Mit der Kavallerie unterwegs: Die Woche der Paragraphenreiter

Früher war Deutschland das Land der Denker und Dichter. Heute leben wir im Land der Zänker und Richter und entsprechend mit Paragraphen garniert war die zurückliegende vorösterliche Woche. Ganze Legionen Markranstädter Streithähne pilgerten zu den Gerichten, um Justitia die Binde von den Augen zu reißen. Zu zwei dieser Auseinandersetzungen war auch die Stadt geladen. Zwar verließ sie die Gerichtssäle in beiden Fällen als Gewinner, aber die anschließenden Siegerehrungen ließen sehr zu wünschen übrig.

So lässt die Bürgermeisterin via LVZ wissen, dass die Stadtmöbel trotz Sieges vor Gericht vorerst nicht aufgestellt werden.

Sie wolle es noch mal im Guten versuchen, um (O-Ton) „…vielleicht doch noch zu einer einvernehmlichen Lösung zu kommen.“

Okay, zu Ostern darf man mal an Wunder glauben. Gab’s ja schon mal. Da wurde einer ans Kreuz genagelt und als er tot war, wurde er gesund und munter bei einem Meeting erwischt. Aber ob diese beiden Geschichten und damit das erwartete Wunder vergleichbar sind?

Zumindest stellt sich die Frage, warum sich die Stadt erst einem Prozessrisiko vor Gericht aussetzt, um mit dem Urteil dann Versorgungsengpässe bei Klopapier zu überbrücken? Aber wie auch immer: Wenigstens dürfte das wieder für Unterhaltung im nächsten Stadtrat sorgen.

Dessen Auftrag zur Aufstellung der Stadtmöbel war unmissverständlich. Da der Beschluss (nicht der erste Fall dieser Art) von der Bürgermeisterin jetzt quasi kassiert wurde, wird nun mit Spannung erwartet, ob und wie sie auch mit dem Stadtrat zu einer einvernehmlichen Lösung kommen will.

Thema verfehlt? Nein!

Im letzten Absatz des LVZ-Artikels wird Stitterich mit einem auf den ersten Blick zusammenhanglosen Hinweis auf die Gewerbetreibenden der Stadt zitiert, die ihr vor allem in diesen Krisenzeiten wichtig seien.

Für den unvorbelasteten Leser klingt das zunächst wie eine Textpassage aus einem ganz anderen Artikel, die nur versehentlich hier reinkopiert wurde. Was haben Stadtmöbel mit der Situation der Gewerbetreibenden zu tun?

Erst beim tieferen Nachdenken und unter Zuhilfenahme sich hartnäckig haltender Gerüchte erschließt sich hier ein möglicher Zusammenhang. Die Zeilen machen eigentlich nur dann Sinn, wenn die Gerüchte wahr sind und der Inhaber des Betriebes für den Fall des Aufstellens der Stadtmöbel vor seinen Fenstern gedroht hat, den Sitz seiner Firma zu verlegen.

Säbelrasseln, Muskelspiele, Duftmarken setzen … für humortechnisch positiv getestete Teilnehmer unserer Gesellschaft ist das jedenfalls ein gefundenes Fressen.

Ganz großes Kino mitten im Lockdown

Nicht nur dass ein paar Sitzbänke zum Politikum werden können, ist ein Alleinstellungsmerkmal dieser großartigen Stadt. Auch dass so eine Provinzposse das Zeug hat, ein kommunales Wirtschaftssystem in seinen Grundfesten zu erschüttern, ist einmalig.

Zurück zur Milchbar! Aus Sicht der Satiriker könnte eine einvernehmliche Lösung im Interesse der lokalen Wirtschaft so aussehen.

Zurück zur Milchbar! Aus Sicht der Satiriker könnte eine einvernehmliche Lösung im Interesse der lokalen Wirtschaft so aussehen.

Und wenn die Stadt jetzt einknickt – das Aussetzen des Stadtratsbeschlusses ist ein erster Schritt dahin – kann sie auch ihr INSEK-Programm knicken. Nach solch einem Präzedenzfall darf dann auch jeder Bürger selbst entscheiden, was vor seiner Haustür passiert. Das ist die wahre Demokratie!

