#NoFap: Ganz einfach selbst gemacht

Angeblich soll ein Mann durchschnittlich alle sieben Sekunden an Sex denken. Das sind 12.343 mal gedanklicher Koitus pro Tag. Sehr, sehr anstrengend! Wer seinen Adblocker am PC nicht einschaltet, kann sogar bei einer simplen Online-Überweisung von seinen natürlichen Instinkten überwältigt werden. Ein neuer Trend soll da Abhilfe schaffen. NoFap heißt die Herausforderung, die jetzt auch Markranstädt erreicht hat. Dreißig Tage nicht masturbieren, wir haben das mal für Sie getestet. Also … testen lassen.

Die von der Plattform reddit aus viral gegangene Challenge nennt sich NoFap. Dabei soll ein Mann 30 Tage lang auf Masturbation verzichten. Die Erfinder dieser seelischen Selbstverstümmelung versprechen ihm dafür, dass sein Leben nach diesem sexuellen Reset völlig neue Inhalte bereit hält.

Schon die Suche nach Freiwilligen in der Redaktionssitzung im April war Satire in Reinkultur. Fliegen sonst reihenweise die Arme hoch, blickte diesmal jeder auf die Uhr, musste plötzlich nach Hause zur Waschmaschine oder hatte eine wichtige ärztliche Untersuchung vor sich, für die er seine Blutwerte nicht schon vorher versauen wollte. Aber die meisten mussten ablehnen, weil sie sowieso nie masturbieren würden, sagten sie.

Nachdem der Kelch Mann für Mann vorüberging, brach der Krug bei unserem IT-Beauftragten. Er ist 35, überzeugter Single und ein Verfechter offener Beziehungen. Volltreffer! Authentischer kann ein NoFap-Erfahrungsbericht nicht sein. Hier also sein Report.


Eins war mir schon vorher klar: Mit der sinnlichen Reizüberflutung im Alltag kann eine einzelne Frau daheim beim besten Willen nicht mithalten. Wahrscheinlich sieht sie die Wettbewerbssituation mit dem Internet deshalb so kritisch. Nicht nur, weil sie keine realistische Chance hat, die 12.343 Mal am Tag zu bieten.

Wenn mir heute nach einer afrikanischen Nonne ist, mich im Anschluss nach einer japanischen Domina verlangt und gleich hinterher nach einer georgischen Milf gelüstet, ist das im Web kein Problem. Zu Hause schon. Zwar könnte ich meine Frau, wenn ich denn eine hätte, mit etwas Überzeugungsarbeit und viel Edding zu einer afrikanischen Secretary umgestalten, aber die Rückverwandlung in eine deutsche Krankenschwester ist nach heutigem Stand der Hautmedizin einfach zu zeitraubend.

Da kam der Vorschlag des NoFap gerade richtig, um meinen Geist von sexuellen Phantasien zu befreien, damit ich mich danach wieder auf die wirklich wichtigen Dinge konzentrieren kann. Also auf das, an dem die Organe meiner Träume dranhängen. Ich fange einfach mal an.

Ganz klar: Sowas kann sich nur eine Frau ausdenken.

Tag 1

Schon nach zwei Stunden stelle ich fest, dass nicht der Trieb das Problem ist, sondern die Gewohnheit. Selbst als ich mich auf Youtube mit dem Gottesdienst einer finnischen Baptistengemeinde ablenken will, spielen meine Hände völlig losgelöst von meinem festen Willen ständig im Schritt rum. Ich hoffe, dass diese Reste tierischer Instinkte im Laufe der Challenge verkümmern.

Tag 2

Seltsame Dinge geschehen. Nachdem ich 12 Jahre clean war, quellen plötzlich Zigarettenkippen aus dem Whiskyglas. Wie kommt das Zeug überhaupt hierher? Irgendwer hat mir gleich zwei brennende Fluffen zwischen meine zitternden Finger gesteckt. Aber ich bin stark! Schon 32 Stunden, 18 Minuten und 43 Sekunden ohne zu masturbieren. Das gute, befreiende Gefühl wird sich bestimmt auch bald einstellen.

Tag 3

Allmählich beginne ich zu verstehen, welch zerstörerische Wirkung die alltägliche Reizflut aus dem Internet auf einen Mann ausübt. Als ich mich dabei ertappe, alle sieben Sekunden meine am PC selbst eingerichtete Kindersicherung hacken zu wollen, hab ich ein sicheres Passwort generiert, indem ich einfach mit den Handflächen ein paar mal auf die Tastatur gedroschen und danach Enter gedrückt habe. So, jetzt gibt es kein Zurück mehr!

Tag 6

Seit 21 Stunden rödelt der Passwort-Generator, den ich mir aus dem Darknet runtergeladen habe. Ich will nur mal sehen, ob wenigstens er meine Kindersicherung knacken kann. Er scheint zwar zu scheitern, aber mich irritiert, dass sich das stolze Gefühl der Sicherheit meiner Privatsphäre trotzdem nur zaghaft einstellen will.

