Obwohl der Marktplatz in den Nachtstunden noch immer von der kommunalen Christbaumbeleuchtung erhellt wird, ist es spätestens seit der zurückliegenden Woche vorbei mit der weihnachtlichen Besinnlichkeit in Markranstädt. Die Brutalität des harten Alltags hat uns wieder und wie erbarmungslos der zuschlagen kann, musste schon so mancher homo marcransis am eigenen Leibe erfahren.
Gilt das Namensschild über dem Eingang eines Gebäudes als ausreichender Warnhinweis oder kann man im Falle eines Missgeschicks gegen den Eigentümer vorgehen?
Jedenfalls steht über der Tür des Albersdorfer Unglücksgebäudes in dicken Lettern „Zur schnellen Spritze“ geschrieben. Von daher ist klar: Es kann also mal ganz fix gehen mit dem Verlassen des Ortsbegegnungszentrums in Göhrenz.
Im Geschwindigkeitsrausch
Das soll vor einigen Tagen jemand sogar mit Vmax bei einer rekordverdächtigen Beschleunigung von satten 9,81 Metern pro Quadratsekunde geschafft haben. Allerdings vertikal – und deshalb auch von dieser Stelle zunächst der aufrichtige Wunsch an Opfer, Knochen und Bänder: Gute Besserung!
Gefahr kommt von Gefährten
Die Lehre aus diesem Vorfall könnte allerdings in Zukunft hilfreich sein: Es genügt nicht, ständig nur den ordnungsgemäßen Zustand der vier Beine des Amtssessels im Auge zu haben und auf herumliegende Sägespäne zu achten. Auch die Absätze der Heels und witterungsbedingte Einflüsse auf das Gefüge von Bodenluken können im Klassenkampf empfindliche Bedrohungen entwickeln.
„Gefahr in Verzug“ oder: Führen ohne Führerschein
Jedenfalls soll ein Grund wie dieser auch Anlass gewesen sein, warum am Donnerstag im Markranstädter Stadtrat aus dem Status „Gefahr im Verzug“ die Tatsache „Gefahr eingetreten“ wurde. Die Bürgermeisterin musste die Versammlungsleitung aus Gründen der Rekonvaleszenz einem Stellvertreter überlassen. Den sie eigentlich gar nicht hat. Führen ohne Führerschein sozusagen.
Apropos Gefahr im Verzug: Was alles zu den Gefahren zählt, vor denen die deutsche Politik ihre Bürger schützen zu müssen glaubt, erklärt die Stadt Leipzig auf ihrer Homepage.
Gefahr in homöopatischen Dosen
Dort sind Gegenmaßnahmen zu all dem aufgelistet, was unsere Gesellschaft in ihren Grundfesten erschüttern könnte. So unter anderem Waffen, Sprengstoff, Kampfmittel, ausländische Vereine, Kampfhunde, Giftschlangen und ähnlich gefährliches Gedöns. Alles längst bekannte Gefahren, aber der letzte Punkt in der Liste lässt trotzdem aufhorchen. Denn auch die „Beantragung einer Heilpraktikererlaubnis“ zählt in Leipzig zu den Maßnahmen der Gefahrenabwehr.
Da ist man in Markranstädt schon längst einen Schritt weiter. Die beiden im Stadtrat verbliebenen Heil-Praktiker waren eh nicht da und bevor hier versehentlich ein mit Bachblüten experimentierender Scharlatan stellvertretend eine Stadtratssitzung leitet, hat man diese Aufgabe lieber gleich einem approbierten Mediziner übertragen.
Zulassung durch Ärztekammer
Vielleicht sollte man dieses Pilotprojekt für alle Posten in der Politik anwenden? Nur wer die Zustimmung der Ärztekammer vorweisen kann, darf ein politisches Amt übernehmen: Da würde sich so manches Problem nicht nur ganz wie von selbst lösen, sondern andere vielleicht auch gar nicht erst entstehen?
Der politicus interruptus
Jedenfalls wurde die Stadtratssitzung am Donnerstag zu einer der kürzesten in der jüngeren Historie Markranstädts. Nur 15 Minuten nach dem Gong war die Duma schon bei Tagesordnungspunkt 10 angelangt und nach 61 Minuten hatte der Arzt die Sprechstunde beendet – politicus interruptus.
Die Eile war auch geboten, denn nach der Verabschiedung von Saskia Kunth ist im Bauamt kaum noch jemand übrig geblieben, der sich um das Loch im Dach über dem Ratssaal kümmern könnte. Und so muss es in den nächsten Jahren wohl erstmal dieser rumänische Dachziegel richten.
Was war sonst noch so los in der zurückliegenden Woche? Ach ja, ein Aufruf hat die Runde gemacht. Wer den Mut hat, sein Gesicht zu zeigen, kann das offenbar am Sonntag auf dem Marktplatz tun. Allein der, die oder das Initiatoren ließen selbigen vermissen und riefen aus der Anonymität dazu auf.
Rrrrechts, zwo, drrrei!
