Presserummel am Kulki: Rätsel um Kisten soll heute gelöst werden

In die Hintergründe um den seit zwei Tagen herrschenden Auflauf am Westufer des Kulki kommt jetzt langsam Licht. Nachdem Polizei, Kampfmittelräumdienst und Taucher samt Booten mit Sonargeräten abgezogen wurden, sind jetzt Kräfte des Bundesamtes für Unterwasserarchäologie auf dem See unterwegs. Laut Medienberichten wurde  zunächst lediglich bekannt, dass die Nazis hier in den letzten Kriegstagen Kisten mit bislang unbekanntem Inhalt versenkt haben sollen.

Der Dämpfer und damit die traurige Nachricht gleich vorweg: Das Bernsteinzimmer können wir uns leider abschminken.

Ein Sprecher des Bundesamtes für Kunst und Kultur machte bereits am Mittwoch klar, dass „dies angesichts der geringen Größe und Anzahl der georteten Behältnisse völlig ausgeschlossen“ ist.

Medien hoffen trotzdem

Schade zwar, aber trotzdem gibt es für die sensationsgeilen Medien scheinbar immer noch genug Hoffnung auf aufsehenerregende Funde. Seit Donnerstag schießen entlang des Ufers Kameras, Scheinwerfer und Mikrofone wie Pilze aus dem Boden.

Dass sich in den Kisten Waffen oder Munition befinden, schließen die Behörden inzwischen aus, worauf auch der Abzug des Kampfmittelräumdienstes hindeutet. Wohl auch deshalb machte unter den Fernsehreportern vor Ort gestern mehrfach der Begriff „Beutekunst“ die Runde.

Befeuert wurden diese Gerüchte durch die Aussage des Ausgrabungsleiters. Warum sonst sollte er in der Pressekonferenz von „schätzungsweise 600.000 Kunstwerken“ gesprochen haben, die „zwischen 1933 und 1945 von den Deutschen in ganz Europa gestohlen oder für erzwungene Spottpreise erworben wurden“? Für die Medien vor Ort ein gefundenes Fressen für weitere Spekulationen.

Weil es man auch Munition oder Waffen nicht ausschließen konnte, wurde die Fundstelle zunächst von Polizeikräften und Kampfmittelräumdienst untersucht.

Weil man auch Munition oder Waffen nicht ausschließen konnte, wurde die Fundstelle zunächst von Polizeikräften und Kampfmittelräumdienst untersucht.

Am Abend des gestrigen Freitag dann das erste belastbare Statement: Taucher hätten schon im letzten Sommer von seltsamen Kisten berichtet, die allerdings zu tief liegen, um mit konventioneller Ausrüstung erreicht werden zu können.

Aussagen von Zeitzeugen bestätigten Funde der Taucher

Im Landesamt für Unterwasserarchäologie sei man den Hinweisen deshalb zunächst im Zuge von Recherchen nachgegangen und dabei auf zwei Zeugenaussagen von Frauen gestoßen.

Sie waren damals 13 und 15 Jahre alt und hätten sich mit ihren Eltern auf der Flucht aus Schlesien befunden. In jener Nacht vom 1. April 1945 hätten sie am Ufer des Kulki ihre Lager aufgeschlagen. Die beiden Mädchen hätten beobachtet, wie drei Boote mit Uniformierten auf den See hinausfuhren und dort etwa 20 Kisten ins Wasser warfen.

Bergung heute öffentlich

Heute Nachmittag gegen 15 Uhr soll es am Kulki nun zu einem Showdown kommen, den sich selbst die Nachtschichtler nicht kurioser hätten ausdenken können: Auf den Tag genau 78 Jahre nach ihrer Versenkung sollen die Kisten von Spezialtauchern geborgen und das Geheimnis über deren Inhalt gelüftet werden. Öffentlich!

Geo-Scan der in 44 Metern Tiefe georteten Anomalie im Kulkwitzer See.

Geo-Scan der in 44 Metern Tiefe georteten Anomalie im Kulkwitzer See.

Wer nicht dabei sein kann, muss sich allerdings nicht ärgern, denn selbst die Tagesschau hat seit gestern einen Übertragungswagen am Ufer und wird dem Ereignis sicher die eine oder andere Sendeminute einräumen. Und falls nicht: Die Strandspione der Markranstädter Nachtschichten sind garantiert vor Ort.

16 Kommentare

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  1. Dazu ein persönliches Erlebnis: vor etlichen Jahren Jahren war ich bei einem Tauchgang in unserem schönen See unterwegs. Etwa Mitte See ich war bei 30 Metern, entdeckte ich diese Kisten ca. 10 Meter tiefer. Meine Taucherlaubnis geht nur bis 30 Meter, deshalb konnte ich die Sachen nicht untersuchen. Plötzlich erschien ein Schatten und unter mir glitt ein 5 Meter langes Ungetüm vorbei und verschwand wieder. An der Tauchbasis erzählte ich von meinem Erlebnis und sofort wurde eine großangelegte Suchaktion gestartet, leider erfolglos. Das Ungetüm wurde nie wieder gesichtet.

