Nach dem Umsturz: Erste Verhaftungswelle rollt

Der plötzliche Umsturz am Wahlsonntag hat viele Markranstädter offenbar kalt erwischt. Noch während in aller Eile Parteiabzeichen weggeworfen, Spiske-Bilder an den Wohnzimmerwänden umgedreht und in den Kelleröfen verräterische Dokumente ins Feuer geworfen werden, rollt offenbar schon die erste Verhaftungswelle durch Markranstädt. Das jedenfalls geht aus dem Untertitel eines Videos hervor, das eine führende Zeitung jetzt auf ihrer Facebook-Seite veröffentlicht hat.

(Titelfoto: Screenshot Facebook)

Weil die neue Regierungschefin im Markranstädter Rathaus unter ihrer Maske schlecht zu verstehen ist, wurden dem Video Untertitel hinzugefügt. Zum Glück, denn sonst wäre der Weltöffentlichkeit diese alternative Wahrheit entgangen.

Im Untertitel (kann man unter „Einstellungen“ einschalten) ist 13 Sekunden vor Schluss von einer unmittelbar bevorstehenden politischen Säuberungsaktion zwischen Zschampert und Floßgraben zu lesen. Seitdem ist in Markranstädt nichts mehr, wie es war.

Aus Angst vor Verhaftung und Deportation wird die Stadt seit den frühen Morgenstunden von einem regelrechten Exodus heimgesucht. Ganze Familienverbände befinden sich mit ihrem eilig zusammengepackten Hab und Gut auf der Flucht.

Wer nicht genug Geld oder kein geeignetes Fluchtfahrzeug hat, begibt sich zum ehemaligen Hotel Gutenberg, dem letzten Ort in Markranstädt, in dem noch Asyl gewährt wird. Wie lange die neue Macht das noch duldet, weiß hier allerdings niemand.

Parallel schulen sich ehemalige Freie Wähler im Untergrund gegenseitig, wie sie sich während drohender Verhöre zu verhalten haben. Das „Wir haben all dem von nichts gewusst“ oder „Ich habe nur Befehle ausgeführt“ muss schließlich auch halbwegs glaubhaft klingen.

Die Markranstädter CDU hat ihre für morgen angesetzte Klausurtagung bereits abgesagt und geht ab sofort in den Untergrund.

Widerstand im Untergrund

In einer geheimen Bürgerwerkstatt will sie ab Freitag aus den Resten des St. Bartholomäus-Monuments vom Kreisverkehr Stolpersteine für die Zeit danach meißeln. Ein Zeichen der Hoffnung.

So wie hier in den Ellern bei Seebenisch befinden sich derzeit hunderte Markranstädter mit ihren Habseligkeiten auf der Flucht.

Inzwischen wächst auch der außenpolitische Druck auf das neue Regime. Überall in Deutschland demonstrieren friedliebende Menschen unter Masken, dem neuen Symbol des Widerstands in Markranstädt, und erklären sich auf diese Weise mit den Verfolgten solidarisch.

In einer eilig einberufenen Sitzung erließ der Leipziger Stadtrat am Mittag erste Sanktionen gegen die Nachbarstadt und will aus Protest bis auf weiteres von einer Eingemeindung Abstand nehmen.

Indes wird die Ursache dieser Entwicklung von hinzugezogenen Sprachforschern heftig kritisiert. Demnach habe Stitterich nicht von „Haftmaßnahmen“ gesprochen, sondern lediglich „erste Maßnahmen“ angekündigt, die sie als neues Stadtoberhaupt angehen wolle.

Führende Politologen messen hingegen weder dieser Aussage, noch der Interpretation mit der Verhaftungswelle irgendeine Bedeutung bei. Sie sehen allein in der Maxime „Wehret den Anfängen“ eine Handlungsgrundlage und wollen weiterhin gegen jedes Wort vorgehen. Untertitel inklusive.

In diese Bresche schlägt auch die Union der Taubstummen in Markranstädt e.V. Unabhängig vom wahren Inhalt der Botschaft habe ein Hörgeschädigter schließlich gar keine andere Möglichkeit als das zu glauben, was er liest.

Im Gegensatz zu den Blinden und Sehschwachen, für die sich im Markranstädter Alltag trotz aller Repressionen wie durch ein Wunder überhaupt nichts verändert hat. Das sei dann auch das Fazit aus diesen Vorgängen: Augen zu und durch! Man kann auch im Dunkeln lachen.

 

3 Kommentare

    • markranster auf 15. Oktober 2020 bei 8:37
    • Antworten

    Weder noch…ich bin schon zu Ulbrichts Zeiten „rübergemacht“.
    Das Begrüßungsgeld ist leider ausgegangen, weil es andere dringendere finanzzehrende Projekte gibt, die diese unsere Regierenden stemmen müssen.
    Schade eigentlich, daß die Westpakete aus der Mode gekommen sind.
    Dahingegen hat sich gelegentlich ein Ostpaket Richtung Westen auf den Weg gemacht, denn bestimmte hervorragende Produkte aus ostdeutscher Produktion
    gibt es im Westen leider nicht zu kaufen.
    Weiterhin gutes Gelingen bei der Aufarbeitung Markranstädter Nachrichten,
    die ich mit Interesse und Vergnügen lese.
    In der LVZ gibt es leider nicht mehr viel über Lallendorf zu lesen, geschweige denn zu lachen…

    • markranster auf 14. Oktober 2020 bei 8:25
    • Antworten

    Einfach nur köstlich dieser Beitrag! Habe von Textanfang bis Textende selten so viel geschmunzelt. Wieder mal ein satirisches MN-Meisterwerk. Vielen Dank dafür!

    1. Im sicheren westfälischen Exil kann man auch gut lachen haben. Sind Sie eigentlich unter Spiske oder schon unter Radon geflüchtet? Können Sie unseren Lesern Tipps geben? Gibts noch Begrüßungsgeld drüben oder wie ist das mit dem Familiennachzug geregelt?

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