Reise nach Jerusalem auf privaten Stadtmöbeln

So unterhaltsam war Wahlkampf in Lallendorf schon lange nicht mehr. Die CDU lud am Sonntag zur Audienz auf ihren eigenen Stadtmöbeln ein. Die aus privaten Sitzgelegenheiten zusammengezimmerte Lounge wurde zudem genau dort errichtet, wo die offiziellen Stadtmöbel noch immer nicht aufgestellt sind. Und als ob das nicht schon Spaß genug wäre, machten die Freien Wähler auch noch mit und ließen sich im benachbarten Zelt nieder. Ein geiles Event, bei dem nur der Initiator fehlte.

Nein, der Bürgermeister ist nicht gemeint mit „Initiator“, auch wenn er am Stadtmöbel-Drama mehr als nur stille Aktien hält. Der eigentliche Preis gebührt der SPD und hier namentlich dem Chef der Stadtratsfraktion.

Frank Meißner hat den Stein am 4. Juli mit seiner Frage an die Duma ins Rollen gebracht. Einmal in Fahrt gekommen, wurde der Kiesel dann aber selbst für die im Sprint bergab erfahrenen Genossen wohl zu schnell.

Klar, dass viele der vielen Besucher eher von Neugier getrieben waren als von politischen Verheißungen.

Wahlkampf für die Anderen, so siehts aus für die SPD. Die CDU griff das Thema dankbar auf und hat mit etwas Mut und noch mehr Witz eine vielbeachtete Wahlveranstaltung draus gemacht, deren Werbewirkung sich nicht einmal die Freien Wähler samt Stadtmöbel-Gegnerin Kirsten Geppert entziehen wollten.

So ruhig wie hier ging es in der CDU-Lounge gestern selten zu. Der Begriff „Stadtmöbel“ verspricht in allen Wählerschichten hohen Unterhaltungswert. Schwer zu toppen bei den nächsten Wahlen.

Die SPD als eigentlicher Inspirator der Geschichte arbeitet ihre freien Spitzen derweil werktags zur besten Arbeitszeit an einem Klientel ab, das von der Arbeiterklasse so weit entfernt ist wie ein Atomkraftwerk von den Grünen. Wenns also demnächst auf dem Burgfriedhof in Bonn-Bad Godesberg aus dem deutschen Mutterboden qualmt, dann hat Herbert Wehner vor Wut die Pfeife ausgespuckt.

Wie zu erwarten, war die Lounge der CDU vorm G&B-Firmensitz bestens besucht. Nicht unbedingt nur von potenziellen CDU-Ankreuzern, sondern auch von Passanten, die sich davon überzeugen wollten, ob die Christdemokraten wirklich so viel Sinn für Humor haben. Und siehe: Ja, sie haben ihn!

Erst in der Vergrößerung sichtbar: Die Eigentümerin – nein, nicht des Grundstücks, sondern der privaten Stadtmöbel – hat im Hintergrund sichtlich Spaß am politischen Sit-In.

Wer aus Gründen tiefer Gräben oder ideologischer Schranken nicht im Dunstkreis der Konservativen gesehen werden wollte, fuhr zumindest mal langsam mit dem Auto durch die Leipziger Straße oder kam bei einem Spaziergang auf dem gegenüberliegenden Fußweg mal eben zufällig vorbei. Es war Kino pur, was sich da so abspielte.

Alles wird gut: Kirsten Geppert (rechts) übt mit Dr. Eddy Donat (links) schon mal das Möbelaufstellen. Damit ist klar: Wenigstens auf die Bandscheiben braucht der Bürgermeister beim anstehenden Vollzug keine Rücksicht zu nehmen.

Sinn für Spaß bewiesen auch die Freien Wähler, die sich unter dem Dach eines Event-Shelters direkt neben dem mit ihnen konkurrierenden politischen Religionsanbieter niederließen und die Hörweite des Geschehens bei Kaffee und Kuchen genossen. Der Begriff Informationsveranstaltung bekam da gleich eine völlig neue Dimension.

