Sonderliches aus der vierten Etage

Der Name sagts: Sonderlich kam sie rüber, die gestrige Sondersitzung des Stadtrats. Das satirische Potenzial der Kommunalpolitik wurde offenbar schon zwei Tage zuvor bei der Ortschaftsratssitzung in Räpitz restlos ausgeschöpft. Angesichts der 700-Jahr-Feier des Ortsteiles Meyhen im Jahr 2021 stellte Dorfchef Roland Vitz an Jens Spiske die Frage, ob er ihn trotzdem als Schirmherr gewinnen könne. Eine wahre Feierstunde für den Satiriker … und die Glaskugel von Ortsvorsteher Vitz.

Ganz anders die gestrige Sitzung der Lallendorfer Duma. Die einzigen interessanten Tagesordnungspunkte nahm Spiske gleich zu Beginn von der Tagesordnung.

Nix da mit dem Wählen neuer Mitglieder der Ausschüsse. Die Erleuchtung darüber sollte erst am Schluss kommen. Die Teams wurden quasi schon im Vorfeld besetzt.

Also gleich rein in den trockenen Stoff der Haushaltsplanung. Im Landkreis wird gemunkelt, dass Markranstädt die attraktivste Kämmerin hat. Leider jedoch auch eine der kompetentesten. Da kann sich der Satiriker noch so konzentrieren, nicht mal der kleinste Rechenfehler ist zu finden. Wie langweilig!

Spaß-Oase in der Wüste

Wenigstens die AfD war auf der Seite der nach Humor dürstenden Seele. Fraktionschef Bodo Walther fielen die gestiegenen Personalkosten im Fachbereich 1 ins Auge.

Auf seine Nachfrage wurde ihm bestätigt, dass diese vorwiegend auf das Ordnungsamt zurückzuführen sind. Walther stellte fest: „Aha, die Verfolgung von Parksündern wurde aufgestockt, ruhender Verkehr.“ Okay, nicht gerade der Mega-Brüller, aber wenigstens zum Schmunzeln. Erstmal.

Wenig später nahm Walthers Fraktionskollegin Bianca Juhnke die prognostizierten Einkünfte der Stadt in den Jahren 2020 bis 2021 unter die Lupe. Sie wollte wissen, auf welchen Erkenntnissen diese Einschätzungen beruhen. So weit so gut.

Aber dass sie dann noch die Frage gestellt hat, wie man die Differenzen stopfen würde, wenn diese Prognosen nicht eintreten, war eigentlich überflüssig. Diese Frage hat sich ihr Chef schließlich nur Minuten vorher schon selbst mit dem ruhenden Verkehr laut beantwortet. Ein inneres Defilee für den Gast mit satirischem Migrationshintergrund.

Hochgewürgt und wieder runter

Ansonsten trockener Stoff wie ein Wüstenspaziergang. Für die wenigen Zuschauer wurde es zu einer geistigen Züchtigung, dass der Haushalt nicht vorher durch die neuen Ausschüsse vorberaten wurde. Dadurch avancierte das Vorspiel dieser Beschlussfassung zu einem Marathon durch die jüngere Markranstädter Stadtgeschichte.

Nahezu alle Vorhaben, die schon vor Monaten der alte Stadtrat durchgekaut hatte, wurden nun noch einmal hochgewürgt, neu eingespeichelt und erneut abgeschluckt. Das Publikum seufzte im Geiste: ‚Ach wären die Neuen doch schon vorher mal zu der einen oder anderen Sitzung gekommen.‘

Und es droht noch langweiliger zu werden. Man kann jetzt sogar schon ahnen, was bei der nächsten Stadtratssitzung in der Bürgerfragestunde mit ganz viel Schwung vorgetragen wird.

Der Bürgermeister persönlich gab die Steilvorlage dazu, als er vom AfD-Chef gefragt wurde, warum im kommenden Haushalt nichts von der barrierefreien Toilette am Kulki zu finden ist. Spiske meinte, dass es dazu unterschiedliche Meinungen und unterschiedliche Lösungen gebe und schloss mit der Bemerkung: „Wir werden da schon was finden.“ Nach dem, was dazu in den letzten 5 Jahren alles nicht gefunden wurde, erscheint die Aussicht, dass in den kommenden zwei Jahren was gefunden wird, sehr sportlich. Zumindest das bleibt spannend.

Geduld ist des Leidens Trost

Man brauchte an diesem Abend ein gerüttelt Maß Geduld. Geduld – eine Tugend, die im gegenwärtigen Zeitalter der Sofortness immer rarer wird. So fragte Micha Unverricht (CDU) den Bürgermeister am Ende voller Ungeduld, wann dieser denn endlich den Termin für die im kommenden Jahr anstehende Bürgermeisterwahl benennen würde. Ganz sicher ging es Unverricht dabei nicht um Spiskes Posten. Aber vielleicht hat ihn die Glaskugel von Roland Vitz inspiriert, sich um die Schirmherrschaft in Meyhen zu bewerben?

 

3 Kommentare

    • Bernd Hollwitz auf 1. November 2019 bei 18:52
    • Antworten

    Also die Berichte aus dem Stadtrat können gar nicht genug sein!

    Auch bitte weiterhin von diesen sonderlichen Sonderlichkeiten berichten.

    Ich fand gerade den letzten Absatz hochinteressant.
    Warum interessiert Micha Unverricht die Bürgermeisterwahl im nächsten Jahr?

    Der gegebene Lösungsansatz des Satirikers der MN erscheint schlüssig, zumal Ortsvorsteher Vitz ja bereits das Wort „trotzdem“ benutzte.
    Vielleicht wollten ja aber Alle nur mal eben den Bürgermeister J.R. Spiske etwas necken, damit der Spaßfaktor steigt?

    1. Das wird’s sein! Ein kommunalpolitisches Einsehen, wonach es mehr Spaß macht wenn’s Spaß macht, war doch schon lange überfällig. Da ist Markranstädt jetzt deutschlandweit Vorreiter. Na gut – Zweiter. Den Berliner Flughafen für 4 Milliarden können wir mit einem Protonentherapiezentrum mit einer lächerlichen Viertelmillion natürlich nicht toppen.

    • Samoht auf 20. Oktober 2019 bei 11:02
    • Antworten

    Ich habe da noch eine Beschwerde im Ohr, daß Ihr gern mehr Kommentare hättet. Aber bei der Taktzahl, die Ihr hier vorlegt, kommt man ja mit dem Lesen kaum hinterher gewscheige denn, mit dem Kommentieren. Kaum hat man ein paar Sätze zusammengedichtet, ist das Thema schon wieder überholt. Macht ruhig mal einen Schritt langsamer und gebt uns Zeit, das zu verarbeiten.
    Ja, es ist ein kleiner Scherz, zugegeben, aber ich habe jetzt ein paar Tage mal nicht reingeschaut und komme kaum noch hinterher. Ist ja der Wahnsinn, was sich in dem kleinen Örtchen so tut.

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