Neues aus der vierten Etage (14): Spaß bis der Arzt kommt

So, was machen wir denn nun? Normalerweise wäre jetzt eine Rückschau auf die Sitzung der Markranstädter Duma am Donnerstag fällig. Satirisch gesehen war die 14. Folge der aktuellen Staffel der unangefochtene Höhepunkt der letzten Jahre. Völlig unmöglich, allein das Feuerwerk der Pointen in nur einer Retrospektive zu beschreiben. Aber es geht nicht anders und deshalb empfehlen wir Ihnen: Gehen Sie zur nächsten Sitzung selber mal hin! Bei Eintritt für lau wird dort mehr geboten als Ihnen den gesamten Monat über von der GEZ nach Hause geliefert wird. Bei uns gibts heute nur eine wirklich abgespeckte Version.

Normalerweise hätten die Kabarett-Bühnen alle Gründe, um gegen die 4. Etage gerichtlich ins Feld zu ziehen. Während die professionellen Spaßmacher im Lockdown gefangen sind, wird im rappelvoll besetzten Markranstädter KuK die Wiedergeburt des Spaßes zelebriert. Und das gleich sowas von!

Die erste Pointe gab’s gleich nach dem Entree. Die Presse darf wieder an einem Tisch Platz nehmen! Und das sogar trotz der nachlesbaren Tatsache, dass sich an der argwöhnisch geprägten Sichtweise auf den Globus von Markranstädt nichts geändert hat.

Auch sonst war der erste Eindruck überwältigend: 20 Stadträte, 30 Zuschauer und jede Menge kompetenzförderne Humanressourcen im Backstage – das ist in Corona-Zeiten schon sowas wie eine Großveranstaltung.

Planmäßig verspätet

Entsprechend lange hat’s auch gedauert, bis endlich Ruhe eingekehrt war. Nadine Stitterich eröffnete die Show daher mit vier Minuten Verspätung. Nicht die einzige Verzögerung an diesem denkwürdigen Abend, aber das könnte auch eine geplante Reminiszenz an die beiden anwesenden Vertreter der Deutschen Bahn gewesen sein.

Programm entkernt

Gleich zu Beginn der erste Gag. Die Bürgermeisterin verschob Nummer 5 der Tagesordnung (barrierefreier Bahnhof) in den nichtöffentlichen Teil der Sitzung. Davon zeigten sich die Stadträte so überrascht, dass ihnen die Nachfragen, warum sie dieser Änderung ihrer eigenen Tagesordnung nicht einmal zustimmen durften, in den Hälsen stecken blieb. Klares 1:0 für Stitterich, sozusagen direkt vom Anstoßpunkt verwandelt.

Schuss – bum – Tor!

Der zweite Treffer folgte auf dem Fuße, als die Bürgermeisterin mitteilte, dass es der vom Stadtrat beauftragten Machbarkeitsstudie für die barrierefreie Ertüchtigung des Bahnhofes nicht mehr bedürfe und sie diese zurückgezogen habe. Wohlgemerkt: Es war ein Beschluss und damit ein Auftrag des Stadtrates, den die Bürgermeisterin hier per Handstreich gekippt hat.

Als Jens Schwertfeger (CDU) als erster seine Worte wiederfand, war es allerdings schon zu spät. Seine Frage, ob Stitterich die Beschlüsse des Stadtrats ernst nehme, wurde mit einem souveränen, maskenlosen Lächeln bejaht und weiter gings im Text. 2:0 Stitterich nach kaum einer halben Stunde Spielzeit.

Wer ist der Spielball?

Wenn man fragt, ob die Bürgermeisterin so mit dem Stadtrat verfahren kann, muss man klar sagen: JA! Ob sie’s darf, ist eine andere Frage, aber dass sie es mit diesem Stadtrat kann, hat sie schon in der ersten Halbzeit gleich mehrfach unter Beweis gestellt.

Aber schon blies CDU-Fraktionschef Volker Kirschner zum Gegenangriff. Die Vereidigung der Bürgermeisterin im letzten Stadtrat sei entgegen der in Beton gegossenen Traditionen nicht vom ältesten Abgeordneten vorgenommen worden, kritisierte er die Verwaltung, die da nicht richtig recherchiert habe.

