Neues aus der vierten Etage (30): So heiß kann kalt duschen sein

So bitter rächt sich das Leben, wenn man sich von der Realität beeinflussen lässt: Da glaubt man angesichts immer öder werdender Stadtratssitzungen, dass sich ein Besuch dieses Ensembles nicht mehr lohnt und dann werden die fünf verbliebenen Fans von einem wahren Feuerwerk lustigster Gags, Sketche und Pointen derart in Ekstase versetzt, dass sich die Daheimgebliebenen noch wochenlang über den entgangenen Spaß ärgern.

Große Augen nach großem Stühlerücken: Auf der Suche nach ihren Stammplätzen mussten die Ratsleute erst mal neue Eindrücke verdauen. Die Bürgermeisterin hat die Sitzordnung der Markranstädter Duma revolutioniert.

Feng Shui im Ratssaal. Die Abgeordneten sitzen jetzt im Stuhlkreis umeinander und können (besser: müssen) sich nun sogar in die Augen schauen, während sie die Rolle ihrer Bedeutung tanzen. Das war vorher nicht möglich und sollte den Mandatsträgern etwas mehr Sicherheit bei den Planungen ihrer Abstimmungen geben.

Stuhlkreis statt Frontalunterricht

Bisher saßen sie hintereinander und da kam es mehr als einmal vor, dass sich ein siegessicherer Fraktionschef nach der überraschenden Niederlage entsetzt umdrehte und dabei feststellen musste, dass die Seinen gar nicht mehr da waren.

Vom Frontal-Unterricht zum Stuhlkreis: Die Stadträte müssen die Rolle ihrer Bedeutung jetzt unter den kritischen Augen aller tanzen.

Vom Frontal-Unterricht zum Stuhlkreis: Die Stadträte müssen die Rolle ihrer Bedeutung jetzt unter den kritischen Augen aller tanzen.

Einziges Manko der neuen Gefechtsordnung: Die SPD samt ihrem Grünen sitzt linker noch als die Linken. Aber in Zeiten von Ampelkoalitionen, Jamaika-Bündnissen und all den anderen Farbmischungen, die das Kaleidoskop so her gibt, kann man die Parteien sowieso keiner Himmelsrichtung mehr zuordnen. Alles gut in der vierten Etage im Erdgeschoss.

Apathische Ultras

Allein die Strahlkraft aufs Publikum hat abgenommen. Nur noch ein harter Kern, bestehend aus fünf Lallendorfer Polit-Ultras, bevölkert die Fankurve im weiten Rund des KuK. Und selbst die sind so apathisch, dass sie sogar die Bürgerfragestunde ungenutzt verstreichen lassen.

Was ist da los? Gerade jetzt, wo endlich mal auch für die Bewunderer dieses Kabaretts Getränke und selbst Häppchen hingestellt werden, strafen sie die ihnen gereichten Hände mit Liebesentzug. Nicht mal die in unverbrüchlicher Waffenbrüderschaft verbundenen Kameraden der Feuerwehr, seit zwei Jahren eine stets willkommene Staffage für Umrahmung kommunalpolitischer Ereignisse, füllen die entstandenen Lücken mehr auf.

65mal Naddel in jeder Ausgabe: Fotos bis der Arzt kommt

Schade eigentlich, denn sie alle haben viel verpasst an diesem denkwürdigen Donnerstag, an dem unter anderem die Bitte um zusätzliche 10.500 Euro für das Amtsblatt auf dem Tisch lag. CDU-Chef Volker Kirschner hatte die Konsequenz messerscharf erfasst und verlieh seiner Befürchtung Ausdruck, dass er sich dann in jeder Ausgabe des Amtsblatts mit bis zu 65 Fotos der Bürgermeisterin auseinandersetzen müsse.

Die Rathaus-Chefin unterbreitete ihm daraufhin ein Angebot, das er nicht ablehnen konnte: „Ich bedanke mich für ihren qualifizierten Beitrag, Herr Kirschner. Bei den nächsten Fotos nehme ich sie gern mit drauf.“ Abstimmungsergebnis: Einstimmig angenommen!