Während Demonstranten im gesamten Osten immer wieder gebetsmühlenartig aufgefordert werden, genau hinzuschauen, wem sie bei Protesten hinterher laufen, scheint das in diesem Fall nicht nötig zu sein. Eigentlich ein gefundenes Fressen für die Medien, die doch schon im Vorfeld von Demos so gern die Gefahr von deren Okkupation durch rechte Trittbrettfahrer herbeischreiben. Wo also bleiben Schlagzeilen wie: „Werden auch Demos gegen Rechts jetzt von den Rechten vereinnahmt?“
Wenn uns die zurückliegende Woche eines gelehrt hat, dann die Tatsache, dass Gefahren überall lauern. Es ist sogar statistisch erwiesen, dass über 40 Prozent aller tödlichen Unfälle im Haushalt passieren – bundesweit mehr als 8.000 pro Jahr! Insgesamt verunglücken in Deutschland jährlich rund 2,8 Millionen Menschen in den eigenen vier Wänden und damit mehr als doppelt so viele wie im Straßenverkehr.
In diesem Sinne: Gehen Sie am Wochenende ruhig mal an die frische Luft. Trotz aller dort lauernden Gefahren ist das nur halb so gefährlich, als wenn Sie zu Hause bleiben.
6 Kommentare
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Eine interessante Art und Weise der Bürgermeisterin auf die weiterhin vakante Stelle und die Konsequenzen ihres Ausfalls hinzuweisen. Statt die sich damit bietende Chance zu nutzen, hat man leider wieder nur auf Altbewährtes gesetzt. War der Arzt nicht in den Unruhestand versetzt? Da ist es ja fast verwunderlich, dass überhaupt Zeit für Sitzungsleitung findet. Obwohl der ehemalige Ritter in weiß bei der Dauer seiner ehrenamtlichen Amts- und Koorperationszeit wahrscheinlich jede Stelle in der Verwaltung ausüben könnte. Hätte man doch mal einen der regelmäßig Missstände anmahnenden Besucher an das Zepter gelassen. So wie die Verwaltung weiterhin an Mitarbeitern verliert, wird es früher oder später auf die freiwilligen Einsätze der Homo marcransis ankommen. Die ersten Stadträte haben das anscheinend verstanden und sich dann auf dem Markt zum gemeinen Pöbel gesellt. Das die Gefolgsleute vom Doktor nicht zugegen waren, lässt sich nur damit erklären, dass der Regen eine zu hohe Gefahr ausstrahlte und man nicht weitere Verletzungen und Ausfälle riskieren wollte. Denn nur im Sportcenter und im Ratssaal helfen Eimer gegen das Nass von oben.
Alle Wetter, Sie wollen’s aber genau wissen. Normalerweise wäre die Kommunalaufsicht die bessere Adresse für Ihre Fragen, aber Sie haben schon recht: Von uns kriegen Sie zwar auch nur keine Antwort, dafür ist aber der Aufwand geringer und der Weg kürzer. Bitte werten Sie das zugleich als Eingangsbestätigung für Ihren Fragenkatalog. Die Antwort erhalten Sie mit dem nächsten Wahlergebnis.
Tja, wenn das so weitergeht, dann gibt’s nichts mehr, was feindlich übernommen werden könnte.
Ansonsten Augen auf bei der Wahl des geeigneten Schuhwerks, aber wenn der Kanzler im Anzug Sandsäcke schippen kann, dann kann die hiesige Herrscherin auch mit Stöckelschuhen übers Eis gehen.
Wird schon alles gut werden.
Dieses geplante Vorgehen nennt sich „Taktik der verbrannten Erde“ und ist eine erfolgreiche Strategie. Sie werden mal noch dankbar sein. Aber mal was anderes: Sie glauben wirklich an die Verschwörungstheorie, dass sich Olaf der Vergessliche die Augenklappe beim Sandschippen geholt hat?
Das sind ja interessante Neuigkeiten in jedem Abschnitt eurer Recherchen. Gefahr in Verzug in jeder Hinsicht! Jedes Gebäude hat seine Geschichte und den Altkameraden von Albersdorf und Göhrenz kommen sicher die Tränen, die am damaligen Bau mitgewirkt haben. Der „Dachschaden“ ist ziemlich groß und leider nicht nur auf den kommunalen Gebäuden. Personalmangel in der öffentlichen Verwaltung ist eigentlich undenkbar. Personalkostensenkung ist das eine, das andere die Erfüllung der anstehenden Verwaltungsaufgaben. Leipzig beäugt hier hoffentlich nicht, wir wollen doch im Landkreis bleiben und sind auf die anstehenden Kommunalwahlen gespannt!
Mit den Planungen für ein neues Ortsbegegnungszentrums ist die Lösung des Problems mit der „Schnellen Spritze“ ist schon in Sicht. Die Blaupause dafür liefert der einstige Sozialbau des Seglervereins am Kulki. Sollte mal ein Klo werden, jetzt breiten sich dort blühende Landschaften aus und niemand spricht mehr drüber.