Neues Pauker-Zentrum mit Gerüchteküche

Die Gebete der Schüler wurden nicht erhört. Wenn am Montag die Schule losgeht, müssen auch die Markranstädter Kids wieder hin. Grund: Gerade noch rechtzeitig wurde ausreichend Platz geschaffen. Gestern wurde der Neubau an der Bebelhalle feierlich eingeweiht und seiner Bestimmung übergeben. Aber hinter den fröhlichen Gesichtern der Protagonisten gab es auch einige sorgenvolle Gedanken. So richtig in Sack und Tüten ist die Sache nämlich noch nicht.

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Es gibt nur zwei Möglichkeiten für die Entstehung der Situation: Entweder lieben sich die Markranstädter wirklich so sehr, dass man vor lauter Nachwuchs kaum noch mit dem Bauen hinterher kommt oder sie sind so arm, dass es nicht mal mehr für Verhütungsmittel reicht.

Wie auch immer, seit gestern stehen vier nagelneue Klassenräume und ein Lehrerzimmer mehr zur Verfügung.

Eigentlich waren sie fürs Gymnasium gedacht, aber das wird vorerst nichts. Weil gerade der Erweiterungsbau an der Grundschule erfolgt, muss das Domizil erstmal eine Weile für die ABC-Schützen herhalten.

Insgesamt 1,4 Millionen Euro sind in den Neubau geflossen. Das sowohl von außen als auch innen wirklich schicke Teil strahlt die Botschaft aus, dass es gut angelegtes Geld ist. Auch die zur Einweihung geladenen Gäste sahen das so.

Schnipp-schnapp (v.l.n.r.): Ralf Berger (Präsident des Landesamtes für Schule und Bildung), Grundschulleiterin Simone Müller und Bürgermeister Jens Spiske. Der Schulleiter des Gymnasiums, der noch hingehören würde, wurde abgeschnitten. Das Format ist hier einfach zu klein für eine große Persönlichkeit.

Allerdings waren Augen und Ohren des Satirikers eher auf die Nebenschauplätze geeicht. Als da wäre – zum Beispiel – ein Mülleimer, der fürs Foto beim Durchschneiden des Bandes im Wege stand.

Die Sache mit der Tür

Er wurde als eine Art Türstopper ganz bewusst dort platziert, damit das Portal nicht so weit geöffnet werden kann, dass die Scharniere bersten.

Bei der Begrüßung war die Welt für Jens Spiske noch in Ordnung – und die Scharniere der Tür (im Hintergrund) ebenfalls. Aber auch diese Sache hat er mit Humor getragen.

Nachdem das steinerne Müllmonument beiseite geräumt und das Foto im Kasten war, öffnete Jens Spiske die Tür. Die fuhr in Ermangelung des stoppenden Müllkübels jedoch plötzlich ins Leere und erstarb in dieser Stellung.

Diagnose: Bänderdehnung. Statt eines Kadi sprang ihm aber schon Bauamts-Mitarbeiter Michael Greiner zur Seite und beruhigte seinen Chef: „Kriegen wir schon wieder hin.“

Betreten durfte man das Innere der neuen Schule nur wie ein OP-Arzt die Intensivstation. Zur Maske kamen noch Überzieher für die Füße hinzu. Allein ein Schöngeist mit Berufserfahrung in einer LPG schien die Alternative einer Seuchenmatte am Eingang zu vermissen.

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Staunen in den Klassenzimmern. Jedes hat eine eigene interaktive Schultafel, mit der man sogar online gehen kann.

Von der ursprünglichen Idee, zu Yourporn zu surfen und den Kids für Montag eine Freude in Form einer scharfen Bitch zu hinterlassen, ließen sich die Besucher allerdings nicht überzeugen. Obwohl die Vorstellung durchaus was hatte, wenn die Lehrerin gleich nach dem Morgenappell die Tafel aufklappt …

Es blieb dann dabei, den Online-Test auf seriöse Quellen zu richten. Als Musterbeispiel für digitale Lerninhalte erfuhr der Bildungskanal „Markranstädter Nachtschichten“ neue Weihen.