Gegentreffer aberkannt

Ob die Vereidigung damit ein illegaler Akt war und wir offiziell gar keine Bürgermeisterin haben, blieb mangels Diskussion offen. Der vermeintliche Anschlusstreffer zum 2:1 wurde damit zum Abseitstor erklärt und rückwirkend aberkannt. Stitterich zog allerdings sofort Lehren aus diesem Vorgang und bezeichnete fortan sogar fragende Bürger, egal ob pubertierend oder im greisen Alter, als „junger Mann“.

Aufgestellte Bartfedern

Einer dieser beförderten Teenager war Ronald Gängel, der sich am Mikrofon über die Vergabe von Gesprächsterminen durch das Bauamt beschwerte. „Ich habe da Antworten bekommen, da sträubt sich mir das Gefieder“, adelte er sein legendäres Gebärt zu einem Daunenkleid.

Kurz vor der Halbzeitpause dann Rudelbildung auf dem Feld. Ein vorgetragener Angriff der AfD zur Schulnetzplanung war offenbar so gut, dass er nicht abgepfiffen werden konnte. Lediglich mit dem Torschützen wollte man nicht so recht einverstanden sein und so gab es von allen Seiten Ergänzungen zum Antrag.

Halbzeit im KuK

Weil jeder den fälligen Elfmeter selbst verwandeln wollte, einigte man sich schließlich auf eine Halbzeitpause, in der das weitere Vorgehen in den Kabinen geklärt werden sollte. Aus den fünf Minuten wurde dann zwar eine stattliche Raucherpause von einer Viertelstunde, aber dieser hätte es gar nicht bedurft.

Gleich nach Wiederanpfiff ließ Stitterich die Akteure noch eine Weile spielen, bevor sie Videoschiedsrichter Schwertner aktivierte, um dem Treiben ein Ende setzen zu lassen.

Zuvor brachte Eddy Donat (FWM) seinen AfD-Fraktionskollegen durch einen Rückpass in Bedrängnis, mit dem er quasi dessen Angriffspläne durchkreuzte. „Das überrascht mich jetzt“, wunderte sich der Gegrätschte daraufhin, „zumal Herr Donat den Antrag selbst unterschrieben hat.“

Kurz danach meldete sich Schiri Schwertner aus dem Videokeller zu Wort. Sein Fazit: So kann man keinen Beschluss fassen. Die Argumente werden gebündelt und kommen in der nächsten Begegnung noch einmal auf den Platz, basta!

La Ola im Publikum

In der Zwischenzeit griff die heitere Stimmung auch auf das Publikum über, was durch halblaut geraunte Sitzungsflüsterei zum Ausdruck gebracht wurde. „Sowas hat’s nicht mal unterm Oberstabsarzt gegeben“, flüsterte beispielsweise Ronald Gängel seinem Sitznachbarn zu und erntete dafür im ganzen Umkreis der Hörweite stehenden Augen-Applaus.

Auch die Gastkommentare zur Befürchtung einer Abgeordneten, dass arme Rentner sich das Alarmieren der Feuerwehr nicht mehr leisten können, wenn ihre Katze auf einem Baum zu verhungern droht, waren von sinnlicher Heiterkeit geprägt. Das Raunen reichte von „Da sollte man sich vielleicht besser Zierfische halten“ bis hin zu „Bäume gibt’s in Markranstädt sowieso bald nicht mehr.“

Das finale furioso folgte dann sozusagen nach Ablauf der regulären Spielzeit. Die Einladung der Bürgermeisterin zu einem Sonderstadtrat am kommenden Donnerstag wurde von einer gefühlten Mehrheit der Spieler als taktisches Foul reklamiert.

Tor in der Nachspielzeit

Das Thema, Informationen zum INSEK-Programm, habe kein Potenzial für außerordentlich gebotene Eile und gleich gar nicht unter Ausschluss der Öffentlichkeit, wurde argumentiert. Zudem hatten einige Abgeordnete die Einladung noch gar nicht erhalten.

So beispielsweise Volker Kirschner, der ans Mikrofon trat und um Aufklärung bat: „Worum geht es hier eigentlich?“ Die Antwort der Bürgermeisterin: „Darum, dass sie am 11. März kommen!“

Den MN-Vertretern wäre selbiges beinahe schon in diesem Moment widerfahren. Neues aus der vierten Etage: Hier hat man wirklich Spaß bis der Arzt kommt.

