Markranstädt feiert Beginn einer neuen Bau-Epoche

Der Frühling kommt und schickt mit den ersten Blüten farbenfrohe Boten ins Land. Obwohl Markranstädt nicht gerade als Mekka für die Beute summender Bienen gilt, werden die wenigen bunten Farbtupfer hier besonders gut wahrgenommen. Ja, man könnte sagen, in keiner anderen Stadt kommt der Frühling so auffällig ins Land wie in Lallendorf. Die Markanstädter Nachtschichten sind der Frage nachgegangen, warum das so ist und stießen dabei auf erstaunliche Hintergründe.

Farben kommen am besten durch Kontraste zur Geltung. Das hat schon der alte Goethe erkannt, als er in seinem Osterspaziergang geputzte Menschen der Kirchen ehrwürdigen Nacht gegenüber stellte.

Genau diesen Effekt machen sich die Markranstädter Stadtplaner schon seit Jahren zunutze. Was einst mit der in lebensbejahendem Anthrazit gehaltenen Fassade des Bürgerrathauses begann, hat sich, unmerklich und in sämtlichen Schattierungen von Suizid-Schwarz bis Psycho-Grau variierend, inzwischen durch die ganze Stadt gezogen.

Unter Millionen möglicher Farbtöne genau den richtigen getroffen: Im Bürgerrathaus "Abendfrieden" öffnen sich die Pulsadern von ganz allein..

Unter Millionen möglicher Farbtöne genau den richtigen getroffen: Im Bürgerrathaus „Abendfrieden“ öffnen sich die Pulsadern von ganz allein..

Am liebsten natürlich, weil die grüne Energiekommune auch ihren in zahllosen Grabenkämpfen hart erarbeiteten Ruf als Stadt der Schwarzmaler zu verteidigen hat, werden in der Gebäudekosmetik Markranstädts dunkle Töne verwendet.

Dunkel wie die Stimmung

Das könnte als Reminiszenz an die ebenso lichtkarge Vergangenheit einiger Protagonisten interpretiert werden, oder aber als einzigartiger optischer Geniestreich.

Denn inzwischen haben sich die dunklen Gestaltungselemente im ganzen Stadtbild ausgebreitet und bieten so einen herrlichen Kontrast zu den wenigen bunten Blüten, die es zwischen Pflastersteinen und Hundekacke ans Sonnenlicht schaffen.

Lebensbejahende Farbenvielfalt

Auf diese Weise wird selbst der lächerlichste Löwenzahn zu einem echten Hingucker im urbanen Ensemble und jede einzelne Blüte wird wahrgenommen wie ein Schritt in den Garten Eden.

Kein Wunder, dass der Transitverkehr in der Zwenkauer Straße bis zum Anschlag auf die Tube drückt. Nur schnell weg.

Kein Wunder, dass der Transitverkehr in der Zwenkauer Straße auf vmax beschleunigt. Nur schnell weg.

Kein Wunder, dass in diesen Frühlingstagen auch die Menschen aufblühen wie mit Glyphosat gedüngte Lebensbäume.

Markranstädter Depressionismus

Es ist die in dezentem Dunkel gehaltene Architektursprache der Stadt, die als Stein gewordene Ausdrucksform der Lebensfreude selbst auf Transitreisende einen nachhaltigen Eindruck hinterlässt. Dankbar steht der Fuß auf dem Gaspedal, wo man jetzt mit Tempo 50 wieder schneller draußen ist.

Schon spricht man in Fachkreisen von der begonnenen Epoche des „Markranstädter Depressionismus“, der sich anschickt, von der Stadt am See aus seinen Siegeszug durch ganz Europa anzutreten.

Aber zunächst gilt es in der Zschampert-Metropole, die letzten nicht gesellschaftskonformen Architektursünden vergangener Jahrhunderte mit Stumpf und ohne Stil auszurotten.

Der jüngste Erfolg beim Siegeszug des "Markranstädter Depressionismus": Stimmungsaufheller in der Parkstraße.

Der jüngste Erfolg beim Siegeszug des „Markranstädter Depressionismus“: Stimmungsaufheller in der Parkstraße.