Mit diesem Bildungskanal könnte sich auch Heike Helbig den Job als Lehrerin vorstellen. Leider ist er (bislang) nur für die Erwachsenenqualifizierung zugelassen.

Leider vorerst nur einmalig, aber was nicht ist, kann ja noch werden. Dem Frankenheimer Ortsvorsteher Jens Schwertfeger hat’s jedenfalls gefallen (Titelfoto)  und auch Fachbereichsleiterin Heike Helbig hat als Lehrerin eine gute Figur an der MN-Tafel gemacht.

Bei diesem Ambiente möchte man selber noch mal zur Schule gehen. Ob das die Schüler am Montag auch so sehen?

Kaum wieder raus aus dem Raum, wurde der satirische Beobachter durch Getuschel in eine andere Ecke gelockt. Das Puzzle der vernehmbaren Wortfetzen war nicht vollständig zusammensetzbar, aber die Fragmente ergaben ungefähr folgenden Inhalt:

Da der Neubau zunächst nicht nur als Schule, sondern auch als Hort genutzt werden soll, muss dazu eine Art Betriebsgenehmigung vorliegen. Auf Deutsch: Obwohl es die gleichen Kinder sind, die sich dort aufhalten, sind es nicht die gleichen Kinder. Oder anders gesagt: Schulkinder sind keine Hortkinder und umgekehrt … Na ja, so ungefähr jedenfalls.

Es lebe der Vorgang!

Die Stadt habe den Antrag für den Hortbetrieb bereits im Juni beim Landesjugendamt in Chemnitz eingereicht. Dieses allerdings habe darauf erst am 17. August reagiert und für die Genehmigung eine Liste noch einzureichender Unterlagen vorgelegt. Wohlgemerkt: 10 Werktage vor Beginn des neuen Schuljahres. Es lebe die Rolle der Bedeutung.

Die Liste habe die Stadt sofort abgearbeitet, war dem geheimnisvollen Flüstern zu entnehmen, allerdings fehlte wohl noch ein wichtiges Papier. Eine Art Bescheinigung, mit der das zuständige Bauaufsichtsamt bestätigt, das der Neubau auch als Hort genutzt werden darf.

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Das Bauaufsichtsamt – der Name sagt’s – ist aber auch nur ein Amt, so wie das Landesjugendamt, das über zwei Monate brauchte, um überhaupt erst mal auf den Antrag der Stadt zu reagieren.

Es wurde wirklich an alles gedacht. Sogar einen Karzer gibt es – stilecht unter der Treppe

Da der erste Schultag immer näher rückte und die Eltern der Kinder sicher gern wüssten, wo sie ab Montag ihre Kids parken können, wandte sich das Rathaus Anfang der Woche mit der Bitte um eine einstweilige Betriebserlaubnis oder eine andere Zwischenlösung (bis die Bestätigung der Bauaufsichtsbehörde da ist) an Staatsministerin Petra Köpping. Sie ist sozusagen die Chefin des Landesjugendamtes und Lallendorf zudem ihr Wahlkreis, in dem sie laut Presseberichten auch viel rumkommt. Gut, in Markranstädt …

Sie habe jedenfalls bislang nicht geantwortet. Konsequenz: Entweder gibt’s am Montag in Markranstädt keinen Hort oder irgendwer nimmt es auf seine Kappe. Letzteres wiederum ist wohl deshalb nicht ratsam, weil für diesen Fall bereits eine Strafe in Höhe von 100.000 Euro angekündigt worden sei.

Fakt ist, dass die fehlende Bescheinigung des Bauaufsichtsamtes am Mittwoch nachgereicht wurde. Und spätestens an dieser Stelle erklärte sich auch dem Satiriker, warum bei der Einweihung des Neubaus Pfarrer Zemmrich zugegen war. Man betet jetzt in Markranstädt, dass man beim Landesjugendamt (geheiligt werde dein Name) in der Lage ist, dieses Papier innerhalb von nur fünf Tagen zur Kenntnis zu nehmen und die Genehmigung zu erteilen. Sportlich, aber durchaus möglich.