Es gab auch ein paar Gags, über die man nur lachen konnte, weil man sie nicht verstand. So wollte die CDU die Neuwahl eines Beigeordneten beschleunigen, indem sie den Dezember als Wahltermin vorschlug. Es klang so, als wollte man die Bürgermeisterin dahingehend endlich mal auf Trab bringen. Stitterich allerdings ordnete den CDU-Vorschlag ihrerseits als Verzögerungstaktik ein und plädierte statt dessen vehement für eine „unverzügliche“ Wahl.

Nach meiner Kenntnis ist das … sofort … unverzüglich!

Nicht mal der Friedensvorschlag der SPD für den 3. November war ihr unverzüglich genug. So viel Briketts konnte die CDU in der Eile gar nicht nachlegen, um bei dem Tempo mithalten zu können. Und hast du nicht gesehen, blickte der Lokomotivführer in die Rücklichter seines eigenen Postwagens. Überholen ohne einzuholen – lachen kann, wer sich erinnert.

Erinnerungen an Vorkriegszeiten: In diesem Jahr wird Weihnachten nur noch halb so hell.

Erinnerungen an Vorkriegszeiten: In diesem Jahr wird Weihnachten nur noch halb so hell.

Apropos Beigeordnete: Weil sie ihren Hut genommen hatte, musste nun ein Nachrücker des Rathauses in den Aufsichtsrat der MBWV gewählt werden. Hartmut Kauschke aus dem Bauamt sollte der Glückliche sein und wurde auch einstimmig gewählt. Allerdings konnten dem außenstehenden Beobachter in der Fankurve leise Zweifel an der Nachhaltigkeit dieses Wahlaktes beschleichen.

Wählen was (noch) da ist: Mysteriöse Hustenanfälle vor Abstimmung

Bereits die Aufforderung zur Stimmabgabe war von einem so auffälligen Hüsteln, Raunen und Räuspern begleitet, dass man sich auf der Intensivstation der Robert-Koch-Klinik wähnen konnte. Die nächsten Wochen werden zeigen, ob die Wissenden wussten was sie taten und was der Auslöser dieses fraktionsübergreifenden Bronchialkatharrs war. Dass da möglicherweise heute jemand gewählt wurde, der morgen schon nicht mehr zur Verfügung steht, kann bei so viel geballtem Wissen zumindest schon mal ausgeschlossen werden.

Das große Finale wurde dann von der Bürgermeisterin höchstselbst eröffnet, indem sie in zusammenfassenden Worten das Markranstädter Energiesparpaket vorstellte. In den einen Straßen die Beleuchtung reduzieren, in anderen die Laternen komplett abschalten, in den Sporthallen kalt duschen – der ab 15. Oktober über uns hereinbrechende Energiekriegswinter schickt eiskalte Schauer voraus.

In demütiger Ergebenheit nahm der Stadtrat all die Umstände hin, unter denen er Seit an Seite mit dem Bürgertum zwischen Zschampert und Floßgraben zu überwintern verdammt ist. Als die Sprache allerdings auf Weihnachten kam und die örtliche Militäradministration das Abschalten der Hälfte aller LED-Lampen in der Leipziger Straße verkündete, war den Unterworfenen der Last zu viel aufgebürdet. Es regte sich ein letztes verbales Aufbäumen unter den Entwärmten und Entlichteten.