 

19 Kommentare

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  1. Der Krug geht solange zur Stadtratssitzung bis er bricht.
    Neue Besen kehren gut oder testen oft, wie stark gebürstet werden kann.
    Wie lange wollen die Räte, bis auf wenige Ausnahmen sich das noch gefallen lassen.
    Gibt es nicht ne Qualifizierungsmassnahme für Bürgermeisterinnen?
    In einer Studie der Uni Potsdam zur Abwahl von Bürgermeistern im bundesdeutschen Vergleich steht unter Sachsen die Häufigkeit von mittel bis häufig.
    Eine positive Entwicklung der Kommunalpolitik sehe ich nur in einer fairen und sachlichen Zusammenarbeit zwischen Stadträten und Bürgermeisterin. Davon ist man in Markranstädt weit entfernt.
    Wenn sich da nicht umgehend was ändert, war es eben doch ein Griff ins Klo.

    1. Das ist etwas einseitig gesehen. Es gehören immer zwei zu sowas. Einer ders macht und einer, ders mitmacht (sich gefallen lässt). Der Stadtrat hat nicht gerade geglänzt am Donnerstag. Das waren eher so 20 Lämmer auf dem Weg zur Schlachtbank. Will heißen: Qualifizierungsmaßnahmen für Stadträte – grade so in Richtung Geschäftsordnung, Gemeindeordnung und sowas – wären mindestens genauso wichtig.

    • Ische beim Guggen auf 6. März 2021 bei 17:19
    • Antworten

    Mir bleibt einfach nur noch die Spucke weg.
    Wir Menschen in Markranstädt sind vieles gewöhnt, wir haben viel ausgehalten und zu manchem leider geschwiegen. Aber was im Moment passiert ist eher unmöglich.
    Unsere Ureinwohnerin Juristin Zarin Nadine 1. hat wohl beim Thema Gemeindeordnung gerade Kreide geholt oder war sie da anders abwesend. Mir kommen langsam starke Zweifel.
    Der Stadtrat ist das wichtigste Organ unserer Stadt. Und definitiv nicht der Inhaber des Jobs auf Zeit „Bürgermeisterin“. Hoffentlich wird der Stuhl nicht zum Schleudersitz. Sieben Jahre sind kein MUSS und keine PFLICHT für die Stadt und ihre Bewohner.
    Bei der Tätigkeit als Bürgermeisterin sollte man den Männern und Frauen des Stadtrates mit Respekt vor deren Engagement und Kompetenz für unsere Stadt entgegentreten, Achtung vor deren Arbeit haben und vor allem, deren Aufgaben und Befugnisse kennen.
    Dies zu Missachten ist nicht nur arrogant, sondern dem Amt und der Verwaltung schädlich.
    Die Zweifel an der Kompetenz und der Fähigkeit, dieses Amt auszufüllen, werden so wohl nicht verschwinden. Und am für „Meine Bürgerinnen und Bürger“. Und am „transparent“. Und am „auf Augenhöhe“ mit dem Stadtrat. Und am …, ja das ginge noch ein Weilchen.
    Sicherlich werden ihr nicht nur die Stadträte und die Presse auf die Finger schauen. Besonders auch die Bürger, die sich für einen Wechsel „zum Guten“ entschieden haben. Nicht dass wir bald merken müssen, dass es ein Griff ins …. war.
    Die Hoffnung stirbt zuletzt. Es kann ja nur noch besser werden. HOFFENTLICH.

      • Marc Ranstetter auf 6. März 2021 bei 21:15
      • Antworten

      Ja, ein ständiges schneller, höher, weiter, schöner, besser und noch besser, kann sprichwörtlich in die Hose gehen. Man muss manchmal auch mit dem zufrieden sein, was man hat und Geduld haben. Jetzt ist es schade um die letzten acht Jahre, weil wir offenbar die gleichen Verhältnisse wieder bekommen, die wir damals hatten und als Bürgerschaft abgewählt haben. Jede Stadt bekommt immer nur den Chef oder die Chefin, den oder die sie verdient.

      1. Das Wort zum Sonntag! Der letzte Satz hängt WIRKLICH (!!!) so an unserer Pinnwand. Allerdings unter einem prophetischen Artikel über die Bürgermeisterin aus Machern. Die habens wirklich nicht einfach dort.

