Markranstädter Themenabend im Kreistag

Kommt selten vor und ist deshalb auch mal eine MN-Betrachtung wert: Die gestrige Sitzung des Kreistages avancierte geradezu zum Themenabend von, für und über Markranstädt. Aber nicht nur das machte die Veranstaltung so interessant. Die Themen behandelten eine Problematik, die hier vor Ort im aktuellen Wahlkampf bisher bestenfalls als kalorienarmes Dessert auf dem Tablett lag. Also kümmerten sich gestern Abend die 66 anwesenden Kreisräte im Hauptgang darum.

Zwei Anträge waren es, die Markranstädt entweder direkt berührten oder indirekt berühren könnten. Beide behandelten das Thema Flüchtlingspolitik und beide wurden abgelehnt.

Und weil wir gerade bei der Zahl 2 sind: Heute morgen lagen bereits zwei Stellungnahmen aus Markranstädt in der MN-Mailbox. Eine von CDU-Kreisrätin Heike Helbig und eine von der Unabhängigen Wählervereinigung (UWV), der auch Jens Spiske angehört. Aber der Reihe nach.

Beginnen wir mit dem Antrag der Fraktionen von Bündnis90/Die Grünen und Die Linke, eingereicht unter anderem vom Markranstädter Stadtrat Tommy Penk. Er lautete: „Der Landkreis Leipzig macht sich für eine weitere freiwillige Aufnahme minderjähriger Flüchtlinge aus Griechenland stark und benennt entsprechende Kapazitäten.“

Erster Aufhorcher

Da war klar, dass gerade die Abgeordneten mit Markranstädter Migrationshintergrund die Ohren spitzen würden. Schließlich zählt das gelbe Hotel zu den ersten Adressen, wenn es im Landkreis Neuankömmlinge zu verteilen gilt.

Entsprechend hart gingen Helbig und Spiske in ihren Redebeiträgen sowohl mit den Antragstellern als auch dem Vorhaben ins Gericht. Das Papier wurde sozusagen verbal geschreddert. Heike Helbig fasste sich kurz, brachte das Kernproblem dennoch klar auf den Punkt. Man könne bundesweit geltende Regelungen nicht übergehen.

Markranstädt lehnt ab

Ein Beschluss wäre daher aufgrund rechtlicher Aspekte nicht umsetzbar, die CDU werde ihn deshalb ablehnen, sagte Helbig und schloss mit den Worten: „Darüber hinaus gibt es in Deutschland einen festen Verteilschlüssel. … Wir sollten deshalb alles dafür tun, dass dieser Mechanismus nicht durch symbolische Beschlüsse ausgehebelt wird.“

Etwas ausführlicher fiel die ebenfalls ablehnende Stellungnahme von Jens Spiske aus. Zu lang und zu detailreich selbst für eine satirische Interpretation, weshalb UWV-Fraktionsvorsitzende Ute Kniesche mit einer als Zusammenfassung generierten Pressemitteilung der Bequemlichkeit von Presse und Satirepäpsten Vorschub leistete.

Darin wurde auch auf die besonderen Merkmale des Hotels als Gemeinschaftsunterkunft eingegangen. Zu teuer, nicht angemessen, mangelnde Betreuung. Eigentlich ist die Liste noch länger, aber es musste ja auch noch Platz zum Austeilen bleiben.

 

Nicht nur gegen die Antragsteller, sondern auch in Richtung SPD und CDU, die mit ihren Abstimmverhalten seinerzeit den Weg zur Umnutzung des Hotels geebnet hätten. Und auch Spiskes Herausforderin Nadine Stitterich kam nicht ungeschoren davon.

So lässt Kniesche wissen: „Und nun kommt dieser Antrag genau derjenigen Fraktionen, die seinerzeit für die Gemeinschaftsunterkunft in Markranstädt gestimmt haben und aktuell aktiv die Kandidatin um das Bürgermeisteramt Nadine Stitterich unterstützen. Wohin dann der Weg politisch in Markranstädt geht, kann sich jeder denken.“

Retour nach Markranstädt

Damit wäre das Thema kurz vor Toresschluss dann doch wieder im Markranstädter Wahlkampf angekommen. Leider nur der ernste Teil, denn auch satirisch hatte der Antrag allerhand Potenzial als Schenkelklopfer.

