Quer durch Markranstädt: Ein Rundgang nach dem Abgang

Jaaah er lebt noch … MN-Volkskorrespondent Jabadu hat sich wieder gemeldet! Monatelang war er von der Bildfläche verschwunden. Wir hatten schon tiefste Corona-Befürchtungen und deshalb bereits sämtliche Friedhöfe der Stadt abgeklappert. Ohne Ergebnis. Als sich das verbliebene Restleben in der Redaktion gerade zu einem zünftigen Nachruf aufraffen wollte, lag ein Reisebericht des Totgesagten im Briefkasten. Besser gesagt ein architektonisches Exposé zur städtebaulichen Kultur in Markranstädt.

Zu seiner Ehrenrettung müssen wir Jabadu zugute halten, dass er einen triftigen Grund hatte, fast ein halbes Jahr auf der Insel Rügen Urlaub zu machen.

Für sexuelle Fettlebe muss man sich heutzutage nicht extra mit einem unter der Burka versteckten Sprengstoffgürtel in den Himmel bomben. An der Schabe, zwischen Glowe und Juliusruh, gibt es die 72 Jungfrauen (mindestens!) als irdisches Vergnügen für lau, was sogar mit Hinweisschildern beworben wird.

Synergieeffekte im Einklang mit der Natur: Wo es eh schon nach Fisch riecht, fallen ein paar Emmissionen mehr nicht ins Gewicht.

Synergieeffekte im Einklang mit der Natur: Wo es eh schon nach Fisch riecht, fallen ein paar Emmissionen mehr nicht ins Gewicht.

Nun aber zu Jabadus Reisebericht über eine Safari durch Markranstädt. Man beachte das messerscharfe Urteilsvermögen im Hinblick auf die Baukultur zwischen Zschampert und Floßgraben.


Rundgang nach dem Abgang

Wenn ich so durch Markranstädt streife frage ich mich manchmal: Gibt es eigentlich schöne Architektur in unserer am Rande von Leipzig gelegenen idyllischen Stadt. Kann man sich da was ansehen, was unsere Stadt vielleicht sogar prägt?

Sicher gibt es ein paar Lallendorfer, die mir auf Anhieb eine handvoll sehenswerte Bauwerke zeigen können. Auf der Suche nach solchen Beispielen ist mir aufgefallen, dass es mit der Schönheit unserer Bauwerke immer weiter Richtung Betonklotz geht.

Zwar habe ich keine Ahnung von Baustilen und kann Häuser nur nach schön und hässlich unterscheiden, aber gerade das qualifiziert mich wohl für die Beurteilung der Situation, habe ich diese fachlichen Defizite doch ganz offensichtlich mit unseren Stadtplanern gemein. Nur in Fragen des Geschmacks gibt es gravierende Unterschiede.

Die für mich schönsten Bauwerke sind das Spritzenhaus unserer Feuerwehr und das danebenstehende alte Bürgermeisterhaus. Das sind Gebäude mit richtigen Fenstern, schönen Fassaden und einem ordentlichen Dach. Eben richtige Häuser.

Strahlt irgendwie Leben aus: Ein Haus eben.

Strahlt irgendwie Leben aus: Ein Haus eben.

Nicht so schön sieht unser Rathaus aus. Hier ist schon der architektonische Trend zur Kiste zu erkennen. Ist der alte Teil des Gebäudes noch als, für mein Verständnis, richtiges Haus wahrzunehmen, gruselt es mich beim Anblick des schwarzen Klotzes, der wie ein Krebsgeschwür aus dem historischen Altbau wuchert. Ein Baustil ist da nicht zu erkennen. Markranstädter Moderne? Vor allem die Mutlosigkeit dieses Entwurfes fällt auf. Wenn es wenigstens noch zu einem dekorativen Palmwedel auf der Trauerflor-Fassade gereicht hätte…

Wohnen im Mauthäuschen

Doch das ist erst der Anfang des Rundgangs durch den architektonischen Friedhof. In der Zwenkauer Straße wurde der, was denn nun, Baustil (?) noch verfeinert. Es entstand der Klotz der Klötzer. Auf den ersten Blick sieht es aus wie ein stilisierter Grenzturm, wie er früher an der Staatsgrenze stand.

Oder ist es vielleicht ein Stellwerk der Bundesbahn, mit dem Hintergedanken, dass hier eine Lärmschutzwand gebaut würde? Oder ist es für Markranstädt etwa ein Zollhaus, an dem die LKW-Maut kassiert werden soll, falls im kommenden Winter mal der Strom ausfällt?