22 Grad und es wird noch heißer…

Dem Abschalten von ein paar kaum Energie verbrauchenden LED-Lampen und noch dazu über den Zeitraum von nur ein paar Wochen, konnte daraufhin selbst das Rathaus als Erfinder dieser Erfindung nicht mehr als eine gewisse Symbolkraft bescheinigen. Dennoch blieb die Bürgermeisterin eisern und verteidigte die Pläne. Dabei berief sie sich auch auf Maßnahmen, die nicht im Rathaus entbunden, sondern diesem von übergeordneten Stellen aufgebürdet wurden, wie beispielsweise “die Temperatur von 19 Grad in öffentlichen Räumen.“

19 Grad! Das war das Stichwort für den streitbaren Geist mit satirischem Migrationshintergrund, dem es zuvor in weiser Voraussicht gelungen war, unter Umgehung sämtlicher Sicherheitsvorkehrungen ein Thermometer in den Ratssaal einzuschleusen. Und das zeigte zum Zeitpunkt der Verkündung jener ominösen Frostgrenze sage, schreibe und fotografiere, satte 22,5 Grad in diesem öffentlichen Raum!

Was heißt hier: Verstoß gegen die 19-Grad-Regel? Immerhin war am Donnerstag im Ratssaal noch Luft von 67,5 Grad bis zum rechten Winkel.

Was heißt hier: Verstoß gegen die 19-Grad-Regel? Immerhin war am Donnerstag im Ratssaal noch Luft von 67,5 Grad bis zum rechten Winkel.

Weil die Stadtverwaltung selbstverständlich niemals so stark heizen würde, dass die vorgeschriebenen Raumtemperaturen überschritten werden, gibt es für das Phänomen nur eine Erklärung: Der Reibungswiderstand hat in der vorausgegangenen Debatte so viel Hitze erzeugt, dass die Quecksilbersäule im Ratssaal gleich um satte 3,5 Grad gestiegen ist und weil der Stadtrat das als angenehme Nestwärme empfand, ist es auch niemandem aufgefallen.

Wieviel Energie die Klimaanlage anschließend verschlungen hat, um den Ratssaal wieder auf die vorgeschriebenen 19 Grad runterzukühlen, wurde demzufolge auch nicht thematisiert. Für das gemeine Volk aber war diese Erkenntnis ein Fingerzeig, wie man gut gewärmt durch den bevorstehenden kalten Winter kommen kann: Ein ordentlicher Ehekrach beugt Erfrierungen vor und mit einer zünftigen Versöhnung lässt sich die Temperatur auch eine Weile halten. Wer solch humanoiden Schamott nicht sein Eigen nennen kann, wärmt sich halt alle vier Wochen mal im Ratssaal auf. Wir kommen schon irgendwie durch den Winter. Stößchen!

12 Kommentare

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    • Doppelrömer auf 10. Oktober 2022 bei 9:49
    • Antworten

    Ach Duma Markranstädt was bist Du Sch…, hier kläffen kleine Hunde die keiner(n) gender genderin in die Waden beißen! Wenn wegen Frost die Zähne klappern-hirnlose „bringt uns Vorwärts“ Gedankinnen labern…

    1. Äääähm … Ja!

    • Simsalabim auf 9. Oktober 2022 bei 21:35
    • Antworten

    Keiner von den anwesenden Damen- und Herrschaften scheint sportlicher Betätigung hier im kleinen Städtchen nachzugehen. Was interessieren uns kalte Duschen. Das kalte Wasser vom Stadtbad vermisst schließlich auch keiner auf der Tagesordnung.
    Ins Schwitzen kommt dann der Stuhlkreis erst wieder, wenn zusätzliche Gelder für die Beseitigung der Legionellen u.Ä. an der Reihe sind und der letzte ehrenamtlich engagierte Sportler alles hinschmeißt.
    Unsere Stadtvertreter haben sichtlich mehr Angst und Bedenken demnächst beim Flanieren auf der Einkaufsmeile von Lallendorf keine Erleuchtung mehr zu finden.

    1. So viele Kritiken und niemand wagt sich, Klartext zu schreiben! Warum nennt keiner die Aktion beim Namen? Es ist S E X I S M U S ! Wir wissen doch alle, was mit dem männlichen Zapadeus in kaltem Wasser passiert und wie im gleichen Medium die Nippel der der Damen reagieren. Nur darum geht es! Schaut Euch um, wo die Kameras hängen.