So ist das gemeinsam mit der Verwaltungserläuterung ausgereichte Papier beispielsweise mit der Überschrift versehen: „Wortlaut des Antrages (einschließlich Deckungsvorschlag bei finanziellen Auswirkungen). So weit, so gut.

Kosten? Je nachdem…

Als Deckungsvorschlag bei finanziellen Auswirkungen haben sich die Antragsteller dann aber wahrscheinlich beim Tageshorrorskop in der Apothekenrundschau bedient. Wörtlich endet der Antrag mit der Formel: „Finanzielle Auswirkungen: Richtet sich nach der Anzahl der Personen“.

Okay, das klingt wenigstens nach was und ist immer noch gehobener formuliert als die Grundrechenoperation „Kosten: je nachdem“. Also hat sich die Kreisverwaltung mal hingesetzt und die Preisgestaltung ermittelt.

Kalkulation offenbart 1,3 Millionen

Demnach sind im Landkreis noch 18 Plätze für die Aufnahme unbegleiteter minderjähriger Ausländer (UMA) frei. Die Unterbringung eines UMA kostet aktuell 200 Euro pro Tag. Macht bei 18 UMA’s nach Adam Ries über 1,3 Millionen Euro pro Jahr. Hinzu kommt, auch darauf weist die Kreisverwaltung hin, das Recht auf Familiennachzug.

Alles machbar. Wenn man’s hat. Aber genau diese Aufklärung ließ der Antrag vermissen. Weder waren die Kosten aufgeführt, noch gab es einen Hinweis darauf, woher das Geld kommen soll. Und wie eigentlich immer wurde auch ein Ansatzpunkt vermisst, wie man es dem Volke erklären will.

Das kennt zwar die Bilder der kleinen Kinder aus den Lagern am anderen Ende Europas, aber zugleich auch die Filme von hier ankommenden Minderjährigen, deren Bartwuchs auf Höhe gefühlter 1,90 im Alter von 12 Jahren prächtiger wuchert als der von Karl Marx. Da ist noch mehr Vorarbeit zu leisten als reine Kalkulation und Auspreisung.

Sicher auch aus Respekt vor Reaktionen der Wähler, aber eben auch vor dem Hintergrund der unausgereiften Forderung, wurde der Antrag bei 22 Ja-, 42 Gegenstimmen und 2 Enthaltungen abgelehnt.

Hotelkündigung abgelehnt

Damit ereilte dieses Papier das gleiche Schicksal wie der Antrag der AfD-Fraktion, den Vertrag zum Betreiben der Gemeinschaftsunterkunft im ehemaligen Hotel zum Quartalsende zu kündigen.

Der Landkreis sollte die Option eines Sonderkündigungsrechtes ziehen, weil „zum Zeitpunkt der Unterzeichnung des Vertrages das Anwesen bauordnungsrechtlich nicht genehmigungsfähig war“ und darüber hinaus derzeit weder die Brandmeldeanlage noch die Ablufteinrichtung der Küche funktionieren würden.

Begründete Enthaltung

Dass sich sowohl Spiske als auch Helbig der Stimme enthielten, begründeten sie zwar mit unterschiedlichen Worten, im Kern jedoch mit dem gleichen Standpunkt.

Das Hotel sei für die Unterbringung von Flüchtlingen in keiner Weise geeignet. Zentrale Lage, enge Bebauung zur Nachbarschaft, kein eigenes Außengelände, Konzentration unterschiedlichster Kulturen auf engem Raum, eine Gemeinschaftsküche für 150 Bewohner und so weiter.

Insofern sind beide für eine Schließung der Gemeinschaftsunterkunft, sehen in der Begründung des AfD-Antrages jedoch keine rechtlich belastbare Grundlage für die Wahrnehmung eines Sonderkündigungsrechtes. Trotzdem forderten sowohl Helbig als auch Spiske vom Landkreis, auf die Option der Verlängerung des Vertrages nach 2024 um weitere zwei Jahre zu verzichten.

Heute Abend: Stadtrat

Schlussendlich wurde der Antrag auf vorzeitige Kündigung mit 13 Ja- und 40 Neinstimmen sowie 13 Enthaltungen mehrheitlich abgelehnt. Damit war dann auch der Markranstädter Themenabend im Kreistag abgeschlossen. Heute geht’s im KuK auf niederer Ebene nahtlos weiter. Der Stadtrat tagt!

