Neues aus der vierten Etage (14)

Bei nur elf öffentlichen Tagesordnungspunkten (darunter die üblichen vier Verdächtigen von Eröffnung bis zu Protokollkontrolle gleich zu Beginn) hätte man vor dem Aufstieg in die vierte Etage mit der Hoffnung schwanger gehen können, dass die 14. Stadtratssitzung noch vor dem Wetterbericht der Tagesschau beendet sein würde. Es kam aber ganz anders.

Das lag nicht nur daran, dass der öffentliche Teil der Tagesordnung eine Erweiterung erfuhr. Auf Antrag Heike Kunzemanns (Linke) wurde eine Information zum weiteren Umgang mit der Priesteblicher Straße in Lindennaundorf vom nichtöffentlichen in den öffentlichen Teil der Sitzung transplantiert.

Dahin also, wo er auch hingehört. Obwohl sechs Abgeordnete trotzdem ein internes Geheimnis draus machen wollten, wurde dem Ansinnen mehrheitlich gefolgt.

Danach informierte der Rathaus-Chef über einige Dinge, die während der letzten Sitzung hinter verschlossenen Türen behandelt wurden und gab jetzt auch öffentlich die Trennung von der Kämmerin bekannt.

Sie gehört zu mir, wie ihr Name an der Tür

Dem aufmerksamen Beobachter, der das Risiko einer Fahrstuhlfahrt in die vierte Etage nach einschlägigen Erfahrungen nicht auf sich nehmen wollte, entging beim Aufstieg via Treppe allerdings nicht, dass noch immer der Name der Geschassten am Eingang zur Finanzzentrale der Stadt prangt. Refugees welcome.

Sissi lässt grüßen

Die Suche nach der neuen Kämmerin scheint indes auch beendet. Auf die Frage nach der Verwendung der Rückstellungen für das Gewerbegebiet Ranstädter Mark übergab Spiske das Mikrofon an Herzigs Vorgängerin und adelte sie mit dem Prädikat „finanzkompetente Rechenkönigin“.

Königin Kohles-Kleinschmidt – die K und K-Monarchie ist zurück, wenngleich auch sie die Rücktrittsforderung ihrer einstigen Chefin unterschrieben haben soll. Wohl dem, der einen großherzigen Kaiser auf dem Throne weiß, dessen Ansprüche an Loyalität nicht dem üblichen Bild der globalen Aristokratie entspricht.

Bitte zügig!

Die zweite Personalie kam allerdings zunächst nicht zur Sprache, obwohl auch hier die Spatzen längst sogar mehrstimmig ihr Lied von den Dächern pfeifen. Allerdings war unterschwellig doch schon einiges zu spüren vom Wind, der im Herbst etwas kühler zu blasen pflegt.

Auf eine Frage zu den detaillierten Kosten von Parkplätzen beauftragte der Bürgermeister die zuständige Fachbereichsleiterin mit deren Ermittlung und fügte hinzu: „Bitte zügig!“ All die Anwesenden, die irgendwann einmal, sei es in NVA oder Bundeswehr, gedient hatten, nahmen bei diesem Tenor automatisch Haltung an auf ihren Sitzen.

Muggelsprache für Potter-Fans

Nach wie vor fiel allerdings kein Wort von einer Palastrevolte im Bauamt oder wenigstens der Übergabe einer mit zahlreichen Signets des Hofstaates versehenen Protestnote. Erst am Schluss der Sitzung fasste sich Michael Unverricht (CDU) ein Herz und fragte in der nur in Markranstädt verständlichen einzweidreimehrdeutigen Art nach, was es denn mit einem Prozess hinsichtlich einer Personalie auf sich hätte.

Spiske räumte ein, dass sein Rechtsverständnis anders aussehe als das, wonach entschieden wurde und er diesmal eben nicht gewonnen hätte. Dass die Zuschauer bei diesem verbalen Austausch da saßen wie Muggel beim Quiddich in Hogwards, ist leider auch eine der üblichen Begleiterscheinungen unter der Kuppel über Markranstädts Dächern. Anwesenheit ist erwünscht – verstehen nicht immer.

Was die Spatzen so pfeifen

Na gut, nachdem nun schon einige Wochen ins Land gegangen sind, muss ja jemand mal sagen, was die Spatzen so pfeifen. Demnach liegt dem Bürgermeister also ein von wahrscheinlich allen oder zumindest vielen Mitarbeitern des Bauamtes unterzeichnetes Schreiben vor, in dem von Unzufriedenheit in ihrem Ministerium berichtet wird.

Adressaten dieser Kritik sollen die Ministerin und ihr Stellvertreter sein. Das wird zumindest bei Vollmond in den Schänken der dunklen Gassen in der Stadt kolportiert. Inzwischen habe der Bürgermeister eine Organisationsuntersuchung des Fachbereichs veranlasst.