Dass die Präsenz der Freien Wähler und hier vor allem von Kirsten Geppert durch die Passanten zugleich als erfolgreiches Probesitzen auf einem von Vandalen bedrohten Gebiet gewertet würde, war von vornherein klar. So klar, wie der CDU bewusst gewesen sein muss, dass viele Besucher auch nicht nur wegen ihr kamen, sondern allein der originellen Show wegen.

Blick ins FWM-Separee der CDU-Lounge.

Und diese Show hatte was. Während Direktkandidat Oliver Fritzsche zusammen mit der Markranstädter Landtagskandidatin Heike Helbig aktiv die Netze auswarf, fischte die Zwenkauer FW-Direktkandidatin Heike Oehlert im Hintergrund durch passive Wahrnehmung den Beifang weg. Diese Art Win-Win-Situation ist in der deutschen Geschichte wohl einmalig. Nicht mal in Grimms Märchen wurde Hase und Wolf so eine Symbiose zuteil.

Barbara Salesch lässt grüßen: Probesitzen ohne Vandalen, dafür aber mit dem Traum aller Schwiegermütter. Birgit Riedel (2.v.l.) sitzt mit CDU-Kücken John Detzner (l.) die Lounge warm.

Da kann man mal sehen, was man mit etwas Humor so erreichen kann. Nichts stiftet mehr Frieden als ein gewinnendes Lächeln. Zumindest an diesem einen Sonntag im August. Schon morgen werden wohl die Ersten wieder ungeduldig anmerken, dass man etwas auf die lange Bank schieben und gleichzeitig auf ihr alles aussitzen kann. Die Bankenkrise wird Markranstädt wieder einholen – und trotzdem wird nichts mehr so sein, wie es vorher war.

 

 

12 Kommentare

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    • Burkhard Schmidt auf 13. August 2019 bei 9:50
    • Antworten

    Hallo,

    wenn humorige Stadtmöbel der Hauptinhalt bei der Präsentation einiger der hiesigen Parteien für die Inhalte der anstehenden Landtagswahl ist und die Presse dazu noch kräftig applaudiert, so ist das sehr, sehr bedeutsam und wichtig! Da können andere nebensächliche Dinge, wie Stadtentwicklung, Umweltschutz, Verkehrspolitik etc. , die für Markranstädt von einer zukünftigen Landesregierung bestimmt werden wird, nicht wichtig sein. Z.B. haben vor 11 Monaten über 1200 Markranstädter Bürger eine Petition für die Beibehaltung von Tempo 30 auf den durch Markranstädt führenden Bundesstrassen unterschrieben, aber in Dresden schweigt man dazu oder heuchelt Verständiss. Für Markranstädter Parteien ist das auch kein Thema, obwohl es dazu einen LAP , also EU-Recht, gibt! etc. …… Ist das „Als Ob-Politik“ ???? oder ????

    1. Tja – ist ja auch nicht zum Lachen, sowas wie Stadtentwicklung, Umweltschutz oder Verkehrspolitik. Da finden nicht mal Satiriker einen Haken, an dem man die Mundwinkel zum Grinsen befestigen kann. Bestenfalls so flache Witze wie: „Sag mal, du hast die Mücken auf der Heckscheibe, wie kommt das?“ – „Bin durch Markranstädt gefahren.“ Muhaha.

        • Burkhard Schmidt auf 14. August 2019 bei 18:00
        • Antworten

        Ja, ja die Mücken in Sachsen ! Fliegen doch zwei Mücken vorgestern durch Markranstädt, sagt die eine Mücke zu anderen: “ Eh gugge mal, mir sind hier im Baradies; die Leute sind hier alle so friehdlisch und man lacht, auch haben die geinerlei Ansprüche oder Frachen trotz oder weschen der Landdags-Wahl“. Sagt die andere Mücke: “ Isch wees warum das desderweschen so iss: Die Leute haben das politisch geschützte Lallendorfer Stadtmöbellachnummernsyndrom“.
        Leider konnten die zwei Mücken die Markranstädter Idylle nicht lange geniesen, denn sie wurden von einem der vielen harmlosen,leisen und geruchsfreundlichen LKW oder Gigaliner in unserer Stadt vertrieben bzw. landeten auf der Heckscheibe vom CvD.

