Mit den Strandreportern unterwegs

Strandredaktionen sind gerade in, wie man den Qualitätsmedien entnehmen kann. Weil der Kulkwitzer See für den großen Blätterwald wohl nicht genug Laub bietet und deshalb medial unbesetzt blieb, ist der VEB Markranstädter Nachtschichten auf den Zug der Zeit aufgesprungen und hat den leeren Platz besetzt. Unsere Strandreporterin Pici Formes macht heute den Anfang.

Die Ferienzeit erstreckt sich über die Monate Juni bis September und bedeutet, dass nur noch die Selbständigen arbeiten.

Für alle anderen wird die alljährliche Chillphase gerne mit dem Attribut „wohlverdient“ versehen. Die Ferienzeit wird üblicherweise von der Weihnachtszeit abgelöst, die vergleichbar abläuft, nur kälter. Beide Zeiten haben gemein, dass man sie der (wohlverdienten) Erholung widmen möchte.

Die verdreckten Strände von Malle sind out, außerdem möchte man ja klimabewusst urlauben, regional, nachhaltig, bio und freilaufend.

Idyllisches Stillleben mit Elementen aus dem heimischen Schottergarten.

Idyllisches Stillleben mit Elementen aus dem heimischen Schottergarten.

Zum Glück haben wir in Markranstädt ein solches Erholungsgebiet direkt vor der Nase. Unser schöner Kulki soll von einer Bürgermeisterin vor sehr vielen Jahren mit den Worten umschrieben worden sein, er sehe aus wie ein See in den siebziger Jahren.

Vom Tagebau zum Plattensee

Damals sah ein See folgendermaßen aus: In der Mitte befand sich Wasser und drömmeröm wuchs Grünzeug. In dieser Chlorophyll-Hölle lebten sogenannte Vögel; kleine, gefiederte Tierchen, die so viel Krach machen, dass man die Bluetooth-Box bei dem Geblöke und Gewieher total laut aufdrehen musste … wenn man eine gehabt hätte.

Heute sieht der See zum Glück nicht mehr aus wie vor einem halben Jahrhundert, sondern hat einen schicken Fahrrad- und Rollerhighway, der dömmeröm führt. Inklusion wird auch groß geschrieben, denn auch Rollstuhlfahrer*Innen können das kühle Nass ebenfalls nutzen.

Ganz dem Zeitgeist verhaftet, können sie sich sogar im Sitzen erleichtern, während manche Männer immer noch wie Machos bis zur Hüfte in den Fluten stehen, während sie scheinbar Libellen beim Landeanflug auf Zigarettenkippen beobachten.

In dieser einzigartigen Tagebau-Folgelandschaft können tote Insekten ganz einfach mit dem Kärcher entfernt werden.

In dieser einzigartigen Tagebau-Folgelandschaft können tote Insekten ganz einfach mit dem Kärcher entfernt werden.

So langweilig naturbelassen wie einst ist er eben auch nicht mehr, der Kulki. Das Idyll wird zunehmend durch jede Menge Mülleimer gestört, meistens mehrere pro Quadratmeter … also an einer Stelle ist das zumindest so.

Markranstädt hat richtig Schotter ... und zeigt das auch.

Markranstädt hat richtig Schotter … und zeigt das auch.

Außerdem bemüht man sich bei der Gestaltung der Promenade auch immer um Trends in Sachen Nachhaltigkeit. Das jüngste Beispiel ziert den letzten breiten Strandabschnitt vor dem Hügel vor dem Wald, dort wurde ein innovativer Steingarten angelegt, dessen künstlerische Aussagekraft sich nur dem geschulten Auge erklärt.

Das blöde Grünzeug, das da seit den Siebziger Jahren rumsteht, verbrennt ja sowieso im Sommer, und die ekligen Insekten darin haben ja auch gestört. Vielleicht ist es auch ein Recyclingmodell, denn einige Markranstädter, die das Insektensterben nur im eigenen Schlafzimmer oder dem liebevoll gestalteten Schottergarten vorm Haus haben wollen, finden hier den ideologisch richtigen Anknüpfungspunkt zu ihrer eigenen landschaftsgestalterischen Religion.

Und richtig bio geht es am Seeufer sowieso zu: Freilaufend ist gut für Hühner und natürlich für Menschen, aber für Hunde kann das ja nicht gelten. Im Gegensatz zu Rauchern, Wildenten oder Hauskatzen verdrecken die das ganze Ufer, negieren eisern den ihnen zugedachten und deshalb immer sauberen Hundestrand und führen den diffizilen Akt der exkrementellen Ablage direkt im Schilf aus.

Obendrein haben sich diese Mistviecher sogar noch angewöhnt, neben ihre Haufen Papiertücher zu legen, so dass man denken könnte, die Haufen hätte ein Herrchen entbunden.

Abgesehen von diesem Ärgernis, das man bestimmt durch eine neuerliche Erhöhung der Hundesteuer aus der Welt schaffen kann, geht es also am Westufer des Kulki total trendig zu. Markranstädt ist ein nachhaltiges Ferienparadies für die ganze Familie.

4 Kommentare

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  1. Nicht zu vergessen im Paradies auch die allabendlich stattfindenden Open Air Partys mit aktuellen Hits aus der Party DJ Szene, Malle Ballermann Schlager o.ä. – immer was dabei für Groß und Klein. Dazu noch das fantastische Catering von diversen Campinggrills die zu spätere Stunden wenn alles gut läuft zu Feuer- gepaart mit Wasserspielvorführungen einladen. Sicher können sich Familien auch fühlen – der von der Stadt bezahlte Security Service fährt sicher angeschnallt im Schritttempo die Promenade auf und ab wacht mit sitzendem Auge von oben, solange es die untergehende Sonne zulässt. Also herzlich willkommen am Westufer …

    1. Ja nun – man muss auch mal genau lesen, was da seitens der Stadt sowie der Ordnungskräfte erwartet und demzufolge geboten wird. Es geht um „Präsenz zeigen“ und nicht um „Einsatz zeigen“. Ist im Prinzip wie mit dem Weihnachtsmann. Der hat mit seiner Rute auch noch nie zugeschlagen – es reicht, wenn er in der Tür steht. In diesem Sinne: „…ich werd auch immer artig sein.“

  2. Herrlich, Insekten mit dem Kärcher entfernen.
    Ihr habt mich auf dem Weg zur wohlverdienten Arbeit im abellio zum schmunzeln gebracht, der Tag ist gerettet.

    1. Wenn Sie dafür ein Auge haben, dann schauen Sie sicher ab und zu auch auf die Frontscheibe Ihres Abellio, wenn er in den Bahnhof einfährt?

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