Nachtparkverbot zum Schnäppchenpreis

Motorisierten Anwohnern der Albertstraße ist es sicher schon aufgefallen: Mit dem Parken wird`s langsam sehr eng. Es gibt zwar schon seit langer Zeit die „Parktaschen“ genannten Aussparungen um die Bäume, aber die Größe dieser baulichen Meisterleistungen lässt im vorderen Teil der Prachtallee allenfalls anderthalb Autos hintereinander zu. Da wäre ein Skoda denkbar und dahinter ein Smart, dieser aber allenfalls hochkant.

Ab dem Wasserturm entspannt sich die Situation, allerdings wird dort mitunter eisern negiert, dass es außer dem eigenen Auto noch andere gibt, die dort eventuell Parkbedarf haben.

Üblicherweise sind dort die Parkflächen, die für mindestens zwei Autos reichen würden, von einem besetzt. Da drängt sich den erzkonservativen Lesern eine nicht ganz genderneutrale Vermutung auf. Doch dem ist nicht so.

Den Opels oder Audis älteren Baujahres entsteigen meist, schwerfällig, männliche Mitbürger, die tendenziell vor der Leipziger Völkerschlacht gezeugt wurden. Sie versichern, sie müssten so parken, sonst kämen sie ja nicht mehr vorwärts aus der Parklücke.

Parker rücken zusammen

Ärgerlich ist die Enge allemal, aber zum Glück gibt`s ja Aldi. Lange hat die „Stadt am See“ auf ihren nagelneuen Feinkostdiscounter gewartet.

Diese Wartezeit während des Neubaues wurde leider auch noch bitterer durch langewierige Einschränkungen der Parkmöglichkeiten in Albertstraße. Obendrein blockierten Baufahrzeuge die ohnehin schon knappen Parkflächen. Hinter einem Bagger hatte nicht einmal der Smart hochkant noch Platz.

In die Hand versprochen

Aber, liebe Kunden, Aldi hält sein Versprechen von der Website. Das leger-familiäre Du zieht sich nicht nur durch den Angebotsprospekt: „Aldi könnt Ihr immer vertrauen.“ Entsprechend sollen die Anrainer die (leider nur informelle) Zusicherung erhalten haben, ihre Autos auf dem neuen Parkplatz des Schnäppchentempels parkieren zu dürfen.

Seit etwa Anfang März ist dem aber nicht mehr so: Die Einfahrten zum Parkplatz zieren Schilder, die solche Ansinnen unmissverständlich als Frevel verurteilen. Es dürfen nur Kunden (mit Parkscheibe) bis anderthalb Stunden für die Zeit ihres Einkaufes dort parken. Wer länger einkauft, etwa die ganze Nacht, muss 30 Euro Vertragsstrafe zahlen.

Ohne Nachtzuschlag

Auf Nachfrage erhielten die MN die Auskunft, Aldi wäre an einem freundschaftlichen Miteinander sehr interessiert und wolle auch Kulanz gegenüber den Anwohnern zeigen. Nett eigentlich, denn üblicherweise sind die ja auch Kunden. Allerdings hätte sich das Parkverhalten jener Konsumenten, die über Nacht bleiben, ziemlich intensiviert.

Andere Einkaufswillige nämlich, die montags um sieben extra aus den umliegenden Dörfern angereist waren, um Aldis Coronatestkontingent abzuramschen, konnten ihren Transporter nicht mal auf dem Rollstuhlfahrerparkplatz abstellen, weil da schon drei Hochkant-Smarts draufstanden.

Wer hier parkt, wird zum Vertragspartner.

Wer hier parkt, wird zum Vertragspartner.

Das fand Aldi ärgerlich (obwohl die Sonderangebote natürlich trotzdem um acht ausverkauft waren) und stellte die neuen Schilder auf. Verständlich, denn wenn die wirklich von weit her kommenden Kunden schon extra die Oma aus dem Altenheim abgeholt haben, dann ist es ärgerlich, wenn der Mutter-Kind-Parkplatz von Anwohnern besetzt ist, die gar nicht einkaufen wollen.

Eine Schranke wird es trotzdem nicht geben, teilt Aldi mit. Da sind sie dann doch nicht so streng.

Der Discounter mit dem verwegenen maritimen Motiv am Betonkastenaufbau wird künftig mit einem Parkraumbewirtschaftungsunternehmen zusammenarbeiten, das uns allen das Parken zu einem Erlebnis machen möchte.

Knöllchen vom Parkraumbewirtschafter. Er trägt den Decknamen IM "Überwacher 6".

Knöllchen vom Parkraumbewirtschafter. Er trägt den Decknamen IM „Überwacher 6“.

Vielleicht wird das sogar ein digitales Erlebnis, denn der letzte Schrei sind in Deutschland bekanntlich elektronische Parkraumsensoren.

Die lassen einen nur noch dann auf den Parkplatz, wenn man eine elektronisch gekennzeichnete medizinische Gesichtsmaske trägt oder zumindest in Omas Handtasche noch den digitalen Impfpass findet. Dran halten, scannen und einfahren.

Digitale Erlebniswelt

Die Anwohner werden also, wenn sie abends nach sieben von der Arbeit kommen, weiterhin für die Umwelt mehrmals um den Block fahren, bis sie eine Abstellmöglichkeit gefunden haben.

Vielleicht ist ja an der Schule bald wieder was frei? Die Hoffnung stirbt zuletzt. Oder man steigt gleich auf einen Smart um. Der Opa am Wasserturm hält dafür immer ein Plätzchen vor seinem Wagen frei …

8 Kommentare

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    • Frankenheimer Schrankenwärter auf 21. März 2021 bei 2:07
    • Antworten

    Schade, hatte mich schon auf eine neue Schranke für meine Sammlung gefreut.

    1. Sammeln Sie lieber abgebrannte Streichhölzer, da kommt mehr bei rum.

    • Deimler auf 20. März 2021 bei 19:49
    • Antworten

    Mir wurde mal erklärt, die Gemeinden sind nicht dafür zuständig Abstellmöglichkeiten für Fahrzeuge bereit zu stellen. Meine Antwort: Aber die Gewerbesteuer der Fahrzeugbauer nehmen die Gemeinden gern.
    Die Nummer 1 der deutschen Wirtschaft – ist die Autoindustrie.
    Kauft Autos, wie die Blöden und Nachts bindet sie euch auf den Rücken.

    Parkraumbewirtschaftungsunternehmen sind schon weit verbreitet, bei Einkaufscentren mit Arztpraxen darf’s beim Doktor nicht so lange dauern.
    Wenn doch, dann mit dem Rollstuhl noch mal schnell runter und Parkscheibe neu einstellen. Sonst wird’s teuer.
    Selbst schon erlebt in Schkeuditz in der Robert-Koch-Straße (am REWE Markt). Zur Krönung war dort nicht mal der Bordstein von der Arztpraxis zum Parkplatz abgesengt.
    Na da, Hals- und Beinbruch.

    1. Wer parkt denn auch bei REWE, wenn er zum Arzt will?Senile Kaufflucht geht auch per Online-Shopping.

    • Bernhard auf 20. März 2021 bei 17:40
    • Antworten

    Herrlich!

    1. Ihrer euphorischen Auslassung entnehmen wir, dass Sie vorm Opel einen Parkplatz ergattert haben?

    • Annika Schwab auf 20. März 2021 bei 8:48
    • Antworten

    Wunderbar

    1. Kann man nicht anders sagen.

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