Tag 8

Es wirkt! Die animierenden Bilder aus dem Web sind vollständig aus meinem Hirn verschwunden. Dafür denke ich jetzt immer öfter an Silke, Beatrix und Mandy. Sogar Katrin finde ich jetzt hübsch und schäme mich dafür, dass ich ihre Nase zu groß und die Brüste immer zu klein fand. Auch die Sache mit ihrem Mundgeruch ist so nebensächlich. Warum ist mir nie aufgefallen, dass sie dafür einen so endgeilen Arsch hat? Ich sehe ihn ständig vor mir und er wird unaufhaltsam größer. Wenn ich sie treffe, muss ich unbedingt ein Date mit ihr vereinbaren.

Tag 11

Beim Anstehen an der Kasse habe ich heute einer vor mir stehenden Dame das Kompliment gemacht, dass graue Haare jetzt modern sind und sie ihr gut stehen würden. In Gedanken war ich schon mit der Frage beschäftigt, wie man ihren Rollator ins Vorspiel einbeziehen könnte. Dieser persönliche Wandlungsprozess ist aufregend und voller Überraschungen. Man entdeckt völlig neue Seiten an sich. Nie wäre mir bewusst geworden, dass ich auf Kompressionsstrümpfe stehe.

Tag 14

Schreck, Panik, Alarm! Was sich in den letzten Tagen schon latent angekündigt hat, ist seit heute früh Gewissheit. Ich habe Hodenkrebs! Diese Schmerzen sind unerträglich. Bevor ich mich einem Arzt anvertraue, google ich lieber mal. Nicht dass ich umsonst kastriert werde. Obwohl … Egal, bei wikipedia werde ich fündig. Es könnten sogenannte Kavaliersschmerzen sein, die mich peinigen. Der Volksmund würde das Phänomen auch „Blaue Eier“ nennen. Ich hatte mal welche, mit 15. Aber das kam nicht vom Nichtmasturbieren, sondern vom Gegenteil. Ich schaue trotzdem mal nach. Blau sind sie nicht, dafür deutlich kleiner als sie sich anfühlen. Irgendwas stimmt da nicht mit meinem Körper. Hoffentlich überlebe ich das.

Nicht mal essen kann man mehr in Ruhe.

Tag 15

Halbzeit! Zumindest laut Kalender. Mit zunehmendem Alter bekommt auch die Zeit eine neue Dimension. Als ich damals meinen Grundwehrdienst beim Bund absolvieren musste, verging das Jahr jedenfalls deutlich schneller als diese vergangenen 15 Tage. Das Internet nutze ich inzwischen nur noch für medizinische Recherchen. Es soll ein Mittel geben, das einen Mann schon mit 35 in die männlichen Wechseljahre versetzt. Diese tiefe Sehnsucht nach mentaler Ruhe bedarf aber großer Geduld. Das Zeug beginnt erst nach 15 Tagen zu wirken und da habe ich die Challenge sowieso gewonnen. Irgendwie werde ich es also ohne Eingriff in meinen Hormonhaushalt schaffen müssen.

Tag 18

Habe gelesen, dass Leistungssportler vorm Wettkampf weder Sex haben noch masturbieren dürfen. Das steigert ihre Aggressivität und gibt ihnen so den finalen Kick zum Sieg. Das kann ich Wort für Wort so unterschreiben. Habe heute im Treppenhaus den arroganten Typen von nebenan die Stufen runtergekickt. Wollte ich schon immer mal machen. Der aufgeplusterte Spacko wollte mich provozieren, als er mit seiner Frau die Treppe hochgeturtelt kam und sie an den Hintern fasste, um sie an mir vorbei zu schieben. Als neuer Mensch habe ich die Würde seiner wehrlosen Partnerin natürlich ohne Vorwarnung verteidigt. Fühlt sich echt gut an. Es ist sexistisch, einen so geilen Arsch geil zu finden.

Tag 21

Unglaublich, was so eine Rückbesinnung auf alte Werte bringt. Man wird so sensibel und empfänglich für noch so kleine Reize, die man sonst im rauen Alltag einfach gar nicht mehr wahrnimmt. Seit mein Gemächt vorhin beim Fönen nur mal kurz von einem lauen Lüftchen gestreift wurde, habe ich einen Dauerständer. Es braucht so wenig, um erregt zu sein. Inzwischen zweifle ich allerings daran, dass das mit den sieben Sekunden stimmt. Ich denke nur noch an Sex!

Tag 22

Zählt es eigentlich auch als masturbiert, wenn man ihn so schnell wäscht, dass man rein zufällig dabei kommt? Nur so eine Gedanke. Ich will das Schicksal aber nicht herausfordern. Nicht weil es eventuell als masturbiert gewertet werden könnte und ich dann 22 Tage umsonst gedarbt hätte, sondern weil ich Angst habe, ein Loch durch die Duschwand zu schießen. Weil ich davon überzeugt bin, dass inzwischen auch langsam waschen reicht, richte ich nur den Duschstrahl auf den Schritt. Hinterher abtrocknen ist selbstredend auch nicht. Ich tupfe vorsichtig.

