Die Aussichten auf die kommenden Tage sind in Markranstädt wesentlich rosiger als der Rückblick auf die vergangenen Woche. Am 31. März eröffnet der Mehlschaffende Udo Wendl aus Markkleeberg sein neues Café in der Leipziger Straße. Ein leider weniger erfreulicher Vergleich mit Markkleeberg drängte sich zuletzt allerdings im Markranstädter Stadtrat auf. Der hatte am Dienstag eine Sondersitzung zelebriert, die an Fahrlässigkeit im Umgang mit wertvoller Lebenszeit nichts zu wünschen übrig ließ.

Es war ein Wink des Schicksals. Am Dienstag beschäftigte sich der Markranstädter Stadtrat mit seinem Flächennutzungsplan (FNP), am Mittwoch tat die Markkleeberger Duma selbiges mit ihrem. Selig sind, die da vergleichen können.
Die Dringlichkeit zur Einberufung eines Sonderstadtrates in Markranstädt ergab sich offenbar aus dem Umstand, dass der zur Beschlussfassung vorgelegte Papyrus schon im Mai 2024 beschrieben wurde und bald zu zerbröseln drohte.
Trotzdem oder gerade deshalb beschwerten sich einige Räte, dass ihnen nicht einmal zwei Wochen Zeit gegeben wurde, um wenigstens den Staub von dem mehrere hundert Seiten starken Konvolut zu blasen.
Hörbuch von Morpheus
Zudem wurde am Dienstagabend im Ratssaal gut die Hälfte der zweieinhalb Stunden vertaner Lebenszeit einer ausführlichen Darstellung der Rolle der Bedeutung gewidmet. Ein durchaus edles Ansinnen, um Publikum und Neu-Stadträten den Unterschied zwischen einem Flächennutzungsplan und einer Montageanleitung von Ikea zu verdeutlichen.
Allein Anlass, Länge und Inhalt der Vorträge schienen wenig geeignet, dies hehre Ziel zu erreichen. Die Last der Informationen wollte die Augenlider im Saal wie eine Überdosis Valium hernieder drücken.
Feuer auf Scheinstellung
Die volley vom Ratstisch ausgesandte Kritik („Verlesung von Baurecht, erstes Studienjahr“) war durchaus berechtigt, richtete sich aber wohl wieder mal an die falschen Adressaten. Wer die inzwischen fest etablierten Gepflogenheiten der Kommunikation im Rathaus kennt – und die Stadträte sollten sie kennen – der müsste zumindest ahnen, dass da in Erwartung des Fangschusses humanoides Kanonenfutter vorgeschickt wurde.

Das Volk und seine Satiriker können das natürlich nicht wissen. Sie bauen sich ihr Kopfkino selbst zusammen und was dabei rauskommt, ist natürlich völlig falsch, haltlos und untragbar. Eine dieser selbst zusammengereimten Lügengeschichten klingt ungefähr so:
Der Ablauf im Volksmund
Da gibt’s also den Auftrag an zwei Bauamtsmitarbeiter, zum unterhaltsamen Dekor der trockenen Tagesordnung einen Vortrag zur Rolle der Bedeutung auszuarbeiten. Keine vier Wochen später ist das Papier so weit, um auf höchster Ebene seine Absegnung erfahren zu können. Theoretisch.
Praktisch muss zuvor noch ein von Bauwissen befreiter Spezialist drüberschauen, der den Entwurf mit seinem Rotstift nach versehentlich darin enthaltenen Lösungsvorschlägen oder gar zu progressiven Aussagen durchforstet, auf die man das Rathaus später mal festnageln könnte.
Vom Urheber zum Gewichtheber
Erst nach Vollzug dieser Prüfungsetappe gilt das Pamphlet als mundgerecht für die finale Entscheidungsebene zugelassen. Wo es dann durchaus trotzdem noch als zu kurz, zu lang, zu einfach, zu kompliziert oder zu detailliert benotet und deshalb zur erneuten Überarbeitung an den Ursprung zurückgereicht werden kann.
Wider der Genfer Konvention
Egal wie: Was am Ende dabei rauskommt, ist nicht mehr das Produkt jener Verfasser, die es als das Ihre vortragen dürfen. Und trotzdem müssen die armen Delinquenten nicht nur die öffentlichen Prügel dafür einstecken, sondern auch auf eine fachgerechte Wundversorgung verzichten.
Zum Glück alles nur Hirngespinste
Aber wie gesagt: Die Beschreibung dieses Vorgangs ist das Produkt kranker Phantasie des Volkes und deshalb kein Vorwurf an den Stadtrat, mit seiner Kritik zu ziellos oder zu unsensibel herumzufuchteln. Bomben und Auszeichnungen treffen sowieso immer die Falschen.