      • jabadu auf 14. August 2019 bei 22:43
      • Antworten

      Mensch, die Markranstädter haben doch Glück gehabt. Herr Dulig hat sich selbstlos für sie in die Bresche geschmissen und vorbei an Recht und Gesetz Tempo 30 erst mal um ein Jahr verlängert. Da hat er sich aber was getraut. Nun sei aber Schluss, sagt die Landesregierung. Jetzt ist Tempo 50 angesagt, Sachsen muss endlich mal vorankommen.
      Schade. Kein Politiker hat einen PoPo in seiner Hose, das festzuschreiben was seit fast fünf Jahren funktioniert. Sicher, fließend und leise.
      Hätten die Markranstädter Politiker ihre Möbel mal lieber auf der Kreuzung am Markt aufgestellt. Das hätte doch was. Zumindest nicht den Schein von purer Alberei. Letztlich fehlte ihnen leider auch der PoPo in den politischen Hosen.

    • Beobachter auf 12. August 2019 bei 17:23
    • Antworten

    Sorry, aber nur kurz und knapp:
    Da kann man nur noch mit dem Kopf schütteln und hoffen dass die Sommerpause bald vorbei ist.
    Mal ehrlich wer nimmt denn möchtegern Politiker noch ernst die sich um etwas streiten was laut Vertrag geregelt ist (unterschrieben von zwei Partnern).
    Ich zumindest kann mich noch erinnern an Zeiten, (zumindest wo ich herkomme) dass man alles noch per Handschlag besiegelte und dies für alle Gültigkeit hatte und sich auch niemand traute diesen Handschlag an zu zweifeln.

    1. Warumm denn nur mit dem Kopf schütteln? Mal ehrlich: Man kann sowas auch mal genießen und einfach drüber lachen. Besser so eine Provinzposse als wieder kommunalpolitische Heckenschützen wie vor acht Jahren. Ob da jetzt ne Bank steht oder in China ein Sack Türklinken aus dem Flugzeug fällt…

    • Marc Ransteller auf 12. August 2019 bei 12:59
    • Antworten

    Kann man aber eben auch anders sehen, wenn man die Vorgeschichte seit 2012 im Auge hat. Das ist dann nicht mehr ganz so lustig, wie man hier verklären möchte. Die geplante Provokation ist am Sonntag gründlich in die CDU-Hose gegangen. Denn dort, wo die CDU ihre in der LVZ vom Samstag angekündigte Sitzmöbelaktion eigentlich durchführen wollte, bauten die Freien Wähler kurzer Hand selbst einen Pavillon auf und luden die Bürgerinnen und Bürger zum informellen Kaffeklatsch ein. Denn Frau Geppert erfuhr ja erst aus der LVZ, was auf ihrem Grundstück da seitens der CDU am Sonntag vorgesehen war. Ein durchaus kreativer Konter. Denn dadurch blieb der CDU nichts anderes übrig, als ihre Sitzmöbelaktion auf den Gehweg zwischen Rossmann und Platane zu verlegen und das Ganze nun leise zähneknirschend als „humorvolle Aktion“ der Presse zu verkaufen. Lustig war es aber trotzdem – für Familie Geppert und die Freien Wähler.

