Spaziergang durch Markranstädt: Eine weihnachtliche Zeitreise

Das war kein Enkeltrick! Das vermeintlich fremde Balg, das da gerade bei MN-Volkskorrespondent Jabadu geklingelt hat, erwies sich tatsächlich als genetisch verwandt mit ihm. Der Bube wollte lediglich sein ihm zustehendes Weihnachtsgeschenk abholen. Weil Jabadu gerade keine Playstation rumliegen hatte, wollte ihm der greise Mann wenigstens etwas Kultur bieten und nahm ihn mit auf die Suche nach einer weihnachtlichen Veranstaltung in Markranstädt. Der Beginn einer Zeitreise.

Ein Konzert mit weihnachtlichen Weisen indigener Glasbläser, gemeinschaftliches Basteln bunter Regenbogenbinden für diskriminierte Rotationseuropäer oder wenigstens ein Vortrag über die Geschlechterrolle des Weihnachtsmannes im Zeitalter des Feminismus – irgendwas muss doch los sein in Markranstädt?

Auf der Suche nach einem Ankündigungsplakat oder einem anderen Veranstaltungshinweis verschlug es Jabadu und seinen jungen Begleiter zunächst in die Leipziger Straße.

Hier gilt immer noch Tempo 50, die Radfahrer radeln kreuz und quer auf den Fußwegen herum und die Ordnungshüter sind fokussiert auf die Autos, deren Führer das sichtbare Anbringen der Parkscheibe vergessen haben. Es ist schön, in diesen unsicheren Zeiten wenigstens hier ein paar stabile Konstanten zu wissen.

Hort des Wissens hinter Glas

Und siehe: Gleich vor dem Haus Nummer 37 befindet sich ein Schaukasten, der zur öffentlichen Bekanntmachung wichtiger Nachrichten genutzt wird. Zuversichtlich richtet Jabadu seine Schritte hin zu diesem Hort des Wissens und der Information.

Und in der Tat findet er, hinter einer Glasscheibe vor Witterungseinflüssen ebenso vergangener wie kommender Jahrhunderte sicher geschützt, sofort jede Menge brandaktuelle Hinweise zum gesellschaftlichen Geschehen in seiner Heimatstadt.

Dass der letzte wichtige Aushang in diesem analogen Informationsportal das Datum vom 12. Dezember 2022 trägt, bereitet dem Betrachter wenig Sorge.

Wer will in Zeiten sich selbstständig unbefristet verlängernder Buchungsfristen in Hotels schon so kleinlich sein und sich über einen lächerlichen Zahlendreher aufregen? Olaf Scholz und Christian Lindner nutzen sowas täglich, um aus Schulden Sondervermögen zu machen.

Entsprechend teilnahmslos ignoriert Jabadu deshalb die Bekanntmachung über den aktuellen Haushalt seiner Heimatstadt. Er ist überzeugt davon, dass die darin enthaltenen Zahlen für den homo marcransis auch im Laufe der letzten 12 Monate nichts an Bedeutung hinzugewonnen haben.

Interessanter ist da schon die gleich daneben angepinnte Einladung zu einer Sprechstunde zur Corona-Schutzimpfung im MGH.

Zwar verspricht die Veranstaltung schon rein inhaltlich wenig vorweihnachtliche Erbauung, aber das ist nur eine Frage der Interpretation. Selbst der kleine Junge an Jabadus Hand weiß schon, dass der Weihnachtsmann stets eine Maske trägt. Wenn man ihm jetzt noch glaubhaft versichern kann, dass Heiner Lauterbach darunter steckt, würde der Kleine sicher freiwillig auf Weihnachten verzichten und der Opa wäre aus dem Schneider.

Aber dann zieht ein anderes Plakat die Aufmerksamkeit des Duos auf sich. Unter der Überschrift „Es naht ein Licht“ lockt die Chorgemeinschaft Scharnhorst Großlehna zum Weihnachtskonzert am 18. Dezember 2022 nach Altranstädt.

Ganz kurz nur schießen Jabadu Bilder von erfrierenden Rentnern aus dem Seniorenheim Am Park durch den Kopf, die ihre Kaffeefahrt am Sonntag bei weihnachtlichen Weisen in der Schlosskirche ausklingen lassen wollen.

Macht hoch das Tor

„So schlimm wird‘s schon nicht werden“, beruhigt ihn sein Enkel, „die meisten von denen haben schon Stalingrad überstanden, da werden die doch bei lächerlichen drei Grad minus nicht gleich kapitulieren.“

Lange hielt die beruhigende Wirkung dieser weisen Worte des Knaben leider nicht an. Denn gleich daneben lässt ein weiterer Veranstaltungshinweis befürchten, dass die Überlebenden des Altranstädter Weihnachtskonzertes spätestens in der Silvesternacht vor der Markranstädter Stadtkirche dem unbarmherzigen Kältetod anheim fallen.

Das Silvesterkonzert am 31. Dezember 2022 wird wohl trotz eines wärmenden Orgelfeuerwerks eher die Eisheiligen anlocken.