Tag 24

Man braucht kein Pornofilme, um geile Weiber zu sehen. Habe mir heute auf Phoenix eine Bundestagsdebatte reingezogen und dabei die wahre Schönheit unserer Kanzlerin entdeckt. Allein ihre Augen, die Züge ihres Mundes. Das farbenfrohe Sakko, das ihre Brüste gleich eines lauen Sommerwindes zart umspielt und dessen Knöpfe mehr zu zeigen versprechen als sie verbergen, lassen meine Phantasie in bisher nicht geahnte Sphären schweifen. Was für eine Milf! Wenn die 30 Tage um sind, werde ich für das erste Mal danach ein Programmheft der Landeszentrale für politische Bildung mit aufs Klo nehmen und mich vom Titelfoto mit meiner Kanzlerin inspirieren lassen. Nie hätte ich gedacht, dass es so einfach ist, von den unsittlichen, moralisch verwerflichen Trugbildern der Pornoindustrie abzulassen. Man wird dabei sogar zum Patrioten!

Von wegen nur im Internet.

Tag 29

Noch 48 Stunden bis zum Inkrafttreten der Lockerungen. Irgendwas in mir scheint sich zwar darauf freuen zu wollen, aber inzwischen habe ich mich mit meiner Impotenz arrangiert. Da unten geht seit Tagen gar nichts mehr. Ich habe vorhin mal dran gezogen, aber die Reaktion darauf war bestenfalls eine Andeutung von al dente. Hab danach gleich mal gegoogelt, ob es in der Nähe eine katholische Ordensgemeinschaft gibt. Mit der Potenz ist es schließlich wie mit dem Geld: Als Armer unter Armen lebt sich’s seelisch leichter als unter Reichen und der Spacko aus dem Treppenhaus hat sich inzwischen auch wieder so weit erholt, dass ich diesem Testosteronbolzen lieber nicht begegnen will.

Tag 30

Während ich den Countdown runterzähle, fährt es mir eiskalt durch mein Glied. Zählt bei 30 Tagen der 30. Tag eigentlich noch mit oder ist es am 30. Tag schon geschafft? Wenn ein Deutscher das NoFap erfunden hätte, gäbe es garantiert irgendwo eine juristisch belastbare Definition dazu. Aber diesen Blödsinn hier kann sich nur ein nicht ausgelasteter Eunuch … ich korrigiere … garantiert eine sexuell völlig frustrierte Eunuchin aus einem Facebook-Komsomol ausgedacht haben. Da ist das Regelwerk so dehnbar wie zur Zeit noch meine Vorhaut.

Nein, also auf eine so hinterhältige Art und Weise lasse ich mich nicht verarschen. Nicht von einer orthodoxen Komsomolzin! Die Challenge ist mit sofortiger Wirkung beendet, egal ob am 30. Tag oder nach dem 30. Tag. Bei so unklarer Rechtssprechung soll die prüde Ludmilla froh sein, dass ich diesen albernen Mist nicht schon nach 30 Minuten für beendet erklärt habe.

Fazit

Kann man trotzdem mal machen, dieses widernatürliche #NoFap. Also rein rückblickend betrachtet. Die Argumente, dass so ein Selbstversuch zu einer dauerhaften Schädigung des vegetativen Nervensystems führt, sind völlig unbegründet. Im Gegenteil! Die Erinnerungen an diese 30 Tage sind in der Regel schon nach 30 Sekunden wie die Wäsche in einem Herbststurm von der Stange gewedelt. Jetzt warte ich gespannt, womit mich dieses Facebook als nächstes herausfordert. Man muss sich dem ja stellen, sonst landet man irgendwann im sozialen Abseits.

 

4 Kommentare

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  1. Einfach köstlich … und bewundernswert, mit wieviel Hingabe ein einzelnes MitGLIEDer der MN sich hier dem Selbstversuch hingibt.
    Schade nur, dass Euer genialer Zeichner sich diesem Thema nicht gewidmet hat. Das Ergebnis hätte ich zu gerne gesehen …

    • Ruprecht auf 15. Juni 2020 bei 21:23
    • Antworten

    Verehrter Schreiberling,

    ein wahrer Leseschmaus, wie er da 30 Tage am Stücke in der Schreibkammer vor sich hin präludierte.

    Trefflich!

    Ist das so etwas wie Method Acting oder Method No-Acting?

    • Frap & Friends auf 15. Juni 2020 bei 19:17
    • Antworten

    Mein alter Kollege Walter S. aus L. hat mal gesagt: „Ein Mann, der noch nie richtig onaniert hat, weiß gar nicht welch jämmerlicher Ersatz eine Frau ist.“

    Klasse Artikel, den Selbstversuch kauf ich dem Redakteur ab! Zumal er damit eine 30 Tage lang dauernde Kolumne hätte füllen können aber alles auf einmal aus seinem Füller schießt. Einfach nur echt… 🙂

      • Eddi Herkules auf 16. Juni 2020 bei 9:31
      • Antworten

      Glauben sie ja nicht, wer ich bin!

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