Alles falsch spekuliert. Es ist eines der exklusivsten Häuser Markranstädts in völlig exponierter Wohnlage unmittelbar an der lärmenden Bundesstraße. Um hier zu wohnen, muss man schon einen ordentlichen Preis zahlen.

Nachdem der Entwurf als Pförtnerhaus einer JVA wegen möglicher Depression der Insassen abgelehnt wurde, fand er als Wohnstätte in Markranstädt doch noch eine Verwertung.

Nachdem der Entwurf als Pförtnerhaus einer JVA wegen möglicher Depression der Insassen abgelehnt wurde, fand er als Wohnstätte in Markranstädt doch noch eine Verwertung.

Und wie geht’s weiter mit den Klötzen? Eine völlig andere Art habe ich in Göhrenz, unweit der alten Kiesgrube entdeckt. Wenn man in der alten Aschenhalde graben würde könnte man vielleicht sogar billig an Sand gelangen und sich eine Betonkiste bauen. Aber hier wurde auf nachwachsende Rohstoffe gesetzt. Da Ergebnis: Ein futuristischer Wohnblock aus Stroh. Sieht auf den ersten Blick sehr kuschelig und einladend aus, zumal hier das Gefühl der Wärme suggeriert wird.

Mit richtigem Eingang versehen: Nachhaltiger Plattenbau aus Stroh oder Tarnung eines Betonbunkers in Göhrenz?

Hat sogar einen richtigen Eingang: Nachhaltiger Plattenbau aus Stroh oder Tarnung eines Betonbunkers in Göhrenz?

Kann man dem trauen oder ist das nur die Tarnung für einen darunterliegenden Betonbunker, der zwar harmonisch ins oberirdische Stadtbild passen würde, aber in Zeiten wie diesen wenigstens der an weiße Wände, schießschartenähnlichen Fenstern und Schottergärten gewöhnten Elite vorbehalten bleiben soll?

Ganz ehrlich? Ich bin froh, dass ich so alt bin und nicht mehr erleben muss, wo und wie IHR bald leben müsst.

3 Kommentare

    • Spaßvogel auf 3. November 2022 bei 19:03
    • Antworten

    Schön, Jabadu, dass du wieder da bist. Dass du dich von dem herrlichen Landstrich auf Rügen nur sehr schwer trennen konntest, kann ich vollkommen nachvollziehen. Deshalb verstehe ich auch deine Sicht auf die Markranstädter Architektur. Es geht nichts über eine verträumte Fischerkate am Bodden oder ein reetgedecktes Haus geziert mit Stockrosen am Meer. Wenn du einige Monate im Leipziger Neuseenland verbracht hast , wird dir manches heute Schmerzen bereitendes Bauwerk am Lago Zschampertus noch Freude bereiten. Glaub mir, es geht schlimmer.

      • jabadu auf 6. November 2022 bei 21:04
      • Antworten

      Danke für die warmen Worte. Ja es ist wirklich schlimm mit den aktuellen klotzigen Bauwerken. Auch auf Rügen werden zusehends Fischerhütten mit derartigen Bauwerken zugestellt. Ich glaube die neue Generation von Architekten hat ihr Verständnis für Raumgestaltung einzig beim Computerspiel Tetris erworben. Aber es scheint Licht am Himmel. Tetris wurde erstmals von dem russischen Programmierer Alexei Paschitnow veröffentlicht. Hier müssen doch bald Sanktionen greifen und der Baustil verboten werden.
      Die Hoffnung stirbt zuletzt.

  1. Alles richtig- vom Bauen muss man AHNUNG haben. Bestes Beispiel gefällig? Markranstädter Bauamt:
    Studierte alteingesessene Bauamts(intelligenz)steuergeldbeschäftigte und formschöne NICHT vorhandene MGH-Fluchttreppe mit dazugehöriger Innentreppe. Rollator Einrollmöglichkeit ins Hauseingeschlossen. Wie auch die architektonischen Würfelspiele von Heute im Außenbereich (Bunkeranlage am Kulki).
    Übrigens: Das MGH ist nach Umzug längst geöffnet. Was man aber nicht äußerlich sieht: Die nutzbaren Räume im Innenbereich (Lob!) sind wirklich eine Verbesserung und Bereicherung für M.

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