Im wahrsten Sinne des Wortes „befeuert“ werden die eisigen Aussichten schlussendlich durch eine Mitteilung, die einem das Blut in den Adern gefrieren lässt. Ab 2017 wird in Markranstädt der Kaminholz-Verleih eingestellt! Will heißen: Selbst ein Blick in die Zukunft verheißt nichts Gutes. Das Jahr 2017 war einfach nur beschissen und es wird Zeit, dass es zu Ende geht.

Allerdings haben die Markranstädter Nachtschichten hierzu eine gute Nachricht: Weil der Krieg in der Ukraine erst in fünf Jahren beginnt, hat der homo marcransis immerhin noch genug Zeit, um seine Heizung auf russisches Erdgas umzustellen. Es lohnt sich, bevor die Grünen an die Macht kommen. So schlecht wie es scheint, war dieses Jahr dann doch nicht.

Weil Opa Jabadu und sein Enkel trotzdem noch immer nicht wissen, wie sie sich den Heiligen Abend gemeinsam vertreiben können, haben die Markranstädter Nachtschichten im aktuellen Veranstaltungskalender recherchiert und sind fündig geworden. Hier das ultimative Event zum Heiligabend in Markranstädt:

9 Kommentare

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    • Olit auf 18. Dezember 2023 bei 14:18
    • Antworten

    Darauf kommt nur die Wortschmiede MN! Toll! Wie besonders und schön ist doch die neue Deutsche Sprache: „Rotationseuropäer“! Ist das nun Neudeutsch oder kann das weg? (Was ja für altgediente Plakate auch zutrifft…). Übrigens: Ein bissl schaurig ist das schon- das mit dem LauterWeihnachtsBachMann…

    1. Korrektur, Euer Ehren: Der Rotationseuropäer ist keine satirische Erfindung von uns, sondern eine offizielle Wortschöpfung des Senats von Berlin. Dort hatte man Angst, die Zigeuner mit dem Wort Zigeuner zu diskriminieren und diskriminierte das fahrende Violk statt dessen mit dem Stigma „Rotationseuropäer“. So unterhaltsam kann der ganz normale Wahnsinn sein.

    • Nachbar auf 17. Dezember 2023 bei 11:13
    • Antworten

    Heisst es nicht „Innehalten“ im Advent?
    Der geht im Markranstädt eben das ganze Jahr, oder eben mehrere Jahre;)
    Läuft, schnell und rückwärts, aber läuft.
    Oder wir unser Kanzler sagen würde:
    „Wir sind auf einem guten Weg…“
    Wohin nur?

    1. Das weiß nur er. Aufgabe des Volkes ist es, ihm zu vertrauen und zu folgen. Kommt Ihnen das bekannt vor?

        • Nachbar auf 18. Dezember 2023 bei 9:26
        • Antworten

        Leider ja, aber ich habe in Geschichte auch keine Kreide geholt oder geschlafen…

    • Heidi auf 17. Dezember 2023 bei 9:34
    • Antworten

    …und wenn am Abend der Hirschbraten verzehrt ist, kann man das übrig gebliebene Geweih als Deko auf die Fensterscheiben kleben oder seinen Kindern auf den Kopf setzen. Und ab gehts dann mit der geweihten Jugend in die schrille, geweihte Nacht, die auch gehörnte Ehemänner mit feiern dürfen, denn Weihnachten ist zweifellos für alle da!

    1. Nicht nur Weihnachten, auch Silvester. Ein Doppel-Wumms sozusagen.

    • Heidi auf 16. Dezember 2023 bei 10:27
    • Antworten

    Ist alles nix. Der heißeste Tipp ist, WEIH(e)-NACHTen vorverlegen u. am 21.12. zum sportlichen Event des „offenen Adventskalenders“ ins MGH gehen!
    Der Slogan heißt „FfF“ = “ Fit fürs Fest“ oder“ Fitnessparcour für Fußballfreunde“ = Eine Einladung für „Fusballfreunde und Fans“, die auf diesem Parcour mit Speisen, Getränken u. alten Filmen endlich mal hochaktiv das von Jabadu vermisste weih(e)nachtliche Flair in unsere Stadt bringen werden.
    Frohe WEIH(e)-NACHTen und ab da endlich Frieden auf Erden! (der erst entstehen kann, wenn alle genannten Bedingungen erfüllt sind.)

    1. Hatten Sie Jugendweihe oder Jugendweih? Na also. Rein mutter-, vater- und elternsprachlich verhält es sich hier ebenso wie mit dem Gehörn von einem Hirsch. Ein Hirsch hat ein Geweih, viele Hirsche haben Geweihe. Und weil Weihnachten für viele Menschen gilt, sagt man Weihenachten. Nochmal zum Damwild: Schwierig wirds nur bei weiblichen Exemplaren, wenn dann noch die Geweihinnen dazu kommen. Ist ähnlich wie mit dem weiblichen Onkel, dem Tanter.

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