 

12 Kommentare

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    • Bürger auf 16. Oktober 2020 bei 15:01
    • Antworten

    https://www.youtube.com/channel/UCuA5DQUyv4EwuGaloR_LAwQ/videos
    https://www.youtube.com/watch?v=_Zmzlg0CQNM

    Damit man weiß, was man da so unterstützt hat, stelle ich mal ein paar Links zur Verfügung.
    In der LVZ ist ja nichts geschrieben und woanders leider auch nicht.
    Wie sagte Spiske immer….
    Alles nur Hörensagen, wirklich?

    • Mark Ranzi auf 9. Oktober 2020 bei 9:24
    • Antworten

    Wie nun völlig klar ist tritt hier keiner für die Schließungen der Unterkunft ein. Unser BM möchte die die Sache bis 2024 aussitzen. Der Stadtratsbeschluss im Februar sah da eigentlich anders aus. Der BM sollte den Landrat auffordern den Betreibervertrag zukündigen und nur hilfsweise darauf drängen, dass der Vertrag nicht über die 8 Jahre verlängert wird. So wurde es beschlossen. Insofern sind die Stellungnahmen der Beiden eine Posse.
    Der nächste Antrag im Stadtrat sollte lauten:“Da der BM die Beschlüsse des Stadtrates nicht umsetzt, ist er zum Rücktritt aufzufordern. Hilfsweise (aber nur hilfsweise) ist der Stadtrat aufzulösen!“ Durch die Enthaltung hat der BM seinen und die Heike den Wahlkampf vom Bär torpediert. Ich kenn da Eine, die hat sich entspannt zurück gelehnt und genießt die Show. Glück gehabt. Musste ihr naja, ja, nein, vielleicht nicht öffentlich äußern.

      • Bekannt auf 9. Oktober 2020 bei 12:02
      • Antworten

      @Mark Ranzi
      Ihre Darstellung entspricht nicht ganz den Fakten. Beide, sowohl Fr.Helbig als auch der BM haben sich der Stimme enthalten, weil die im AfD-Antrag aufgeführten Formalien keinen außerordentlichen Kündigungsgrund darstellen. Hier läuft in Wahrheit seit Jahren ein Katz- und Maus-Spiel zwischen dem Betreiber (itb) und dem Landkreis.
      Helbig und Spiske haben beide bei dem entsprechenden TOP im Kreistag ihre Stimmenthaltung begründet und prinzipiell den Landkreis aufgefordert, keiner Verlängerung des Betreibervertrages zuzustimmen. Das ist formal ein anderer Fakt, ob ich über eine Verlängerung abstimme, oder ein nicht gegebenes Sonderkündungsrecht.
      Bezüglich der Aufnahme von UMA‘s haben sich beide gegen den GRÜNEN-Antrag ausgesprochen und zurecht auf den mangelnden Antrag hingewiesen. Näheres sehen sie u.a. in obigen verlinkten Beiträgen. Das lohnt, zu lesen …

        • Nachbar auf 9. Oktober 2020 bei 12:55
        • Antworten

        Sorry, aber das stimmt so nicht. Ich nenne Ihnen sofort 3 Gründe, die das Sonderkündigungsrecht sogar zwingend machen würden. Nur leider will das keiner hören!
        Machen Sie mal einen Imbiss auf ohne Abluft & ohne Fettabscheider, der ist so schnell zu, daß ihnen die Bratwurst nicht mal anbrennt.
        Ach ja, Rauchmelder und Brandschutz bräuchten Sie dann nicht mehr
        Katz und Mausspiel

        • Mark Ranzi auf 9. Oktober 2020 bei 13:18
        • Antworten

        Das mit dem Katz und Maus Spiel bedarf genauerer Betrachtung. Ich seh dabei nur eine Katze bestehend aus einem Maul das vorne frisst und einem Arsch der hinten schiebt. Mäuse? Ja, Mäuse ist ein guter Ausdruck für unser aller Steuergeld.
        Ist es nicht so, dass der Betreiber deutlich weniger Geld bekommt wenn das Haus leer steht?
        War es nicht das LRA welches mit aller Macht Betreiber und Objekt durchgedrückt hat?
        Ich glaube wenn man wirklich suchen würde, würde man auch etwas finden, dass die Kündigung rechtfertigt. Gerade bei diesem Betreiber.
        Der Kreistag ist doch ein Entscheidungs- und Kontrollgremium des LRA?
        Deshalb wäre meiner Meinung nach eine klare Positionierung auch gegenüber dem Landrat wichtig gewesen um Ihn zum Handeln zu bewegen. Ist jetzt aber nur so zielführend gedacht. Mal ohne die ganzen zum Teil auch juristischen Spitzfindigkeiten, die da so verbal oder in Stellungnahmen stattfinden.

