Noch vor dem MCC, dem Seebenischer KFV und dem Räpitzer Faschingsclub hat der Markranstädter Stadtrat gestern das große Finale der diesjährigen Karnevalssession eingeläutet. Es war lustig und unterhaltsam, aber so richtig versteht sich der 22er-Rat dann doch nicht auf Klamauk. Zu viele Zwischentöne, die das närrische Publikum entweder nicht versteht oder dafür kein Verständnis hat.
Für eine gelungene Ouvertüre sorgten der Bürgermeister und CDU-Fraktionschef Dr. Kirschner. Letzterer bat gleich einleitend, den Rechenschaftsbericht des MBWV-Chefs von der Tagesordnung abzusetzen.
Als Begründung führte Kirschner an, dass er Frank Sparschuh aus dem Verkehr ziehen musste. Jens Spiske fragte vorsichtshalber mal nach: „Sie meinen das doch hoffentlich in ihrer Funktion als Allgemeinmediziner?“
Nachdem der CDU-Medizinmann das bestätigte, begründete Spiske seine Nachfrage mit den Worten: „Na ja, ich muss das ja fragen. Es gibt ja da auch andere Wege…“ Tätäää und Tusch, auf zur nächsten Nummer.
Kartenspiele im Stadtrat
Für deren Pointe sorgte Spiske diesmal gleich selbst. Er stellte die Karten vor, mit denen die Stadträte ab sofort ausgestattet sind. Gelb für Enthaltung, eine Grüne für Zustimmung und die rote Karte … nein, leider nicht für Saalverweis, sondern nur für die Nein-Stimme.
Nachdem von den umliegenden Stadtparlamenten erst die Transparenz und dann der Pressetisch übernommen wurden, war das schon die dritte erfolgreiche Raubkopie in dieser Legislatur.
Legale Raubkopien
Wenn demnächst auch noch Namensschilder auf den Tischen vor den Abgeordneten stehen oder es gar Häppchen gibt, werden dann sicher bald mal Tantiemen nach Markkleeberg, Zwenkau oder Schkeuditz fällig. Bis dahin aber erst mal ein dreifaches Lallendorf OHO für die originelle Idee.
In der Bürgerfragestunde kamen überwiegend die immer wieder absaufende Unterführung am Bahnhof und damit zugleich auch die Belastung der Freiwilligen Feuerwehr zur Sprache.
Und dann kam die Bütt…
Okay, sicher würde es das Dasein der Kameraden erleichtern, wenn man andere Kräfte finden würde, die den Tunnel auspumpen. Aber leider hatten weder Bürger noch Stadtverwalter das andere Problem auf dem Schirm. Gefühlt jedes zweite Heulen der Sirenen gilt der Tragehilfe für Rettungsdienste. Also dafür gibt’s keinen Tusch.
Auch nicht für den Hinweis von Ronald Gängel, wonach manchem Bürger die Sirenen zu laut heulen würden. Jens Spiske konterte diesen Vorstoß zu mehr Lärmschutz locker: „Also Ich freue mich, wenn ich die Sirenen höre. Dann weiß ich, dass mich die Feuerwehr beschützt.“
Am Fragenkatalog des Bürgers Manfred Schwung fehlte diesmal eigentlich nur noch, dass er ihn in Verse geschmiedet als Büttenrede vortrug.
Ansonsten war alles dabei, was das satirische Herz höher schlagen lässt – inklusive rückwärts laufenden Kalenders, der dem Bürgermeister seine 290 noch verbleibenden Amtstage vor Augen hielt. Das schien wohl sogar dem Amtsinhaber etwas zu exakt definiert, weshalb er sich zur Frage hinreißen lies: „Sind da meine Urlaubstage schon dabei?“
Schwungs Vortrag war derart reichlich mit karnevalistischen Spitzen garniert, dass selbst der Satiriker am Ende nicht mehr wusste, welche Fragen da eigentlich gestellt wurden. Darum muss sich nun die Qualitätspresse kümmern und deshalb soll ihr der fällige Tusch vorbehalten bleiben.
Auf den fehlenden Schlagbaum in Schrankenheim angesprochen, verweigerte Spiske den Neubau eines solchen. „Die Schranke wird eh nur wieder kaputtgefahren, was dann nur erneut weltweit satirisch kommentiert wird“, ist der Bürgermeister überzeugt.
Gute Werbung für das örtliche Satire-Organ, aber schlecht für dessen Umsatz. Die legendäre „Schrankenuhr“ – in mühevoller Kleinarbeit bis ins Jahr 2060 programmiert – kann dann wohl endgültig gelöscht werden. Trotzdem gibt’s einen Tusch samt Orden „Wider dem tierischen Ernst“ für die kommenden 290 Tage.
Der geheimnisvolle Vertrag
Ein wenig seltsam entwickelte sich dann die Diskussion um den Antrag des Bürgermeisters hinsichtlich der Zukunft des ehemaligen Hotels. Die AfD hatte noch den Zusatz einzubringen, dass der Vertrag zwischen Landkreis und Betreiber nach Ablauf der acht Jahre gekündigt werden und gegebenenfalls auch von dem im Vertrag verankerten Sonderkündigungsrecht Gebrauch gemacht werden soll.