    • Dorfschulmeister auf 9. Oktober 2022 bei 9:49
    • Antworten

    Es wird Zeit, dass wieder etwas Witz , Spaß und Idiotie in die Heiligen Hallen der Lallendorfer Knesset einkehren. Ich glaube ja, da steckt ein großer Plan dahinter. Es müssen wieder mehr Zuschauer, vor allem *innen, in den Denkerclub, damit die Heizung heruntergedreht werden kann. Schließlich produziert jeder Mensch ca 100-200 Watt Heizleistung. Ich wette, es gibt da schon eine Gruppe bei telegram.

    1. Das ist aber nur ein Durchschnittswert, oder? In Markranstädt laufen Frauen rum, die strahlen mindesten drei Megawatt aus, bei anderen wiederum (vor allem einigen griesgrämigen Männern) möchte man am liebsten ein paar Briketts nachlegen, damit die wenigstens auf Grundlast-Werte kommen. Meinen das unsere Politiker, wenn sie von „Energiemix“ reden?

  1. Das war Euer mit Abstand bester Beitrag bis jetzt. Die Entlichteten und Entwärmten – ganz, ganz große Satire!

    1. Und so viel Lob jubeln Sie uns hier mit nur zwei Sätzen unter? Also da ist doch sicher noch mehr drin.

    • Heiko Küster auf 8. Oktober 2022 bei 7:11
    • Antworten

    Wenn man bedenkt, dass zu Beginn immer erst „Widerstand „angedeutet wird und letztendlich alles einstimmig über die Bühne geht, dann bin ich glücklich und werde am E.M. in der Volkskammer erinnert, der da sagte: „Ich liebe euch doch alle…alle Menschen…!“ Hier, in unserer Duma, sind sie schon einen Schritt weiter:“Wir lieben uns doch alle!“ Was noch dem Ganzen die Krone aufsetzen würde wäre langanhaltender, rhythmischer Applaus, gefolgt von Hochrufen auf die Erfolge der Mitwirkenden und ihrer unermüdlich präsenten Vorsitzenden!!!
    Und ich weiß, ich bin bei so viel Liebe gut und kompetent umsorgt!!!

    1. Das gilt aber nur, solange Sie selbstbestimmt durchs Leben gehen können und keine Hilfe brauchen. Sabber vom Mund wischen, Stuhlgang ansaugen oder alle zwei Stunden wenden steht nicht in der Funktionsbeschreibung eines Stadtrats.

    • Frost Ruprecht auf 8. Oktober 2022 bei 1:30
    • Antworten

    Dann werden die Sportvereine ab sofort vorher duschen und sich dann wieder warm trainieren/spielen :-). Traurig, traurig – da fahren die Gästeteams der Handballer/Fussballer stinkend teils sogar länger nach Hause nach einem anstrengenden Spiel. Vielleicht trainiert Frau Bürgermeisterin aber auch mal bei den Fussballvereinen der Stadt mit – bei 5 Grad und Nieselregen. Ja es muss gespart werden, aber an den richtigen Stellen – und dass die Jungs und Mädels keine halbe Stunde warm duschen ist glaube für alle Vereine eine Selbstverständlichkeit. Aber kurz nass machen, einseifen, abduschen sollte schon machbar sein – in diesen Zeiten.

    1. Die Fußballer hatten die Chance, der Bürgermeisterin die Härte ihres Sports vorzustellen. Aber man hat es dabei belassen, sie in der warmen Stube als Losfee für den Sachsenpokal zu missbrauchen, obwohl man dafür in den eigenen Reihen selbst einige verdienstvolle Kicker hat. Also bitte jetzt nicht im Nachhinein rummeckern. Unsere Weltmeister-Elf von 1954 (das Wunder von Bern) hatte sich zehn Jahre vorher in Stalingrad an gefrorenen Russen gewärmt – so werden Helden gemacht.

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