    1. Sie scheinen mehr zu wissen als die Abgeordneten, die Sie gewählt haben. Sehen Sie bloß zu, dass die das nicht mitkriegen. Die haben Methoden, um Leute wie Sie kaltzustellen, von denen Sie noch nicht einmal geträumt haben. Stichwort Zweitwohnungssteuer und so.

    • Heiko Küster auf 6. März 2021 bei 12:13
    • Antworten

    Sollten wir uns schon wieder verwählt haben…???

      • Marc Ranstetter auf 6. März 2021 bei 21:04
      • Antworten

      Das ist doch wie im richtigen Leben. Wer sich verwählt hat, muss sich nicht wundern, wenn der oder die Falsche in der Leitung ist bzw. keinen Anschluss unter dieser Nummer findet

    1. Andersrum wird ein Schuh draus: Hatten wir denn eine Chance, uns nicht zu verwählen? Schauen Sie noch mal auf Ihren Wahlschein, das beruhigt die zweifelnde Seele.

        • Heiko Küster auf 7. März 2021 bei 6:49
        • Antworten

        Gut, den Wahlschein habe ich nicht mehr, den hab ich, zusammen mit der Stimme, für die nächsten 7(?) Jahre abgegeben, aber ich habe noch Hoffnung. Denn wie heißt es so schön: Hoffnung treibt das Schiff der Narren!!! In diesem Sinne allen schönen Sonntag!

        1. Eisberg voraus!

      • toni lenk auf 6. März 2021 bei 22:52
      • Antworten

      Wieso wurde sich verwählt ? CvD hat gleich in Kurzform die richtige Einschätzung gegeben. Manche sagen in so einem Fall auch: Der Einäugige unter den Blinden ………………
      Um den Ball des Beitrages aufzunehmen: Im Vorspiel anno 2020 wurde bereits schlecht gespielt. Ein guter Akteur wurde ausgewechselt u. ein schwacher Neuling gebracht. Zu guter Letzt, als die Niederlage drohte, noch auf einen umstrittenen Altstar gesetzt. Diese Taktik war zu durchsichtig. Da hatte der „Gegner“ als Außenseiter leichtes Spiel. Die selbst verschuldete Niederlage hat die sportliche Leitung zu verantworten. Oder doch der anonyme Schiedsrichter, da sind alle aus dem Schneider.
      Aber im Ernst zu den Versäumnissen, so geht das natürlich nicht. Mindestens gelb ist angebracht. 2 x gelb ist rot. Bei schweren Vergehen droht eine lange Sperre.
      Entschuldigung, menschliche Bezeichnungen beziehen sich auf alle Geschlechter.

      1. Oder anderrs gesagt: Die Wahrheit liegt auf dem Platz, der Ball ist rund und ein Spiel dauert 90 Minuten. Und nun geht’s raus und spielts!

    2. Ich glaube nicht, so einem Lächeln kann keiner widerstehen.

      1. Eben. Das sind doch die wichtigen Dinge im Leben und nicht so kleingeistige Paragraphenreiterei auf Geschäfts- und Gemeindeordnungen.

    • Doppelrömer auf 6. März 2021 bei 11:36
    • Antworten

    Also so einen Satire-Lachkrampf hab ich noch nie gehabt! Klasse diese Aufarbeitung- Danke! Als Einzelperson habe ich zur Sache und Respekt (zu haben!) vor JEDEM der sich zum Wohle EHRENAMTLICH private Zeit an’s angepinkelte (Hunde) Bein bindet. Öffentliche Widerlichkeiten sind in dieser MN hier sehr gut verpackt verschmunzelt- löst doch aber auch starkes Nachdenken aus. Und sogar die Qualtätspresse ist gut drauf. Bleibt die Zukunftsfrage: Spannend oder Trauerspiel?

    1. Von beidem etwas. Eine Dramödie.

  2. Das einzige Theaterereignis, dass zur Zeit erlaubt ist.
    Zur nächsten Sitzung sollten sich noch mehr Bürger versammeln. Vielleicht auch vorm KUK 😉

    1. Nicht gleich übertreiben, dann nehmen sie vielleicht doch noch Eintritt. Die Kassen sind leer… Investitionen nur noch in betriebsnotwendige Referenten.

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