Die darauf folgende Diskussion war zunächst ein nostalgischer Ausflug in die Vergangenheit mit allerhand Schuldzuweisungen. Markige Worte und Zitate flogen zudem über den Ratstisch. Unter deren Eindruck ist vielen Gästen wohl die kleine Marginalie entgangen, die den Satiriker fast von seinem Sitz gewedelt hat.
Nachdem jahrelang niemand – weder in der Stadtverwaltung noch unter den Stadträten – den Vertrag zwischen Landkreis und Hotelbetreiber ITB zu kennen behauptete, wussten jetzt plötzlich alle von diesem darin enthaltenen Sonderkündigungsrecht und kannten sogar den Paragraphen, unter dem es steht. Also wenn das kein Karneval ist?
Allerdings wurde das schon bald von einem anderen Ereignis übertüncht. Bei der Abstimmung dazu wollte (unter anderem) die Linke nicht zur grünen Ja-Karte greifen.
Das „Ätsch-Prinzip“
Wäre so okay gewesen, aber Heike Kunzemann wollte das dann unbedingt auch noch begründen und was sie da äußerte, ließ sogar dem Satiriker die Tinte in der Feder stocken.
Den ursprünglichen Antrag hätte sie beschließen können, sagte Heike Kunzemann, aber weil der eingebrachte Zusatz von der AfD kam, habe sie der Beschlussvorlage nicht zugestimmt.
Zumindest weiß man in der AfD jetzt, wie man an seine Ziele gelangt. Einfach das beantragen, was man nicht will und schon wird beschlossen, was man will.
Bei soviel demokratischem Intellekt in den gegnerischen Reihen kann man in Ländern wie Thüringen als Opposition sogar den Ministerpräsidenten bestimmen. Klappt überall, warum also nicht auch in Markranstädt?
Sachlich richtig
Das rief am Ende der Sitzung sogar die Erste Beigeordnete noch einmal auf den Plan. Sie würde sich freuen, sagte sie in der ihr eigenen Art eines Krisenmediators, wenn man sich im Stadtrat bei der Entscheidungsfindung künftig auf sachliche Argumente beziehe. Da war in der knisternden Atmosphäre sogar sowas wie beifälliges Klopfen auf den Lehnen der Besucherstühle zu hören.
Am Schluss war es wieder dem Bürgermeister überlassen, die Karnevalssitzung in der vierten Etage mit einem Gag zu beschließen.
Jens Spiske musste das längst bekannte, aber sorgsam gehütete Geheimnis um den Termin für die anstehenden Bürgermeisterwahlen lüften. Das begann er mit den Worten: „Wie sie jetzt wissen, habe ich ja nur noch 290 Tage…“
Es wird gewählt bis es passt!
Kurzum: Am 20 September wird gewählt. Für den Fall, dass sich noch Gegenkandidaten finden (die Lokalgazette hatte zwar schon Wahlvorschläge eingebracht, bei einigen aber offenbar vergessen, sie davon zu informieren), wird eine eventuell erforderliche Stichwahl am 11. Oktober stattfinden.
Unter dem bereits während der Sitzung vernehmbaren Geräusch wetzender Klingen ging der Tusch dafür unter. Nach knapp zwei Stunden ist der Vorhang gefallen.
Auf Wiedersehen nach Aschermittwoch.
3 Kommentare
Das ausgerechnet fehlende Rauchmelder (nicht behobener Baumangel) als Argument für ein Sonderkündigungsrecht der Ausländer-Unterkunft herhalten muß… Man könnte meinen, den „Gegnern“ geht es ums Wohl der Bewohner, weil ja neuerdings in unserer Stadt ein oder mehrere Brandstifter umherziehen.
Auch sonst hatte man den Eindruck, den Stadträten gehen die Themen aus. Deshalb mußte schon mal eine Stadträtin in die geschichtliche Mottenkiste greifen, um teils falsche Behauptungen zu präsentieren, warum die Einrichtung in M. steht und für den Eigentümer/Betreiber zur „Gelddruckmaschine“ geworden ist.
Das ist leider nicht der einzige Mangel, aber ein im Zweifel fataler.
Das mit dem Heim nicht alles bestens ist, sollte jedem klar sein, sonst hätte der BM in Zusammenarbeit mit dem Landratsamt ja nicht wegen Branschutzmängeln das Hotel schließen müssen, was aber dank dem neuen Betreiber nicht mehr veranstaltet werden musste, da ja da die Aufsicht größtenteils beim Landratsamt und der Landesdirektion Sachsen liegt.
Die Zustände sind nicht neu und zurecht endlich auf der Tagesordnung.
Gute Idee!
Ich bin auch dafür das man die Unterkunft wegen Brandschutzmangel „vorerst“ schliesst.
Nach Mangelbeseitigung und zur Freigabe vor Weiternutzung muss der Brandschutzbeauftragte des BER zur Prüfung herangezogen werden. 🙂