Neues aus der vierten Etage (2)

Da auch andere Events ihren Tribut fordern (BOS-Turm, ick hör dir funken!) und man nicht auf jeder Hochzeit tanzen kann, wurde zur gestrigen Sitzung der Markranstädter Duma lediglich ein Korrespondent entsandt. Als der fix und fertig aus der vierten Etage abgestiegen war, stand fest, dass dies sein zwar erst dritter, dafür aber vorerst letzter Besuch im Olymp der Kommunalpolitik war. Zu anstrengend, meinte er und griff in den Bierkasten. Trotzdem enthält sein Stichwortzettel Bemerkenswertes.

Schon beim Betreten des Saales mit gleichzeitig einhergehendem Blick in das sich füllende Rund fiel ein neues, ungewohntes Möbel ins Auge. Strategisch günstig am Schnittpunkt beider aus den verwinkelten Separees strömenden Energielinien positioniert, machte sich beim Anblick des Tisches ein Hauch von Feng Shui breit.

Zum ersten Mal seit dem Altranstädter Frieden anno 1706 fand die Presse wieder vernünftige Arbeitsbedingungen vor, wie sie in Nachbarstädten Schkeuditz oder Markkleeberg schon immer existieren. Vorbei also die Zeiten, da man seine Notizen mit der Tagesordnung als Unterlage quasi auf den Schoß kritzeln musste? Na ja, offenbar noch nicht ganz.

Tischlein neck mich

Die Vertreterin des lokalen Nachrichtenmediums war ob dieses plötzlichen Willkommens offenbar so verstört, dass sie ihre Schritte misstrauisch gen Publikum lenkte und dort Platz nahm. Ein natürlicher Instinkt, der unserer Generation bereits in die Wiege gelegt wurde. Vorsicht bei allzu viel Freundlichkeit: Wenn dich ein fremder Onkel im Auto mitnehmen will, reiß aus!

Aber sofern die öffentliche Missachtung des neuen Arbeitsplatzes vom Gastgeber nicht als Ablehnung und damit als brüskierende Geste interpretiert wird, sollte das kleine Möbel beim nächsten Mal wieder dort stehen und sich allmählich durchsetzen. Feiner Zug jedenfalls von einem Gremium, auf dessen Tischen sogar Getränke stehen.

Häppchen wider den Hunger-Ast

Nein – nicht gleich losmeckern über angebliche Privilegien wegen ein paar Saftflaschen. Das ist geradezu spartanisch. In Markkleeberg gibt’s bei Stadtratssitzungen sogar Häppchen und die nicht nur für Volksvertreter, sondern auch fürs Volk selbst. Allerdings haben sie dort mangels Volk oft ein Problem damit, dass das Zeug auch alle wird. Ganz gut wird’s nie. Also nicht gleich zu den Sternen greifen, sondern auch mal zufrieden sein mit einem Tischlein neck mich vor Ort.

Auch bei der Bürgerfragestunde, die diesmal etwas weiter hinten auf der Tagesordnung stand, ging es zunächst um Möbel.

Ein ebenso aufmerksamer wie hartnäckiger Bürger erbat Informationen, wie es wohl um die Stadtmöblierung stehe. Im Anschluss gab es Kritik über mangelnden Informationsfluss in Bezug auf die heute stattfindende Informationsveranstaltung zum BOS-Funkturm, die nun im KuK stattfinden soll. Hier sei keine entsprechende Mitteilung gefunden worden, die das interessierte Bürgertum darüber informiert.

Die Aufklärung erfolgte direkt durch die Stadtverwaltung, die darauf hinwies, dass es auf der Webseite der Stadt eine Info darüber gäbe. Sozusagen als Bonus zum Dienstleistungsangebot der Stadt wurde dem verdutzten Fragesteller der Rat gegeben, den Browserverlauf und die Cookies seines Gerätes zu löschen, damit dort wieder Platz für die aktuellen Nachrichten ist.

