Volksversammlung auf dem Thing-Platz

Angeblich sollen ja die Griechen die Erfinder der Demokratie gewesen sein. Stimmt aber nicht. Wir, die Germanen waren’s! Nur dass das bei uns nicht Demokratie, sondern Thing hieß. Trotzdem haben beide Formen was gemeinsam. Sowohl die Germanen (unter der Gerichtslinde) und später die Wikinger (auf dem Thing-Platz) als auch die Griechen (auf der Ekklesia) gingen ihren demokratischen Neigungen unter freiem Himmel nach. An diesen Instinkt knüpfte am Freitag in Markranstädt auch die Veranstaltung „Demokratie im Park“ an.

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Es war eine in jeder Hinsicht bemerkenswerte Veranstaltung, die für alle Bürger was bot. Kunst, Kultur, Philosophie, Politik … sogar Einwohner mit satirischem Geisteshintergrund kamen voll auf ihre Kosten.

Die „Lokale Partnerschaft für Demokratie“ gibt es im Landkreis schon länger. Eine Veranstaltung mit so konkreten, aktuellen und vor allem greifbaren Inhalten wie die am Freitag in Markranstädt, gab es bislang jedoch eher selten.

Ungewohnt sympathisch: Ein Ablaufschema mal nicht als Vorgabe, sondern als Vorschlag. Einmischen erwünscht.

Es war Heike Helbigs Idee, die Veranstaltung als Startschuss für die Fortschreibung ihres „Patenkindes“ INSEK (Integriertes städtebauliches Entwicklungskonzept) zu nutzen. „Alle Markranstädter Bürger sind eingeladen, diesen Prozess zu begleiten und das Konzept mitzugestalten“, sagte sie. Und wo ließe sich das besser beginnen als auf dem Markranstädter Thing-Platz im Park vorm MGH?

Die Initiantoren des Markranstädter Thing: Siri Pahnke (Lokale Partnerschaft Demokratie), Ines Lüpfert (2. Beigeordnete des Landrats) und Heike Helbig (v.l.n.r.) im Gespräch.

Okay, die Eröffnung war mit 15 Uhr für den, der freitags nach Eins noch nicht seins machen kann, vielleicht noch etwas früh, aber die geplanten Workshops begannen eh erst später. Und die es wirklich nicht schafften, müssen sich nicht grämen. Es gibt im Laufe des Prozesses  noch ausreichend Möglichkeiten, sich einzubringen.

Übrigens: BM-Kandidatin Nadine Stitterich, direkt nach Arbeitsschluss zum Park durchgestartet, schaffte es auch gerade noch rechtzeitig zum Beginn der Workshops.

Das Youth Brass Orchester des Gymnasiums bringt die Gäste in Stimmung.

Die Eröffnungszeremonie war da allerdings schon vorbei. Nachdem das Youth Brass Orchester des Gymnasiums die noch von der Arbeit gebeugten Gäste mit flotten Rhythmen auf Trab gebracht hatte, griffen erst Siri Pahnke (Lokale Partnerschaft Demokratie), dann Bürgermeister Jens Spiske und schließlich auch die ebenfalls später hinzugestoßene Beigeordnete des Landrats Ines Lüpfert zum Mikro.

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Zwischen diesem Präludium und dem Beginn der drei Workshops konnten sich die Anwesenden an verschiedenen Ständen darüber informieren, was man unter Demokratie so alles verstehen kann.

Auch die Volkshochschule (rechts: Frank Hartmann) zählt zu den Partnern der Veranstaltung.

So war auf einem Exponat unter der Überschrift „Demokratie ist …“ zu lesen: „ Wenn nach dem Nick auch die Eva mit dem LKW spielen darf … (und ihr das vorher besprochen habt)“.

Das ist der Unterschied zu einer Diktatur. In der DDR beispielsweise mussten die Kids vorher nie über sowas sprechen. Wenn ein LKW neben dem Sandkasten rum stand, wurde er einfach genommen und damit gespielt.

Und wenn die Eva den LKW haben wollte, während der Nick damit spielte, musste sie das mit ihm nicht besprechen, sondern ihm im Gegenzug etwas dafür versprechen. Beispielsweise dass der Nick dann mit der Puppe von der Eva spielen darf. Wohlgemerkt: darf! Heute muss er, weil die Gesellschaft vorher besprochen hat, dass seine Eltern sonst von Evas Anwälten eine #metoo-Klage an den Hals gehängt kriegen.