Jakeduma-Zaun am Spielplatz

Wie gesagt: Alles nur Getuschel und zusammengesetzte Wortfetzen. Und wie immer reine Satire. Die hat die Eigenschaft, zunächst reine Phantasie zu sein. Wahr wird sie stets erst später.

Da die Hoffnung zuletzt stirbt, wurde im Park schon mal der Spielplatz eingezäunt. Er ist ab Montag Schulhof und Hort-Spielplatz in einem. Zum Glück ohne Antrag auf Erteilung eines Antragsformulars für den gelben Passierschein A 38, wonach ein Spielplatz für Schulkinder auch die Anforderungen eines Spielplatzes für Hortkinder erfüllen muss.

Wozu allerdings der Zaun dienen soll, konnte keiner der Teilnehmer an der Einweihungsfeier so richtig beantworten. Es gibt ja nur zwei Möglichkeiten: Entweder damit die Kids nicht raus können oder die Jakedumas nicht rein. Angeblich letzteres – und das war dann auch ein richtig schöner satirischer Abschluss des feierlichen Nachmittags in der Parkstraße.

 

8 Kommentare

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    • Beate Lehmann auf 28. August 2020 bei 14:20
    • Antworten

    Allen Eltern möchte ich die Sorge und Ungewissheit nehmen: ALLE Kinder werden ab Montag wie vereinbart in den Horten betreut!
    Ja, es ist mit dem gesunden Menschenverstand nicht zu begreifen, warum in unserem Freistaat Schul- und Hortkinder von unterschiedlichen Ministerien „verwaltet“ werden, die Schule vom Kultus- und der Hort vom Familienministerium. Das schlägt Stilblüten. Zum Beispiel werden für die Hortbetreuung mehr Toiletten- und Handwaschbecken verlangt als für den Schulbetrieb…
    Allen Eltern und Schülern, Lehrern und Erziehern ein frohes und entspanntes Wochenende vor dem Schuljahresbeginn!

    • Bärbel auf 28. August 2020 bei 9:44
    • Antworten

    Schade daß die Brisanz etwas untergeht. Ich habe da schon sowas läuten gehört, daß es Probleme mit dem Hort gibt und daß es möglich wäre, daß die Eltern mit ihren Kids ab Montag eventuell nicht wissen könnten, wo sie betreut werden. Eigentlich ist das doch ein Skandal, warum wird der so beiläufig erwähnt?
    Ansonsten aber wieder mal top.

    1. Beiläufig oder exponiert – kriegt doch eh kaum jemand mit, solange auf dem Titelfoto kein Blaulicht zu sehen ist.

    • Samotht auf 28. August 2020 bei 9:36
    • Antworten

    Folgende Szene heute früh: Ich stehe im Bad und höre, wie meine Frau am Küchentisch quiekt. Richtig quiekt! Ich gehe in die Küche, sie sitzt da mit Tränen in den Augen und versucht, ihr Lachen zu unterdrücken, um die Tochter nicht zu wecken.
    Es war ein super gelungener Bildtext. Der zählt für mich jetzt zu den Best of der Nachtschichten und der Satire überhaupt. Ganz, ganz großes Format! Danke.

    1. Wir reden jetzt aber schon von der gleichen Frau?

  1. Ich glaube nicht, dass es ein Papierkorb war. Eher einer dieser neumodischen Parkscheinautomaten wie am See, umfunktioniert zur Coronabedingten Einlasskontrolle?

    1. Hinterher sind immer alle schlauer. Wo waren Sie, als wir Sie brauchten beim Entbinden des Textes?

      1. Verzweifelt auf der Suche nach den Kellerleichen, die nicht mitwählen wollen…

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