmen. Eigentlich kein Problem, zählt doch vor allem in den vom Flüchtlingsstrom verschont gebliebenen Bildungseinrichtungen der Solidaritätsgedanke stets zum gern auch werbewirksam genutzten pädagogischen Grundkonzept, um den ABC-Schützen Sozialkompetenz zu vermitteln.

Zumindest in Kulkwitz scheint das auch so zu sein. Statt sich hinter unüberwindbaren Problemen bei der Integration von Kindern mit Markranstädter Migrationshintergrund zu verstecken, nahm man dort die Herausforderung einfach an und suchte nach Lösungen.

Irgendwie wird man auch die Sprachbarrieren überwinden, ist sich der Kulkwitzer Lehrkörper bei der Integration offenbar sicher.

In Großlehna hingegen scheint man zu befürchten, dass unter der Last des ungebrochenen Zustroms der zehn Neuen das Sozialsystem in der Grundschule kollabiert. Mit einer naturwissenschaftlich fundierten Argumentationskette wurde unter anderem der Beweis erbracht, dass nicht einmal Platz für ein solidarisches Zusammenrücken ist und auch die Qualität der Wissensvermittlung bis knapp über PISA-Spitzenniveau zu sinken droht.

Die Piratenkogge in der Neuen Straße ist architektonisch schon heute eine Augenweide.

Zehn Schüler zusätzlich soll die Grundschule Großlehna aufnehmen, fünf weitere im darauf folgenden Jahr (zum Vergleich: In Kulkwitz sind es in beiden Jahren je sechs Schüler und damit insgesamt nur drei weniger).

Neben einer Einschränkung im Hortbereich, wo ein weiterer Raum ab 2021 einer Doppelnutzung durch Schule und Hort unterliegen würde, sollen auch begrenzte Kapazitäten der Toiletten, Garderoben, Klassenzimmer, Funktionsräume, Speiseraum und Küche ins Feld geführt worden sein. Einzig die begrenzte Anzahl an Fußabtretern fand keine Erwähnung.

Naturgemäß werden bei solch lobbyistisch geprägten Exposés gegenteilige Aspekte weniger stark bis gar nicht beleuchtet. Im vorliegenden Fall wäre das für das kommende Schuljahr zum Beispiel eine Klasse mehr, dann allerdings mit einer Stärke von maximal 19 statt 28 Kindern. In der deutschen Bildungslandschaft trägt sowas heutzutage fast schon den Charakter eines Privatunterrichts. Auch die Belegung des Computerkabinetts als Klassenzimmer hat eher positive Auswirkungen zur Folge.

Als Ausgleich soll die Großlehnaer Einrichtung auf Grundlage des Digitalpaktes der Bundesregierung bereits vorfristig mit mobilen Endgeräten und der dafür erforderlichen Netzwerktechnik ausgestattet werden. Da brauchts kein festes Computerkabinett mehr, wenn yourporn dann sogar auf dem Klo frei empfangbar ist.

Vorwände und Einwände

Aber all das wiegt die Befürchtung eines Berstens der Grundschule in der Schwedenstraße wegen dauerhafter Übervölkerung nicht auf.

Und so soll die einstige Kogge nach der Erweiterung zum vierzügigen Kreuzfahrtschiff in See stechen. (Beide Grafiken: TREBRON 3/ Dipl.-Ing. Architekt Thomas Näther)

Sprach die Stadtverwaltung anfänglich sogar von „konstruktiven Gesprächen“, hat sich der Virus des Widerstands von seinem ursprünglichen Wirt aus inzwischen im ganzen Zonenrandgebiet an der A9 geradezu epidemisch ausgebreitet.

Selbst Vorwürfe über Verstöße gegen die Fördermittelbestimmungen und den Eingemeindungsvertrag zwischen Markranstädt und Großlehna sollen bereits vorgebracht worden sein. Nicht zuletzt überzeugt der Widerstand auch in pädagogischer Sicht durch die beispielhafte Vorbildwirkung für die Kinder in Sachen Solidarität und Sozialkompetenz.

Public Viewing im Stadtrat

Am Ende ist das für heute im Stadtrat zu erwartende Gefecht gleich in dreierlei Hinsicht bedeutsam. Erstens kann eine Entscheidung demokratischer kaum sein, wenn sie kontrovers diskutiert wird und zweitens ist sie der beste Stoff für lokale Satire, weil drittens auch der erste Auftritt von Carina Radon seit der legendären Schlacht im Markranstädter Kessel anno 2012 n.Chr. erwartet wird.

 

5 Kommentare

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    • kleiner Beobachter auf 8. Februar 2020 bei 21:25
    • Antworten

    hmmm ich glaube da will sich jemand in Großlehna schon mal für den 20. September 2020 in Stellung bringen, da es ja bekannterweise in der Kernstadt so einige gegen eben welche und auch das alte Hotel gibt. Eigentlich ein Schelm wer böses dabei denkt wäre die Sache nicht zu ernst, denn andererseits wird laufend gemeckert über den Bildungsnotstand und fehlenden Fachkräften, andererseits will man aber bestimmten Leuten/Kindern den Zugang zu Lerninhalten und eventuell Anpassung verwehren.
    In was für einer Verkehrten Welt wir mittlerweile leben sieht man entweder Life oder liest es aus der Presse. Wenn dass alles so weitergeht haben wir bald nur noch MFF, Dff, MFF, DFF, denn FFF (Fridays for Future) gibt es ja schon.

    • Ute Weigand-Münzel auf 6. Dezember 2019 bei 9:21
    • Antworten

    So eine Unverschämtheit wäre in Leipzig nicht denkbar. Was bilden sie sich in Lehne ein?
    Mehr Zugeständnisse gehen ja nun wirklich nicht. Oder sollen die überzähligen Kinder in Markranstädt auf der „Grünen Wiese“ unterrichtet werden???

      • kleiner Beobachter auf 8. Februar 2020 bei 21:28
      • Antworten

      Ich denke wenn es nach einigen Leuten geht dann nicht mal auf der genannten grünen Wiese.

    • Marc Ranstetter auf 5. Dezember 2019 bei 10:36
    • Antworten

    Da will jemand alte Rechnungen begleichen. Das war zu erwarten, wenn man sich die Besetzung des Ortschaftsrates in Lehne anguckt. In Kulkwitz findet man Lösungen für Probleme, in Lehne findet man für jede Lösung Probleme. Aber vielleicht ist das Problem auch nur ein Edelgas.

    • Echter Markranster auf 5. Dezember 2019 bei 9:36
    • Antworten

    „… der Schoß ist fruchtbar noch“ – jedenfalls im kommunalpolitischen Sinne!
    Ob die Marionetten noch funktionieren? Aber im Stadtrat spielen ja auch Neue mit.

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