Zurück zur Realität: Am Ende ging es im Stadtrat in der Tat nur noch um die Rolle der Bedeutung. Und so wurde der Tagesordnungspunkt nach zweieinhalb Stunden verbalen Dauerfeuers aus allen Gräben quasi ergebnislos beerdigt.
Zurück blieben rund 20 sprachlose Zuschauer, denen zu allem Übel auch noch das Schauspiel um die Baufläche in der Leipziger Straße 70 widerrechtlich versagt wurde. Da bleibt man künftig wohl doch lieber zu Hause und zieht sich die Live-Übertragung eines Halma-Spiels rein.
Zuschauen und lernen …
Gleiche Szene, anderer Ort: Am nächsten Tag begann im Markkleeberger Ratssaal der Showdown für den Flächennutzungsplan der Großen Kreisstadt. Dass das Prozedere hier immerhin anderthalb Stunden dauerte, lag daran, dass transparent über jede der 68 Einwendungen aus der Bürgerschaft separat beschlossen wurde. Aber damit war der Drops dann auch gelutscht.
Erläuternde Ausführungen zur Rolle der Bedeutung eines FNP gab es im Markkleeberger Ratssaal zwar auch, aber hier trug der Oberbürgermeister seinen Psalm gleich selbst vor und so war diese Messe binnen vier Minuten gesungen.
Kampf in den Katakomben, Frieden in der Arena
Freilich gab es auch in Markkleeberg reichlich politisches und fachliches Gerangel. Aber dort hat man sich die Peinlichkeit erspart, das im Stadtrat vor Publikum auszutragen. In Markkleeberg nutzt man zur Vorbereitung von Beschlüssen die Ausschüsse.
Satte 19 Stunden Sitzungszeit, so Oberbürgermeister Karsten Schütze, hat er seinen Stadträten zur Beratung über den FNP in den vorbereitenden Gremien gegeben. Dort konnten sie sich so lange und so ausgiebig ihre Felle gerben, bis das Papier beschlussfähig war. Erst dann ging es in den Stadtrat und, wenig erstaunlich, wurde dort volley beschlossen.
Markranstädt und Markkleeberg: Zwei Suchbilder mit scheinbar gleichen Motiven. Finde die Fehler.
2 Kommentare
Brotagonist (von Protagonist – im altgriechischen Drama der erste Schauspieler) Udo Wendel, hat beeindruckend viel Geld in die Hand genommen, um eine Filiale in Markranstädt zu eröffnen. Und sicher war ihm nicht bewusst, dass er damit ein Teil eines größeren Traums wird, eines Boulevard, im Sinne von Bürgermeisterin i.R. Corina Radon, die immer schon von einer Prachtstraßen träumte.
Hell wach dagegen die Stadtspitze in Markkleeberg, zuerst mit Dr. Bernd Klose (SPD), der in seiner 19-jährigen Amtszeit unter Zurückstellung der eigenen Person die Entwicklung und das heutige Gesicht der Stadt nachhaltig prägte. Im folgte Karten Schütze (SPD), der bis zu seinem Amtsantritt am 22. Sep, 2013, 20 Jahre als Diplom-Lehrer für Biologie und Chemie am Gymnasium in Markkleeberg war, auch Stadtrat von Markkleeberg und Kreisrat im Leipziger Land. Erklärt das vielleicht den Unterschied von Markranstädt zu Markkleeberg?
Ja, der Schütze glänzt vor allem als exzellenter Erklär-Bär. Da wird jede Stadtratssitzung zur Sendung mit der Maus. Klingt komisch, ist aber so. Vielleicht sollten der Markranstädter Stadtrat und seine Chefin mal ein paar Unterrichtsstunden bei Lehrer Schütze im Markkleeberger Ratssaal nehmen? Denn Nicht allein in Schreiben, Lesen
Übt sich ein vernünftig Wesen;
Nicht allein in Rechnungssachen
Soll der Mensch sich Mühe machen,
Sondern auch der Weisheit Lehren
Muß man mit Vergnügen hören.