In deren Zuge sollen sich, so ist zu hören, die Mitarbeiter sozusagen selbst bewerten. Genauer gesagt: Sie sollen darstellen, was sie so machen und wie lange sie dazu brauchen. Es fällt sicher nicht schwer, sich die Kreativität vorzustellen, die man entwickelt, wenn es um den Erhalt des eigenen Arbeitsplatzes geht. Da fällt einem bestimmt sogar eine Antwort auf die Frage ein, was man am 31. Februar 2014 gemacht hat und warum das so lange dauerte.

Was haben Sie am 31. Februar gemacht?

Die Bürgerfragestunde begann mit einer Frage von Ex-Stadtrat Hans-Jürgen Berg. Obgleich die Frage eigentlich längst überfällig war und es für einen Stadtrat eher peinlich sein sollte, dass sie von einem Bürger gestellt werden muss, gebietet es der weitere Verlauf der Sitzung, das Thema der Untervermietung des Stadions am Bad mit einer Frage des Stadtrats Ronald Gängel (Linke) zu verbinden.

Diesem fiel auf, dass da neue Zäune am Stadion errichtet wurden und auch allerhand neue Container für Notdurft und ähnlich wichtige Dinge herumstehen. Wer die bezahlt habe, wollte Gängel wissen. Dazu konnte an der Stirnseite des Ratstischs allerdings niemand was sagen.

Alle Wetter! Da liegt der Gedanke nicht fern, dass da irgendwann mal ein Zirkus seine Elefanten grasen lässt oder vor der Haupttribüne eine Landebahn für einen österreichischen Jet angelegt wird (inklusive Tower sowie Gepäckabfertigung) und niemand was mitkriegt.

Fall für den Vermieterschutzbund

Der Vermieter weiß also nicht einmal, dass aus seiner Kellerwohnung ein Luxus-Loft gemacht wird oder aus der Mansarde ein Konferenzzentrum? Okay, in Zeiten, da sich ein ganzes Volk mit dem Slogan „Wir schaffen das“ einlullen lässt, kommt man auch mit „Wir wissen von nichts“ durch.

Als Manfred Schwung bei seiner Bürgerfrage das Wort „Maklergebühr“ in Bezug auf die MBWV in den Mund nahm, wähnte sich das Publikum beim Blick in die Augen des Auditoriums mitten bei der Snooker-Weltmeisterschaft. Rollende Augen. Okay, ob die städtische Tochter jetzt 100.000 Euro mehr oder weniger im Tresor hat, wird das Volk an den Ufern des Zschampert wahrscheinlich nicht sonderlich interessieren. Schwungs Frage nach der Qualität von Beschlussvorlagen mit dem Hinweis „Zu Personalfragen äußere ich mich nicht“ abzubügeln, ließ diesmal allerdings nicht nur die anwesenden Reservisten Haltung annehmen. Auch die Damen hatten da ihre Hände an der Rocknaht und saßen aufrecht. Das war keine Antwort, das war ein Befehl!

Blick in die geschichtliche Historie

Danach hatte der neue Schulleiter des Gymnasiums seinen Auftritt. Schönfeldt war fast fertig und es hätte eine harmonische Rede sein können, wenn er dann nicht noch einmal auf den unglücklichen räumlichen Schnitt in der Verwaltungsetage der Schule zu sprechen gekommen wäre und damit das Angebrannte im geschichtlichen Eintopf der Stadt hochgerührt hätte. Augenblicklich fühlte sich das gesamte Heer der damals Unverstandenen auf den Plan gerufen und übte sich in der Richtigstellung historischer Ereignisse.

Längst vergessene Namen wurden strapaziert, Zusammenhänge dokumentiert und Tote geweckt. Schönfeldt, ein sympathischer Typ aus Mecklenburg-Vorpommern, der zu jener Zeit wahrscheinlich an der Küste von Boltenhagen noch im Kutter auf Schollen aus war, konnte man ansehen, dass er Mühe hatte, die vor ihm aufgebrochene Welt zu verstehen.

Für nur 6,84 Ranstädter Mark

Danach wurde unter Tagesordnungspunkt 8 auch dem Kauf von Flächen des Gewerbeparks „Ranstädter Mark“ zugestimmt. Der Betreiber hatte Insolvenz angemeldet und die Stadt erwirbt nun die 170.000 Quadratmeter für insgesamt 1.162.700 Euro zurück. Rechnen wir mal: Macht 6,84 Ranstädter Mark pro Quadratmeter zuzüglich bereits erwähnter Rücklagen, die nun futsch sind. Die LINKE verknüpfte diesen Vorgang mit der Hoffnung, dass im Beitrittsgebiet sozialer Wohnungsbau realisiert werden könne, während auf der gegenüberliegenden Seite des Ratstischs allgemein von blühenden Landschaften philosophiert wurde.