Kramer gegen Kramer

Auch in einer weiteren gerichtlichen Auseinandersetzung ging die Stadt in dieser Woche als Sieger hervor. Der Ortschaftsrat Großlehna ist auch in der zweiten Instanz gescheitert, die Änderung der Schulbezirke als Verletzung des Eingemeindungsvertrages werten zu lassen.

Während es in der eigentlichen Sache naturgemäß wenigstens zwei Meinungen gibt, war die Reaktion auf das Urteil in den kernstädtischen Sippen des homo marcransis vorwiegend einhellig. Es interessiert kaum jemanden.

Jedenfalls nicht, was die Schülerströme oder die gesellschaftlichen Folgen des Urteils angeht. Wohl aber die finanziellen Konsequenzen.

Wen auch immer man nach seiner Meinung zum Ausgang des Verfahrens fragte, es kam meist die Antwort: „Bin mal gespannt, wer die Prozesskosten bezahlt.“

Da sind in der Tat gefühlte tausend Fragen offen. Der Ortschaftsrat selber hat eigentlich kein Konto für sowas. Eine solche Klage hat schließlich nichts mit öffentlicher Daseinsfürsorge, Vereinswesen oder Brauchtumspflege zu tun, auch wenn es manchmal heißt, dass Brauchtum und strittige Auseinandersetzungen in Großlehna mitunter schwer zu trennen sind.

Zahlmeister gesucht

Schon kursieren in vermeintlich involvierten Kreisen Vorstellungen, dass die Großlehnaer Ortschaftsräte den gerichtlichen Zwist aus eigener Tasche bezahlen müssen. Auf dieses Risiko seien sie im Vorfeld auch hingewiesen worden.

Heißer Zankapfel in kaltem Schnee: Die Großlehnaer Grundschule.

Heißer Zankapfel in kaltem Schnee: Die Großlehnaer Grundschule.

Auch hier also Unterhaltung pur. Wie dereinst im Kino-Hit „Kramer gegen Kramer“ könnte die juristische Familienfehde „Markranstädt gegen Markranstädt“ ein tränenreiches Ende nehmen.

Ob das Eis der Augen vor lauter Rührung taut oder sich die Bäche wegen unerwarteten Erkenntnisgewinns ergießen, hängt davon ab, ob man im Publikum sitzt oder Darsteller auf der Leinwand war.

Verneigung statt Oscar

Aus der Loge der Satiriker gibt’s für das kabarettistische Unterhaltungsprogramm der zurückliegenden Woche jedenfalls stehende Ovationen. Wenn wir einen hätten, würden wir dafür den Oscar verleihen. So aber muss es bei einer närrischen Verbeugung bleiben. Danke für ein großartiges Kulturprogramm mitten im Lockdown. Wir warten gespannt auf die zweite Staffel.

 

5 Kommentare

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    • Doppelrömer auf 7. April 2021 bei 16:17
    • Antworten

    Sie sind (wieder) noch da- die Stadtmöbel! Die andere Sache strahlt auch noch immer! Nu woll’mer ma sehn: Wollemer se reinlasse in’s Steuersäckl? Uffpasse sachsch da nur ihr lieben Stadträte, de drei Affn wollter doch nich sein? De Demokratie un dor Bürgerfriede aller Markranser iss wichtsch…! Sehr viel wichtiger als austauschbare und ersetzbare Einzelpersonen! April April der macht was er will? Nee nee- so geht es nun auch nicht!

    1. Wie sind Sie denn drauf? Sind Sie sicher, dass Sie ein Markranster sind? Merke: Die Verniedlichungsform wird im Original mit !T! geschrieben und gesprochen. Der Markranster, die Markransterin, das Markranst

        • Doppelrömer auf 9. April 2021 bei 11:10
        • Antworten

        Bin Zugereister, bitte um Nachsicht.

    • Südstrasse auf 5. April 2021 bei 9:44
    • Antworten

    Alles klar, ihr wollt jemand inspirieren am Donnerstag zur Bürgerfragerunde die Kostenfrage zu stellen. Vielleicht bezahlt Frau Radon den Spaß aus der Sponsorenkasse. Sollte Markranst bezahlen, würde ich sofort die Grundsteuer in Grosslehna anheben.

    1. Es reicht fürs Erste, wenn jemand die Frage stellt, was mit den Stadtmöbeln wird.

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