Beim heiligen Amor: Da muss es aber jemanden in Markranstädt ganz schön erwischt haben! Liebesbotschaften im öffentlichen Verkehrsraum. Auf die Idee muss man erst mal kommen. Früher wurde sowas als Brief verfasst und an den Adressaten verschickt. Besonders klamme Verliebte haben draufgekritzelt: Porto zahlt der Empfänger. Unser Schmachtender hier hat einen Weg gefunden, die Versandkosten den Parteien aufzuerlegen. Einfach genial!
Irgendwie passt der Liebeskummer in die Zeit. Auch die Parteien sehnen sich grade nach intensivem Kontakt zu anderen Menschen und interpretieren ihn dann gar zu gern als Zuneigung. Die beschleunigte Form des Bekanntmachens, sozusagen das Speed-Dating, erfolgt per Plakat.
Eins davon prangt an einer vielbefahrenen Umgehungsstraße in Lallendorf. Spielen wir also mal „Bares für Rares“ und versuchen, dem Kunstwerk auf den Grund zu gehen. Neben dem Konterfei des Pariser Eiffelturms, einem Wahrzeichen der Liebe, steht in großen Lettern geschrieben „meine Wolke 4“ zudem ein Herz mit den Initialen J & R.
Da der Künstler seinen Namen nicht preisgegeben hat (für Fachleute wie Albert Meyer ist das ein Grund zur deutlichen Minderung der Expertise), nennen wir sie also Romeo und Julia. Wir glauben einfach daran, dass es sich hier um eine wahre Liebesgeschichte der Neuzeit handelt.
Wolke unterm Eiffelturm
Was hat es mit der vierten Wolke nun genau auf sich? Ein Hinweis auf den prophezeiten Dürresommer 2019? Oder doch die verschmähte Liebe einer Julia, die mit den Wechseljahren zu kämpfen hat und Ihren Romeo unter dem Einfluss depressiver Regenwolken regelmäßig in den Hobbykeller treibt?
Oder hat der Romeo einfach nur nie auf seine Julia gehört und Ihn plagen jetzt die Schuldgefühle, was in künstlerischer Feinarbeit hier wiedergegeben wird? Es gibt ja in solchen Fällen oft das Bedürfnis, seine Reue aller Welt kund zu tun.
Was auch immer sich der Künstler bei der Interpretation seines Werkes erhoffte: Sicher ist, es handelt sich um die Version 1.2 von Shakespeares Romeo und Julia. Das war keinesfalls das Werk eines Puber-Tiers.
Wer seinem Exponat noch in drei Metern Höhe einen Datumsstempel aufdrücken kann, ist erwachsen. Weil er entweder groß genug ist, oder eine Leiter schleppen kann. Oder weil er einen echten Freund hat, der ihm die Räuberleiter gemacht hat oder ihn auf die Schulter nahm.
In beiden Fällen kann auch hier ein Jugendlicher ausgeschlossen werden. Facebook-Freunde machen sowas nicht.
„Since 23.10.13… never ending Story“ sagt uns auch, dass der Schöpfer des Werkes vor sechs Jahren zumindest schon geschlechtsreif gewesen sein muss.
Außerdem beherrscht er mehrere Sprachen und – was ihn klar als Vertreter einer reiferen Generation qualifiziert – er kennt so alte Filme, dass Teenager als Zielgruppe endgültig auszuschließen sind. Die unendliche Geschichte ist fast so alt wie der Schmachtstreifen „Dirty Dancing“. Ganz klar ein Fall für die Zielgruppe von Willi Schwabe.
Mit dem Farbton RAL 3000, der auch die Erscheinung von Einsatzfahrzeugen der Floriansjünger prägt, hat der Liebende seiner Botschaft zudem noch eine aktive Signalwirkung verliehen.
Der Steckbrief des Täters
Fassen wir unseren Steckbrief also zusammen: Männlich (Frauen machen sowas nicht); maximal 1,80 Meter groß (Höhenniveau des Gemälde-Hauptteils über NN), kräftige Statur (kann eine Leiter schleppen), deutlich über 30 Jahre alt (kann schreiben und kennt den Film „Dirty Dancing“) aber wahrscheinlich unter 40 (hat offenbar noch Lust auf Sex und weiß auch noch, was Liebe ist) und nicht zuletzt muss er auch finanziell gut aufgestellt sein.
Darauf deutet nicht nur die exklusive Auswahl der teuren Farbe hin. Kein Leistungsempfänger käme in Tagen wie diesen auf die Idee, für den Transport seiner Liebesbotschaften ein Plakat jener Partei zu verwenden, die Hartz IV erfunden hat.
Wir finden diese altmodische Liebesbotschaft jedenfalls originell und wünschen Romeo, dass er seine Julia bald wieder hat. Dazu bleiben ihm noch knapp 30 Tage, dann muss das bunte Briefpapier wieder aus den Straßen verschwinden.
1 Kommentar
Mich würde auch das Datum der Inauftraggabe des zugrunde liegenden Wahlplakates interessieren.
Das wäre sehr aufschlussreich, wie ich finde.