    1. Stimmt! Die Schlagzeilöe „Nessi ist in den Kulki umgezogen“ wartet bei den Qualitätsmedien schon lange auf die Veröffentlichung. Angesichts Inflation, Krieg und 9. Coronawelle war nur noch kein Platz dafür.

    • Tilo Leti auf 1. April 2023 bei 11:13
    • Antworten

    Ja ja- wenn’s die MN nicht gäbe würden wir aus und von diesem verschlafenem Ort M. nichts mitbekommen das Sensationelles hier geschieht…

    1. Und das Bernsteinzimmer wurde in Markranstädt tatsächlich entdeckt. Ein Zahnarzt hat es im Mund eines Patienten gefunden.

    • Conny Rahn auf 1. April 2023 bei 11:02
    • Antworten

    Falls ich in meiner Erinnerung nicht ganz stark eingeschränkt bin, wurde bis 1963 Kohle gefördert. Die aus Schlesien Geflüchteten meinen bestimmt ein anderes Restloch. Ist ja auch schon so lange her. Kann am 1. April durchaus mal passieren.

    1. Was haben schlesische Flüchtlinge und Braunkohle mit 1963 zu tun? Hier geht es doch um eine ganz andere Problematik.

    • Bar Bier auf 1. April 2023 bei 10:26
    • Antworten

    Die Anomalie sieht eher aus wie ein Beiboot der Titanic, nicht wie 20 Kisten… und wer schmeisst schon 20 Kästen Bier in den Kulki??

    1. Wer lesen kann, ist im Vorteil: Wenns aussehen würde wie Kisten, wäre es eine Nomalie und keine Anomalie.

  2. Nicht verzagen, nicht verzagen, als Ahnungloser einfach Google fragen. Auch unsere Stadtgeschichte schreibenden Ehrenbürger wussten u. wissen die Lösung zu den Ereignissen des 01.04 1945: Es war eine sehr kalte Nacht u. außer der aus Schlesien durchreisenden Familie keine weiteren Tatzeugen vor Ort!

    1. Bitte verharmlosen Sie die Geschichte nicht. Von wegen keine Zeugen: Mielkes Schergen hatten ihre Augen (und Ohren) überall!

    • Georg Deimler auf 1. April 2023 bei 9:25
    • Antworten

    In meinem Kalender habe ich am 01. April eingetragen. „Nicht an den Kulki fahren, die Gefahr ist gross, dass in den Kisten Spassbomben drin sind“.
    Da es aber 1945 noch kein Wasser im Kulki gab, wurden die Kisten wohl erst Anfang der 70er Jahre in den See geschmissen?
    Schreibt doch bitte morgen euren tollen Artikel um, aber da ist schon der 02. April!

    1. Nein, die Kisten wurden eingegraben und erst später wurde unter Tage und danach drumherum ein See ausgebaggert. Unerträglich, dass man heute so fröhlich und unbedacht ins Wasser springt, bei so viel dunkler Vergangenheit.

  3. Glänzend recherchiert. Aber vielleicht etwas voreilig geurteilt:
    Auch kurz nach dem Ersten Weltkrieg sollen sich ähnliche Szenarien angespielt haben. Aber zu dieser Zeit waren es große Mengen an Waffen und Munition, die von Reichswehrsoldaten in Folie eingeschweißt und versenkt wurden. Direkt neben dem Bahndamm der Strecke Markranstädt- Lausen hinein in den See. Die Kampfmittelbeseitiger sollten wieder anrücken!

    1. Ein alter Hut! Das Depot wurde schon vor 40 Jahren von der Stasi unschädlich gemacht. An einer der Waffen war ein GPS-Sender angebracht, der die Genossen 1983 auf die heiße Spur führte.

    • markranster auf 1. April 2023 bei 8:26
    • Antworten

    War da nicht was mit dem 1. April…dennoch…als die Amis 1945 in Markranstädt einmarschiert sind, zeigten sie meinem Opa eine Karte, auf der tatsächlich ein See nahe Markranstädt eingezeichnet war. Nun wollten sie von meinem Opa wissen wo dieser See war…vielleicht ist er zwischenzeitlich zugeschüttet worden…?

    1. Hach ja – der „Patronenteich“. Nicht nur zugeschüttet, sondern auch beräumt. Der Volksstturm hatte sich dort seiner Waffen entledigt, was erst Ende der 1950er Jahre ans Licht kam, als an der Kulkwitzer Schule ein Junge mit einer Panzerfaust zum Unterricht kam. Kein Scherz…

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