IT-Dienstleistung

Diese Tücken der Technik sind mitunter wirklich ein Problem. Im vorliegenden Fall eröffneten sie dem satirisch geprägten Beobachter allerdings ein völlig neues Kopfkino. Wie geil muss der Gesichtsausdruck eines Internet-Users sein, wenn er mit prall gefülltem Cache seines Browserverlaufs nach dem Markranstädter Bürgermeister googelt und plötzlich auf dem Display das Konterfei von Carina Radon erstrahlt? Bei solchen Gedanken kann man dann auch den trockenen Stoff der restlichen Tagesordnung überleben.

Da hat sich gezeigt, dass die Besetzung der Ausschüsse nach Mehrheitsprinzip zwar demokratisch ist, aber bei den in diesen Gremien nicht vertretenen Parteien erhebliche Informationslücken hinterlässt. Die Folge: Eigens für nicht beteiligte Abgeordnete muss die in den Ausschüssen bereits abgebrühte Suppe neu aufgekocht werden.

Für Zuschauer wie auch eingeweihte Akteure könnte sich hier perspektivisch ein Teufelskreis bilden, der den Geduldsfaden wie die hohe e-Saite einer Gitarre zum Singen bringt. Das Problem: Natürlich können auch Nicht-Mitglieder die Ausschüsse besuchen. Allerdings haben sie da kein Rederecht und es gibt dafür auch kein Sitzungsgeld. Reaktionen aus dem Publikum und rollende Augen am Ratstisch lassen aber ahnen, dass man zumindest für den finanziellen Aspekt zu einer Lösung nach Art eines kommunalpolitischen Ablasshandels bereit sein könnte.

Zumindest schien es an diesem Abend nicht ausgeschlossen, dass die Anwesenden das Sitzungsgeld für die Ausgesperrten sogar zu spenden bereit wären, um ihr Leid zu lindern.

Gestern sorgte jedenfalls ein sichtlich genervter Tommy Penk (Grüne) erstmal für die Schließung der Rednerliste und damit ein vorübergehendes Erlöschen des Fegefeuers.

Wenn bei der nächsten Stadtratssitzung der vom Pfarrer ausgeliehene Klingelbeutel in der vierten Etage herumgereicht wird, dann weiß man aber zumindest, dass der Opferstock einer guten Sache dient. Der innere Friede ist wichtig.

Ausgeträumt?

Im nichtöffentlichen Teil der Veranstaltung wurde schlussendlich auch wahr, was die satirische Glaskugel bereits Anfang der Woche verhieß. Der eingeladene Vertreter des Investors für das Protonentherapiezentrum kam nicht.

Journalistisch orientierte Satirekollegen aus Halle, die naturgemäß und geografisch näher dran sind am Geschehen, haben schon am Montag gelacht. „Wenn du deswegen dahingehen willst, brauchst du gar nicht erst hingehen“, foppten sie im Grundton der Überzeugung, dass der Projekt-Chef nicht kommt. Wir sollten statt dessen lieber mal einen Blick ins Handelsregister werfen und die Adresse mit dem Impressum auf der Webseite des Projektes vergleichen. Was auch immer das bedeuten mag. Die bis gestern noch erreichbare Webseite des Projektes war heute jedenfalls (vorübergehend?) vom Netz genommen.

Protonen in Bewegung – aber wohin?

Nach der gestrigen nichtöffentlichen Sitzungsetappe lässt das Rathaus heute wissen, dass die Stadträte intensiv darüber diskutiert und sich mit dem aktuellen Stand auseinandergesetzt haben. „Im Ergebnis werde ich mich mit Herrn Schenk in Verbindung setzen.“, so Bürgermeister Jens Spiske, „Ich bitte um Verständnis, dass ich zum jetzigen Zeitpunkt nicht mehr zum Inhalt der Diskussion sagen kann.“

Eine Ansage, die vielleicht nicht jeden befriedigt, aber zumindest Ruhe in die Sache bringt. Der Vorgang ist in Bewegung, das ist wichtig. In welche Richtung, bleibt offiziell noch offen. Es gibt aber noch Hoffnung.

 

1 Kommentar

    • Bernd Hollwitz auf 15. November 2019 bei 10:20
    • Antworten

    Dazu fällt mir ein:

    Na, dann war’s halt für die Katz!

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