Neues aus der vierten Etage (10)

Beim Rückblick auf die 10. Sitzung der Markranstädter Duma am Donnerstagabend im KuK können wir uns diesmal getrost auf die rein satirischen Momente zurückziehen. Die sechs Beschlüsse auf der zwölf Punkte umfassenden Tagesordnung konnten deren Unterhaltungswert nicht annähernd das Wasser reichen und der Rest war eh langweilig.

Noch bevor der Vorhang offiziell gehoben wurde, gabs Glückwünsche für Dr. Kirschner (St. Volker) und Roland Vitz (beide CDU) für langjähriges kommunalpolitisches Engagement. Respekt und Glückwunsch auch von uns!

Der Bürgermeister überreichte beiden je ein Textil, das viele der Anwesenden als Saunatuch erkennen wollten. Groß genug, um den Aufdruck „Markranstädt“ zu tragen, aber auch lang genug, um sich beim Gang ins Abkühlbecken vorm Wähler nicht zu blamieren?

Bürgerredestunde

Schnell weg von diesen Bildern – und hin zur Bürgerfragestunde. Die offenbarte wieder einmal akuten Handlungsbedarf für das kommende Stadtoberhaupt. Selten mal, dass eine Frage nicht dazu diente, als Transportmittel für ein komplexes politisches Statement zu dienen, noch seltener ein erkennbares öffentliches Interesse.

Hier muss das wahlweise neue oder alte Stadtoberhaupt demnächst reagieren. Entweder durch Unterbindung solcher Auslassungen und Fokussierung auf die eigentlichen Fragen oder Erweiterung des Kompetenz-Teams am Kopf der Ratstafel um Sexualtherapeuten, Sozialarbeiter und vielleicht auch einen Koch. Wir sind für letzteres!

Das Schweigen der Lämmer

In Sachen Informationslage steuert Markranstädt ohnehin auf harte Zeiten zu. Nachdem jüngst eine neuerliche Dienstaufsichtsbeschwerde (DAB) gegen den Bürgermeister scheiterte, konterte die prüfende Behörde beim Landkreis jetzt mit einer geradezu spektakulären Forderung.

Die konnte und durfte Spiske seinen Stadträten nicht vorenthalten. Allerdings stellt sie die gesamte liebgewordene Kommunalpolitik in Markranstädt auf den Kopf.

Offenbar hat man im Landratsamt festgestellt, dass die DAB einige Fakten enthielt, die der Beschwerdeführer selbst als noch so aufmerksamer Bürger gar nicht wissen können dürfte. Spiske zitierte die Forderung der Behörde:

„Beschlussvorlagen, Erläuterungen dazu sowie deren Anlagen dienen ausschließlich dem jeweiligen Stadtrat zur Vorbereitung und Meinungsbildung und sind Dritten nicht weiterzugeben. Diesbezüglich wird dringend empfohlen, die Stadträte der Stadt Markranstädt in einer der nächsten Stadtratssitzungen aktenkundig eindringlich auf ihre allgemeinen sowie die Verschwiegenheitspflichten hinzuweisen.“

Da kommen harte Zeiten auf uns zu. Nicht nur, weil das Außenlager des Rathaus-Archivs damit im Handstreich ausgetrocknet werden soll. Wenn Spiske die Forderung wörtlich nimmt und so umsetzt, gibt’s für den gemeinen Promuchel künftig nicht mal mehr eine Tagesordnung zu lesen. Bestenfalls hinterher.

Aber wollen wir mal nicht so pessimistisch in die Zukunft blicken. Vielleicht wäre das sogar ganz gut so? Im Mittelalter war das Wissen auch nur den klösterlichen Gemeinschaften vorbehalten. Während das Volk noch glauben musste, dass die Erde eine Scheibe ist, wussten die bekutteten Zölibaten zwar von der Kugel, aber was hat es ihnen genützt?

Zumindest für die Markranstädter Geschichtsschreibung könnte der archivierte Bestand des dann aufmerksamen Historikers noch immer von immenser Bedeutung bleiben.

Auch die Kulkwitzer Vernässungsflächen waren mal wieder Gegenstand an der Ratstafel. Da standen verschiedene Lösungsvorschläge für das zur Zeit ausgetrocknete Problem zur Diskussion und einer davon nun zur Abstimmung. Aber was dann kam, ließ das Herz des Satirikers auf die Größe eines saftigen Steaks wachsen.

Zur Erinnerung: Noch vor drei oder vier Jahren wollte niemand das Wasser aus den Vernässungsflächen haben. Kulkwitz war bereits abgesoffen, Thronitz sah sich von möglichen Jahrhundertfluten bedroht und andere Randgebiete wollten am liebsten Fördermittel für einen B-Plan beantragen, in dem für das ankommende abgepumpte Nass eigene Poldergebiete ausgewiesen werden.

Entsprechend sah die vom Technischen Ausschuss favorisierte Lösung aus, in der die westlichen Überschwemmungsgebiete von der feuchten Sorge befreit werden. Doch statt Dankbarkeit gabs nun Kritik. Offenbar hat der Klimawandel auch einen Gesinnungswandel erzeugt. Demnach befürchtet der Quesitzer Ortschaftsrat jetzt das Austrocknen der Thronitzer Teiche und fordert eine der Lösungen, bei denen auch für die westlichen Anrainer etwas Wasser bei rumkommt.