    1. Ob das jetzt eine Provokation war und ob die in die Hose ging, ist den meisten Besuchern und Passanten sicher egal gewesen. Und ja, es stimmt: Neben der originellen Idee war auch der „Konter“ der Freien Wähler vom Feinsten – Chapeau! Auch das ist in der Öffentlichkeit so angekommen.
      So ganz scheint aber auch Ihre Interpretation mit dem Standort nicht zu stimmen. Die CDU hatte demnach nie vor, die Aktion auf dem strittigen Grundstück durchzuführen. Sie habe das von vornherein dort geplant, wo die Lounge am Ende auch stand und habe eigens dafür beim Ordnungsamt eine Sondernutzung beantragt, die ihr auch gewährt wurde. Also ganz so wie Sie es darstellen, wars dann möglicherweise auch nicht. Aber wegen ein paar Quadratmetern hin und her eine neue Diskussion vom Zaun zu brechen?
      Mal ehrlich: Ist das nicht egal? Bei so viel Primborium wegen ein paar Bänken kann man das doch alles einfach mal so hinnehmen wie’s ist, sich zurücklehnen und mitschmunzeln.

        • Mark Ranstetter auf 13. August 2019 bei 11:33
        • Antworten

        Wie Marc Ranstetter richtigerweise anmerkte: „Man kann es eben auch anders sehen.“ Und sich trotzdem zurücklehnen und mitschmunzeln ohne eine Diskussion vom Zaun zu brechen. Möge der geschätzte Leser sich seine Meinung bilden.

        1. Jawollja – genauso isses und so wars auch gemeint 😉

    • Ein aufmerksamer Bürger auf 12. August 2019 bei 12:44
    • Antworten

    Feinstes Panoptikum und mehr ………,in der Leipziger Straße von Lallendorf !!

    Am Sonntag war in der Stadt, d.h. in der Leipziger Straße bei schönstem Sonnenschein echt was los!! Es gab freien Kaffee, leckeren Kuchen und Eis für Alle! Was ist passiert??

    In Lallendorf ist zwar immer was los, aber wenn sich mittelgroße Bürgergruppen verschiedener „Konfessionen“ um die alte Platane, dem sogenannten Ortsmittelpunkt, auf mitgebrachten Sitzmöbeln, gruppiert zu einer Lounge und die „anders Denkenden“ trotzig etabliert in einem extra Event-Zelt fast auf Tuchfühlung sich treffen, muss es einen besonderen Anlass in Markranstädt geben!!

    Der neben mir stehende Bürger wollte es wissen und behauptete glaubwürdig und zeigte mir sogar dazu das Schreiben mit dem Grund, woran dass alles liegen könnte!?! Denn es soll die Ehefrau Kirsten Geppert, so seine These, nach nun mehr über SECHS JAHREN den Brief Ihres Mannes, des Grundstückeigentümers Dr.Henri Geppert vom 13.05.2013 endlich gefunden und auch gelesen haben, in dem ihr Mann schon im Jahr 2013 mit einer eindeutigen Skizze den gesamten Vorplatz seines Hauses um die alte Platane darstellt und dazu mit einem ZITAT: „PRIVATGRUNDSTÜCK ZURÜCK GESETZT—PLATZBILDUNG/ÖFFENTLICHER RAUM, GESTALTUNG INTEGRIERT IN DAS KONZEPT LEIPZIGER STRASSE/VERWEILFUNKTION—AUFENTHALTSQULITÄT“ deklariert und die umstrittenen Verweilmöbel zur Benutzung von allen Bürgern zugestimmt hat!!!!!

    Ich gehe sogar soweit, dass die Leipziger Straße von „dieser Stadtmöblierung lebt“ und diese auch ein gewisses Alleinstellungsmerkmal für unser schönes Markranstädt ist und schon deshalb endlich zeitnah, nach nunmehr sechs Jahren Vorlauf, durch Weisung des Bürgermeisters sofort aufgestellt werden sollte!!!

    Ein aufmerksamer Bürger

    1. Und wir gehen sogar so weit, dass der größte Teil des Bürgertums einfach darüber lacht und seinen Spaß hat 😉

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