          • Bekannt auf 9. Oktober 2020 bei 23:59
          • Antworten

          Sorry, aber ich muss da einfach nochmal darauf eingehen. Wir liegen da insgesamt gar nicht soweit auseinander. Auch die Feststellung von ‚Nachbar‘ ist völlig zutreffend. Das ist politisch nicht gewollt seitens des LRA.
          Fakt ist jedoch, dass damals bei der alles entscheidenden Sitzung im Kreistag als einzige die UWV und damit Spiske GEGEN die Unterbringung in der GU gestimmt haben. Die CDU hat sich erstmals komplett als Fraktion der Stimme enthalten (und eigentlich ihren Herrn Landrat damit düpiert) Die LINKE, die GRÜNEN und die SPD haben dann mit ihrer Mehrheit den Beschluss erst möglich gemacht. Vor Ort engagiert hat sich bis auf eine mir bekannte Ausnahme keine der genannten Parteien. Aber jetzt gleich mal noch UMA‘s unterbringen. Auch das hatten wir in der GU schon für ein paar Monate. Ist kläglich gescheitert.
          Ich selbst war 2 x zum Gespräch im LRA … es war den Weg nicht wert.
          Fragen Sie mal, warum z.B. am Wohnsitz/ bzw Wahlkreis von Fr.Köpping (SPD und lange unsere Vorzeige-Integrationsministerin) und Herrn Oliver Fritzsche (CDU) nie eine Sammelunterkunft entstanden ist.
          Ein Schelm, wer arges dabei denkt

    • uta Lüngen auf 9. Oktober 2020 bei 8:22
    • Antworten

    Ein endloses Thema… aber wieso kostet ein UMA 200 € pro Tag? Das sind 6.000€ pro Monat, das hat keine Familie zur Verfügung. Wie kommt man auf die Zahl?

    1. Das ist der wirklich traurige Fakt, dass kaum jemand danach fragt und viele nicht wissen, dass die UMAs nahezu nichts davon haben. Der Großteil (190 Euro) geht an den Betreiber der UMA-Einrichtung Waldsteinberg. Weitere 4 Euro gibts für Krankenversicherung und Dolmetscherkosten und lediglich 6 Euro sind für Taschengeld, Bekleidung und andere Beihilfen vorgesehen. Aber zu all dem kommen laut Kreisveraltung noch rund 3.900 Euro Verwaltungskosten pro UMA und Jahr dazu. Ist klar, dass man da mit einem Antrag „Kosten je nachdem“ abblitzt.

        • Ein informierter Bürger auf 9. Oktober 2020 bei 10:52
        • Antworten

        Es wäre wohl tatsächlich besser andere Wege zu beschreiten. So könnte man die sogenannten UMAs in Familien unterbringen (analog zu Pflegefamilien) und denen einen entsprechenden Zuschuss gewähren. Ich könnte mir denken, dass das preisgünstiger und effektiver wäre.
        So wird unheimlich viel Geld „verbrannt“ und kommt den Profiteuren der sogenannten Flüchtlingskrise zugute. Leider!

      • Mark Ranzi auf 9. Oktober 2020 bei 11:22
      • Antworten

      Geben Sie Ihr Kind mal beim Jugendamt ins betreute Wohnen.
      Dann lassen Sie sich den Kostenbescheid kommen weil Sie das gern übernehmen wollen. Sie werden staunen was da für eine Summe mtl. zusammenkommt. Nicht ganz so viel wie bei den UMAs aber 5.000 sind da schon drin.
      Also wenn Sie mal richtig Asche machen wollen, dann einfach eine (früher sagte man Kinderheim) Verwahranstalt für Kinder betreiben. Lohnt sich.

      • Bürger auf 9. Oktober 2020 bei 11:59
      • Antworten

      Fragen sie mal, was die anderen kosten, dann kennen sie den Goldpreis

        • Mark Ranzi auf 10. Oktober 2020 bei 15:12
        • Antworten

        Ist mir absolut klar. War auch nicht als Relativierung des Problems gedacht. Das Strickmuster dieser Unterbringungsindustrie ist nur das Gleiche.

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