Das CJD als Träger des Jugendclubs ist auch an Bord. Sabrina Schulze (l.)  und  Martin Kerski (mitte).

Andere Exponate an anderen Ständen waren unverfänglicher, luden aber deshalb nicht minder zum Nachdenken ein.

So wie das Plakat, das nur rum hängt. Davon gibt’s zwar in Markranstädt gerade sehr viele, aber auf keinem wurde das prägende Merkmal auch nur annähernd so aufrichtig kommuniziert wie hier.

Zwischen den Ständen wurde immer wieder die Gelegenheit genutzt, in diesen oder jenen Grüppchen zu diskutieren. Selbstredend ging es da nicht immer um Demokratie, aber trotzdem wurden die angebotenen Themen erstaunlich oft diskutiert. Inspiriert wurden die Gespräche häufig durch die Vorschläge, aber auch die Fotos mit „Markranstädter Lieblingsorten“, die an den drei in der kleinen Farm gefertigten Bäumen angebracht wurden.

Bildung, Politik und Jugend. In dieser Reihenfolge: Schul-Chefin Gabi Reißmann (l.) im Gespräch mit Jens Spiske und Vertrauennslehrerin Christiane Nestler (r.).

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Und Zeit für ein Späßchen blieb allemal. Eigens für die Markranstädter Nachtschichten ließen sich zwei ambitionierte Nachwuchskräfte der Markranstädter Kommunalpolitik zu einem interessanten Blick in die Zukunft einladen.

Im MN-Demokratiespiel „Wer wird Bürgermeister?“ schreiben wir das Jahr 2055. Mit Mandy Sörgel (SPD) und Fabian Unverricht (CDU) stehen zwei Kandidaten ehemaliger Volksparteien zur Wahl.

Hatten Spaß beim MN-Demokratiespiel „Bürgermeisterwahl“: Mandy Sörgel und Fabian Unverricht, die Markranstädter Doppelspitze ab 2055.

Diese erfolgt in Zukunft per Wahlrad, was teure Plakate ebenso obsolet macht wie leere Versprechungen oder die Aktivierung von Nichtwählern. Im Probelauf anno 2020 blieb das Glücksrad am Freitag beim Segment „Doppelspitze“ stehen…

Drei Workshops gleich vor Ort

Dann wurde es ernst. Unter den Dächern dreier Pavillions begannen die drei Workshops zu den Themen „Gestaltung des Pappelwaldes“, „Platz für Freizeit und Erholung junger Menschen“ und „Wie wollen wir das neue MGH gestalten?“

In den drei Workshops wurden Ziele definiert, Ideen gesammelt und diskutiert. In diesem hier ging es um die Frage: Wo finden junge Menschen Platz für Freizeit und Erholung in der Stadt?

Mit dabei waren neben Stadträten auch Lehrer und Schüler, Vertreter des Seniorenrates und des Arbeitskreises „Markranstädt barrierefrei?!“ auch Vertreter der Volkshochschule, des Mehrgenerationenhauses oder lokal agierender Trägervereine und tatsächlich auch Bürger der Stadt.

Während sich dieser Workshop mit der Entwicklung des Pappelwaldes beschäftigte, ging Frank Hartmann (VHS) mit den Teilnehmern des Workshops 3 im MGH der Frage nach, wie das neue Mehrgenerationenhaus gestaltet werden soll.

Die Ergebnisse der Workshops sollen jetzt in die Vorbereitungen zum öffentlichen INSEK-Auftakt einfließen, der im November geplant ist. Auch danach soll es – bis zum Ende übrigens – mit der Bürgerbeteiligung in so genannten Bürgerwerkstätten weitergehen. Da wird’s dann echt schwer, die Überzeugung vom „die machen doch sowieso was sie wollen“ aufrecht zu erhalten. Zumindest in Sachen Stadtentwicklung.

 

2 Kommentare

    • kleiner Beobachter auf 12. Oktober 2020 bei 11:10
    • Antworten

    Zwar wieder ein guter Beitrag (wie immer) aber was hatte das mit Demokratie zu tun? Es war mehr vielmehr eine doppelzüngigke Veranstaltung, wenn man bedenkt wie demokratielos die Hetze und sonstiges in letzter Woche vor der Nachwahl des BM ablief.

    1. Zwar wieder ein guter Kommentar, aber was hat der mit der Veranstaltung im Park zu tun? Oder anders gefragt: Wenn wir was über die diesjährige Apfelernte schreiben, muss das Fazit nicht falsch sein, wenn zeitgleich die Birnen an den Bäumen verfault sind.

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