Über den Rest der 14. Sitzung in der vierten Etage hätte man, wenn man der Tagesordnung Glauben schenken wollte, getrost den Mantel der emotionalen Barmherzigkeit fallen lassen können. Wenn da nicht der Tagesordnungspunkt „Priesteblicher Straße“ eingangs noch mit dem Prädikat öffentlichen Interesses versehen worden wäre.

Die „via ad molendinum“

Die Straße an der Mühle. Zur Erinnerung: Es handelt sich um die Straße, die von einer Schranke geziert wurde, die eigentlich nie vorhanden war, weil sie spätestens eine Woche nach ihrer Installation einem Rückbau infolge missverstandener Zivilcourage anheim fiel. Auf Bitten des Lindennaundorfer Ortschaftsrates hatte das Bauamt (bei einem mit Markranstädts individuellen Merkmalen gut vertrauten Ingenieurbüro) verschiedene Varianten prüfen und kalkulieren lassen.

Das nun in der vierten Etage präsentierte Ergebnis war ein planerisch-finanzieller Offenbarungseid. Die sinnvollen Lösungen bewegten sich zwischen 1,7 und 1,8 Millionen Euro, mit allerdings fast genauso großem Spielraum nach oben.

Steht der Mauerbau bevor?

Die darauf folgende Diskussion war von seltsam anmutenden Annahmen geprägt. So standen Merkmale einer Straße im Raum, die nicht einmal die derzeit gültige Umleitungsstrecke zwischen Seebenisch und Räpitz für sich in Anspruch nehmen kann (zu der es übrigens von beiden Seebenischer Stadträten erneut keine einzige Wortmeldung gab). Als die Chefin des Bauamtes schließlich auf Variante 4 verwies und die Errichtung eines „Betonleitelementes“ in der Priesteblicher Straße in Aussicht stellte (Niemand hat hier die Absicht, eine Mauer zu errichten!), schlug der Blutdruck-Lukas bei Ortsvorsteher Jens Schwertfeger (CDU) an die Glocke.

Als er fertig war, gab es erstmals seit langem fraktionsübergreifenden Applaus für eine rhetorische Leistung in der vierten Etage. Das kam tief aus dem Herzen, war überzeugend und ein Plädoyer für Verstand und Demokratie. Schwertfeger ergriff weniger für eine der beiden Seiten Partei (für oder gegen eine „öffentliche“ Verbindungsstraße), sondern für eine vernünftige Argumentation, die zu einer vernünftigen Entscheidung führt.

Cicero im Senat

Die ausgearbeiteten Vorschläge wies er als überzogen zurück und forderte vernünftige, dem Sachzwang entsprechende Lösungen, die dann auch bezahlbar seien. Die könne man nicht aus Verwaltungsvorschriften beziehen, sondern aus individuellen Ideen, um die man kämpfen müsse.

Seine Eignung als Satiriker unterstrich Schwertfeger übrigens mit der einleitenden Bemerkung, dass ein Ausbau des „Feldwegs Priesteblicher Straße“ sicher auch Auswirkungen auf die Verkehrsbeziehungen zum Leipziger Stadtteil Taucha habe und man deshalb noch lange nicht die Ortslage Lindennaundorf vierspurig ausbauen müsse.

Der Traum jeder Frau: Ausbau auf 30

Womit wir beim satirischen Finale der Veranstaltung wären. Die Umleitungsstrecke zwischen Seebenisch nach Schkeitbar kam dann trotzdem noch einmal zur Sprache. Im Vergleich zur Priesteblicher Straße ist die „Schkeitbarer Allee“ ein Trampelpfad. Dessen Tauglichkeit wird nun voraussichtlich bis Februar beansprucht und damit er diesem Anspruch genügt, wird nun reagiert. Die Umleitungsstrecke wird ausgebaut. Jawollja!

Der Weg ist das Ziel

Allerdings sollte man jetzt nicht falschen Vorstellungen erliegen und vor dem geistigen Auge vielleicht gar Baumaschinen sehen. Es ist sozusagen ein Verwaltungsausbau. Die Straße wird auf „30 km/h ausgebaut“! Wenn es in einer Stadtratssitzung Wiederholung in Zeitlupe gäbe, wäre die wohl gleich 20fach aufgerufen worden.

Also nochmal langsam: „…auf 30 km/h ausgebaut“. Das ist ungefähr so, als würde ein inkontinenter Mensch damit prahlen, dass er kein Klo mehr braucht, weil er jetzt in die Windeln macht. Na ja, auch für die Seebenischer gilt: Wir schaffen das!

 

Schreibe einen Kommentar

Deine Email-Adresse wird nicht veröffentlicht.

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.