Ride an Bike: Markranstädt gut, Großlehna bleibt sitzen

Der ADFC, eine Art Politbüro des Zentralkomitees deutscher Radfahrer, hat vorige Woche eine Studie vorgelegt, auf deren Grundlage die sächsischen Bahnhöfe bewertet wurden. Das Papier hatten wir schon entsorgt, als plötzlich ein Statement des Markkleeberger OBM Karsten Schütze die Runde machte. Nicht eine einzige Zahl habe für seinen Bahnhof gestimmt. Also wieder aus dem Papierkorb holen, auseinander falten, bügeln und mal nachschauen, ob der ADFC nicht auch bei Markranstädt mit alternativen Fakten gearbeitet hat.

Rein stöchiometrisch haben die beiden Markranstädter Bahnhöfe mit der Durchschnittsnote 4,0 abgeschnitten. Aber das ist eben nur der Durchschnitt. Die Wahrheit sieht krasser aus.

Demnach hat der Bahnhof in der Kernstadt die Note 2 erhalten, weil es dort ausreichend Abstellplätze für Drahtesel gibt. Die Haltestelle in Großlehna erhielt dagegen nicht einmal einen Versetzungsvermerk. Glatte 6 – durchgefallen!

Allerdings lohnt sich wie immer ein Blick hinter die Kulissen und der kann in beiden Fällen nur durch die satirische Brille erfolgen. Alles andere wäre sinnlos. So ist beispielsweise die Note 2 für den Markranstädter Verkehrsknotenpunkt in diesem Falle völlig überzogen!

Hoch die Räder!

Okay, es gibt da möglicherweise wirklich die angeführten „70 Abstellplätze an überdachten Anlehnbügeln“. Aber zu einem fahrradfreundlichen Bahnhof mit dem Qualitätsprädikat „gut“ gehört mehr als ein paar Metallböcke.

Manche wollen zum Beispiel ihr Fahrrad auch im Zug mitnehmen. Das geht hier nur, wenn man den Drahtesel wie beim Querfeldein-Rennen schultert und so die Stufen erklimmt.

Wäre der ADFC nicht so pingelig, hätte er diesen Stellplatz am Großlehnaer Bahnhof mitgezählt und die Kapazität wäre mit einem Schlag doppelt so hoch.

Zweitens wäre dann noch die Frage, was diese Anlehnbügel in Markranstädt für einen Nutzten erfüllen sollen? Zumindest in der Kernstadt wird das Thema „sicheres Anschließen“ vollkommen überschätzt.

Wer sein Fahrrad am Rahmen anschließt, hat am Abend auch nur noch seinen Rahmen, wer es am Hinterrad fesselt, kann lediglich dieses noch sein Eigen nennen und ebenso verhält es sich mit allen anderen Teilen. Einschließlich Beleuchtung und Klingel.

Vorderrad angeschlossen, also Hinterrad weg. Ein aktueller Fall dieser Woche aus Markranstädt.

Zumindest wissen wir seit kurzem auch ohne Studie des ADFC, wo wir die uns gestohlenen Fahrräder wiederfinden. Die Leipziger Polizei beschäftigt seit ein paar Jahren eine Art SOKO, die sich in liebevoller Heimarbeit darum kümmert, dass die Drahtesel nicht einrosten.

Trotzdem oder gerade deshalb ist Note 2 für den Markranstädter Bahnhof vergleichbar mit einer Mathearbeit voller Fehler, die nach oben korrigiert wurde, weil der Vater des Blindgängers Rechtsanwalt ist und dem Lehrer mit öffentlicher Denunziation wegen Verstoßes gegen die Datenschutzverordnung gedroht hat. Nur weil der Name des Sohnes über der Arbeit steht.

Großlehna: Sechs, setzen!

In Großlehna ist die Sache wesentlich einfacher. Keine Abstellmöglichkeit für Fahrräder, keine Versetzung. Note 6 und fertig! Also … normalerweise. Normalerweise aber auch nicht, denn Abstellmöglichkeiten gibt es reichlich.

Es müssen ja nicht gleich teure Edelstahlbügel sein. Wir sind ja immerhin nur auf dem Dorf, wo es aus LPG-Zeiten noch genug Geländer, Zäune und Hecken gibt.

Wenn man da so pingelig urteilt wie der ADFC, dürfte man das traurige Bauensemble mit der Strahlkraft einer frühmittelalterlichen Klosterruine dann schließlich auch nicht Bahnhof nennen.

Aber immerhin stellt der Großlehnaer Bahnhof die einzige in Markranstädt verfügbare Möglichkeit eines barrierefreien Zugangs zu Zügen dar. Offiziell zumindest.

Wie genau das mit den Rollstühlen funktionieren soll, wissen allerdings wohl auch die bei der Deutschen Bahn nicht. Learning by doing.

Als dieses Bauensemble seine Blütezeit erlebte, wurden die Gleise noch von Dampfrössern besiedelt. An Fahrräder war da noch nicht zu denken.

Vielleicht wie am ebenfalls als barrierefrei bezeichneten Bahnhof Miltitz, wo Abelio-Schaffner beim Anblick eines Rollstuhls schnell ein Brett aus der Waggontür schieben müssen?

Ergo: Wieder mal eine Studie

Auf diesem wird dem Opfer moderner Inklusion dann wie bei einem Drahtseilakt über dem Grand Canyon ein echtes Abenteuer auf dem Schienenstrang gratis geboten.

Aber darum geht es ja nicht in dieser Studie des ADFC. Die behandelt nur Fahrräder. Also die Zahlen scheinen, im Gegensatz zur Benotung des Markkleeberger Bahnhofes, in Ordnung zu sein. Zumindest was die Fahrräder angeht. Alles andere ist in anderen Studien nachzulesen. Und wenn sie nicht geschrieben sind, dann … beschäftigt sich bestimmt schon jemand damit.

 

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