Das wiederum brachte nach der Sitzung die Kulkwitzer Ortsvorsteherin Carmen Osang auf die Palme. „Jahrelang hat Thronitz gegen den Zufluss unseres Wassers gewettert und jetzt, wo wir es brauchen, plötzlich das!“, knöpfte sie sich ihren Quesitzer Kollegen vor.

Und in der Tat wäre der frühere Fluch für Kulkwitz jetzt ein Segen. Allein der neue, vormals oft abgesoffene Sportplatz wäre ohne künstliche Bewässerung längst eine Wüste, die sogar für Kamele lebensfeindliche Bedingungen bietet. Im schweineteuren, rund 70 Meter tiefen Brunnen herrscht schon lange Dürre und an den Wänden der Zisternen, in denen das Wasser der Vernässungsflächen gesammelt werden sollte, knistert okkulte Trockenheit.

Nie war die allherbstliche Weisheit „Wer zu spät kommt, den bestraft das Leben“ so aktuell wie heute. Da wird die LMBV ihre Planungen wohl um 180 Grad ändern und nun eine Lösung entbinden müssen, durch die Kulkwitz endlich wieder zu Wasser kommt.

Damit würde gleichzeitig der Rechtszustand wiederhergestellt, nachdem der Landkreis die gegenwärtige Trockenbrache zum See ausgerufen hat und einen Mindestwasserstand fordert. Der letzte Mahnbescheid an Petrus soll ja mit dem Vermerk „unbekannt verzogen“ nach Borna zurückgegangen sein.

Wie gesagt: Zu lachen gibt’s immer was. Und das war erst die 10. Folge der aktuellen Staffel von „Neues aus der vierten Etage“.

 

7 Kommentare

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    • Bernd Hollwitz auf 11. Oktober 2020 bei 15:25
    • Antworten

    Das Ringen um die „Vernässungsflächen“ erinnert an Schilderbürgerei!
    Das ist Provinzposse in 100 Prozent Reinkultur und für Fachleute zum Wiehern!!!

    1. Wieso „erinnert“? Die Schildbürgerei ist dort entstanden!

  1. Zur Dienstaufsichtsbeschwerde: wenn diese Verschwiegenheitspflichten durchgesetzt werden hat unser neu gewähltes Stadtoberhaupt ein Problem mit Erfüllung von Wahlversprechen. Alle drei Kandidaten stehen für stärkere Bürgerbeteiligung und verbesserte Informationspolitk. Dann braucht man sich nicht wundern, wenn immer weniger zur Wahl gehen.

    1. Der Bürger kann sich doch auch beteiligen, ohne was zu wissen. Einfach an den Straßenrand stellen und winken. Oder alles planmäßig abnicken, was früher oder später sowieso kommt, wenn sich die Volkskrankheit Parkinson so rasant weiterentwickelt. Also Kopf hoch – der wackelt bald von alleine.

    • Bekannt auf 10. Oktober 2020 bei 11:59
    • Antworten

    Klasse geschrieben! Ein Dankeschön in den Nachtschichten-Keller für die fröhliche Wochenendlektüre.
    Vermisst habe ich unter dem Bild aus einem ,unbekannten’ Archiv eine Bildunterschrift. So in etwa:„ Linker Schloßflügel, Archiv der umsonst eingereichten Dienstaufsichtsbeschwerden (sie sind alle abgelehnt worden!) nebst der illegal beschafften Unterlagen aus dem Rathaus“
    Vl. sollten die Rathausmitarbeiter demnächst, wenn sie wieder einmal ein Dokument suchen, der Einfachheit halber eine Brieftaube über die Bahn schicken … dort könnte der aufmerksame Leser fündig werden. Bestimmt … ganz bestimmt

    1. Aber das machen die doch schon längst so. Nennt sich in Markranstädt „der kurze Dienstweg“. Zwar liegt die Schranke dazwischen, aber der Archivar dort wird schneller fündig als der Sekretär im Rathaus 🙂 🙂 🙂

  2. Was ist das nur für eine Sch… mit dem Wasserloch (Neudeutsch kurz und knackig „Vernässungsfläche“). Wenn sich „kluge kommunale Entscheidungsträger“ mit Etwas (und immer zu spät) beschäftigen statt Bestehendes im Ursprung zu hinterfragen und Verstehen! Nichts Tun und Fehlentscheidungen sind ständig die Folge für uns Steuerzahler! Auf`m Dorf gibt`s ältere Menschen die wenn gefragt Zusammenhänge/Natur und Verstand für Ihre Heimatumgebung (man nennt es Natur) haben. Noch! Denn DIE sterben aus! Beeilung also. Bestraft lieber die Fehlentscheiderin. Nichts spricht gegen eine immer einsatzbereite Tradiditionspumpe mit Ablauf bei Bedarf. Kein Bedarf-keine Stromkosten im Zeitalter von Fotovoltaik. Irgendwie werden die viral
    informierten Menschen immer Schlauer und dabei wohl immer Dümmer! Ich habe fertig!!!

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