Rassismus an der Obstwaage

Unser Volkskorrespondent Jabadu war wieder unterwegs. Als systemrelevanter Bestandteil der vulnerablen Bevölkerungsgruppe dürfte er das zwar selbst jenseits der 15-Kilometer-Demarkationslinie, aber aus lokalpatriotischen Gründen hat er trotzdem versucht, sich vor Ort mit Vitaminen zu versorgen. Die sind bekanntlich wichtig, wenn man Corona überleben will. Kann ja nicht so schwer sein, ein paar Äpfel zu kaufen. Dachte er. Leider ist Jabadu entgangen, dass wir im Zeitalter einer Dienstleistungsgesellschaft leben. Hier entscheidet nicht der Käufer, sondern die künstliche Intelligenz einer Waage, was schließlich im Einkaufskorb landet.

Der Tag des deutschen Apfels liegt zwar schon fast sechs Wochen zurück, aber das Verlangen nach Äpfeln ist ungebremst. Also was liegt näher, als sich regelmäßig mit Äpfeln zu versorgen?

Da wir nun schon mal unterwegs sind, stranden wir in einem größeren Einkaufsmarkt ganz in der Nähe. In der Obst- und Gemüseabteilung gelandet, verfolge ich sofort mein Ziel. Im Angebot sind mindestens zwölf Sorten, von giftgrün über uringelb bis rot und knackig. In Erinnerung an Schneewittchen entscheide ich mich für eine schöne rotbäckige Sorte.

Also ruckzuck die Vitaminspender in die Tüte gepackt und ab zur Waage, die Äpfel dort auf die Platte drapiert und los geht’s. Level 1 – Auswahl der Verpackung. Level 2 – Entscheidung: Gemüse oder Obst. Level 3 – Auswahl „Apfel“. Geschafft!

Geschafft? Denkste. Level 4 – Auswahl der Apfelsorte. Auf dem Bildschirm erscheint in voller Größe ein Sortiment von sage und schreibe 31 untertitelten Apfelbildern. Mir fährt es durch Mark und Bein. Welche Sorte habe ich denn eigentlich? Rote und knackige, das ist klar. Aber der Name?

Also wieder zurück zum Apfelstand. Wo liegen gleich meine Äpfel? Bei 31 Bildern im Kopf und zwölf Sorten im Regal beginnen sich die Früchte in meinem Hirn zu einem Smoothie zu vermischen.

Zum Glück höre ich in diesem Augenblick meine Holde rufen. „Nimm die roten, knackigen, du weißt schon, Elstar.“ Gerettet! Zurück zur Waage. Elstar, Elstar, Elstar … Hoffentlich quatscht mich niemand auf meinem Weg an.

An der Waage surfe ich wieder durch alle Level bis hin zu den Apfelsorten. Aber was nun? Alle Bilder sehen gleich aus.

Also jeden Apfel-Namen durchlesen. Durch meine Hetzerei und wegen des Mund- und Nasenschutzes erschwert die angelaufene Brille mein Vorankommen erheblich.

Hoppla. Das Bild hatte ich ja schon mal. …zifix! Nach welcher Sorte suche ich eigentlich? Obwohl ich beim Memorie-Spiel mit den Enkeln nicht ganz so blöd aussehe, kann ich hier keine Übereinstimmung finden.

Auch motivierende Zurufe aus der sich hinter mir inzwischen gebildeten Warteschlange helfen mir nicht wirklich weiter.

So ein alter Opa, der mindestens zwei Jahre älter ist als ich und einen Sellerie abwiegen will, tönt großklappig: „Na das kann doch nicht so schwer sein, die paar Äppel abzuwiegen.“

Seine Klugscheißerei rührt zweifellos aus dem Wissen um die biologische Tatsache, dass es nur eine Sorte Sellerie gibt. Sicher stand er vorige Woche genau so blöd wie ich vor der Waage und genießt heute seine Schadenfreude.

Aber Ende gut, alles gut. Ich nehme all meinen Mut zusammen, drücke einfach das schönste Bild auf der Waage und erhalte als Bestätigung mein Preisetikett.

(K)eine Frage der Sorte

Erst jetzt fällt mir auf, dass ohnehin jede Apfelsorte 2,99 € kostet. Das weiß offenbar sogar die Kassiererin. Zumindest zeigt sie keinerlei Interesse daran, welche Rassemerkmale sie da gerade über den Scanner zieht.

Ob ich wirklich „Elstar“ eingetütet habe? Ich möchte es nicht beschwören.

Inzwischen sind die Äpfel alle und morgen geht es wieder los. Ich habe mir vorgenommen, diesmal so lange vor der Waage zu warten, bis so ein blöder Heini mit dem Wiegen seiner Äpfel nicht klarkommt.

Dann ist meine Stunde gekommen!

 

4 Kommentare

Zum Kommentar-Formular springen

    • Samoht auf 23. Februar 2021 bei 18:39
    • Antworten

    „Elstar, Elstar, Elstar … Hoffentlich quatscht mich niemand auf meinem Weg an.“ Ich habe sowas von abgefeiert bei diesen Zeilen. Es ist, als hätte mir Jabadu in den Kopf geguckt. Geht glaube/hoffe ich allen Männern so 🙂 🙂 🙂

    1. Mir gehts sogar so, wenn ich Petersilie vom Balkon holen soll. (Petersilie, Petersilie, Petersilie …) Wehe wenn da im Radio eine Meldung kommt, die mich interessiert…

    • Der Seebenischer auf 23. Februar 2021 bei 12:16
    • Antworten

    Köstlich!
    Der Beitrag ist Klasse und realitätsnah!

    Da warten wir nur noch auf die sprachgesteuerte Waage …. sagen Sie W für wiegen!
    Abbruch!

    1. Ob’s wirklich köstlich war, weiß nur Jabadu. Er hat die Äpfel schließlich essen müssen. Aber authentischer kann man’s kaum beschreiben.

Schreibe einen Kommentar

Deine Email-Adresse wird nicht veröffentlicht.

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.