Nachdem man es zunächst den Kräften der Natur überlassen hatte, hässliche Bauwerke wie jenes in der Zwenkauer Straße, die einstige „Gute Quelle“ oder den Saal des Volkshauses sturmreif zu schießen, werden nun die letzten widerstandsfähigen Mauern aus dem Zeitalter der entarteten Baukunst in einem finalen Akt kommunalpolitischer Architekturkritik hinter moderne, grauschwarze Planken deportiert. Aus den Augen – aus dem Sinn.

Angesteckt vom farbenreduzierten Kaleidoskop des Stadtbildes haben jetzt auch die Steinbauern in den neuen Känguruh-Siedlungen (nichts im Beutel, aber große Sprünge) begonnen, mit Kleinbaggern und anderem Gartengerät die Grauwacke-Monolithen in ihren Vorgärten neu zu ordnen. Während man sich woanders über den Frühling freut, blickt man in Markranstädt allerdings gar zu oft in besorgte Gesichter. Verständlich, denn in wenigen Monaten schon ist wieder Herbst und wer freut sich schon auf dieses deprimierende, niederschmetternde Grau?

14 Kommentare

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  1. Schaut Euch doch mal auf zwenke37.de die Ansichtskarte zur Einfahrt in die Marienstr. an. Hier hat man historische Architektur wirklich mit Stumpf und Stil ausgemerzt. Profis sagen, neu interpretiert.

    1. Auf den Punkt gebracht: Farben waren gestern. Wie soll man das Licht am Ende des Tunnels sehen, wenn rundum alles hell und bunt ist?

  2. Ich habe mich davon nicht anstecken lassen und habe unser Haus in der Leipziger Straße voriges Jahr farbenfroh streichen lassen.

    1. Sie sind das mit dem „One-Love-Haus“?

    • Doppelrömer auf 3. April 2023 bei 7:56
    • Antworten

    Na gugge ma- mer gloobt es kaum – alles in Schwarz – nich ma e‘ Baum – nur grauschwarze Einheitstupfer – oh Demokratie – so wird’s in Lallendorf – wohl eher nie:
    Ne Genderstadt in Kunterbunt – ach wär das Schi! Ich gloobe wohl – mer komm nu off’n Hund! Was lieb ich da das Osterei, so bunt, so schön- und Eierrund. Das hängt zur Zeit bei guten Bürgern – damit’s die Grau/Schwarzen nicht tut gar zu sehr Würgen. Aber nun mall ehrlich: Grau/Schwarz und Eckig kann jeder Einfallslose. Aber Schön? Schön ist das nicht nicht! Das beleidigt das Auge der Mehrheit von Nicht-Einfallslosen!

    1. Wenn’s schon die Farbe nicht kann richten,
      dann lass uns wenigstens was reimen.

    • Spaßvogel auf 2. April 2023 bei 15:17
    • Antworten

    Da könnt ihr noch so schwarz malen, ich lass mich nicht vom Depri anstecken und hab Sonne im Herzen. Das wünsche ich euch und der Fangemeinde ebenso!

    1. Sie wohnen nicht in Markranstädt, oder?

    • Döhlener Ningeltante auf 2. April 2023 bei 13:43
    • Antworten

    Da musst du mal in die Orttsteile fahren! In Schölen z.B. wurde 33 Jahre nach Rückbau der Mauer in Berlin, vielleicht zum Gedenken (?), ein Pendant in freundlichem Betongrau errichtet! Aber wer weiss schon was die Leute zu verbergen haben?!

    1. Kunst kann und soll Anstöße geben, soll Finger in Wunden legen, sich einmischen, und Tabus brechen

      1. Richtig: Wer wollte bei diesen Tabus nicht brechen?

    2. Niemand hatte die Absicht, dort eine Mauer zu errichten. Das ist sicher nur ein antinachbarschaftlicher Schutzwall. Macht man heute so. Seien Sie froh, dass es noch Leute gibt, die mauern können.

  3. Na wer wird denn hier die trübe Stimmung im Rathaus gleich der ganzen Stadt unterjubeln wollen…?

    1. Dotr ist doch alles in Ordnung – oder wissen Sie mehr?

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